Kitzbüheler Anzeiger
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08.08.2022
News  
 

Wegbereiterin der Bäuerinnen

Als 1962 in der Landeslandwirtschaftskammer für Tirol eine Bäuerinnenorganisation installiert und aufgebaut wurde, wählten die Bezirksbäuerinnen die Unterbrunnbäuerin in Kitzbühel zur Vorsitzenden des „Hauswirtschaftlichen Fachausschusses“ und damit zur ersten „Landesbäuerin“ in Tirol.

Sie erhielt als erste Frau Sitz und Stimme im Landesbauernrat und wurde als erste Bäuerin Tirols mit dem Berufstitel Ökonomierat ausgezeichnet.

Engagierte junge Bäuerin
Dass der Vorschlag von Kammerobmann Josef Muigg, dem mächtigen Kammersekretär Dipl. Ing. Franz Lechner und der engagierten Maria Drewes,  Leiterin der Abteilung Hauswirtschaft, auf eine Bäuerin aus dem geographischen Randbezirk Kitzbühel fiel, war unerwartet, aber begründet, weil Hechenberger schon als Führungspersönlichkeit über den Bezirk Kitzbühel hinaus anerkannt war.

Anna Thaler kam am 22. September 1926 in der Bauernfamilie zu Tal (Unterhenntal) am Sonnberg zur Welt. Nach absolvierter Pflichtschule war in der Kriegszeit an eine weitere Schulausbildung nicht zu denken. Sie heiratete den Erbhofbauern Peter Hechenberger (Unterbrunn) und wurde Mutter von sechs Kindern. Nach dem Tod des Vaters Wolfgang Thaler übernahm sie den Heimathof, den sie 1976 an einen Sohn weitergab.

Aufbruchstimmung in der Landwirtschaft
Nach dem Zweiten Weltkrieg förderte die Landwirtschaftskammer neben Weiterbildungskursen zur bäuerlichen Hauswirtschaft Gemeinschaftswasch- und -gefrieranlagen. 1953 wurde eine eigene Abteilung für Hauswirtschaft eingerichtet. Förderungen der landwirtschaftlichen Hauswirtschaft ermöglichte die Bereitstellung von Mitteln aus dem Marshallplan, der für den Wiederaufbau entscheidenden Hilfe der USA für die europäische Wirtschaft, durch die nun auch die Verbesserung des Angebots der Landwirtschaft einbezog. Unterbrunn erhielt einen „Mustergarten“, der Bauer war nach dem Krieg über viele Jahre stellvertretender Obmann des Obstbauvereins.

Die nach dem Krieg in die Verantwortung eingetretene Bauerngeneration hatte am allgemeinen Aufbauwillen Anteil und konnte den Aufschwung durch Beratungen am Hof und ein breites Fortbildungsangebot nutzen. Der „Lacknerhof“ in St. Johann war über eineinhalb Jahrzehnte ein viel besuchter Stützpunkt für Bauern und Jungbauern aus der Umgebung und Ziel von Lehrfahrten und Exkursionen.

Plauderstuben und Beratung
Bei abendlichen „Plauderstuben“ auf verschiedenen Bauernhöfen erörterte die junge Bauerngeneration aktuelle Themen mit jungen Experten der stark ausgebauten Beratung. Im Herbst 1961 erging der Auftrag an die Bezirkskammern, Fachausschüsse für die ländliche Hauswirtschaft einzurichten. Anna Hechenberger wurde zur Ortsbäuerin und Vorsitzenden im Bezirk bestellt.

Als in jedem Bezirk eine Beraterin eingesetzt wurde, konnten die Bäuerinnen zu konkreten aktuellen Themen wie Hausapotheke, elektrische Backöfen, Dampfentsafter, Hauswasserversorgung, Kücheneinrichtung, Nähkurse, Säuglingspflege oder zum Trachtennähen informiert werden. Mit der Organisation dieses breiten Angebots wurde in jedem Ort eine aufgeschlossene junge Bäuerin von der Landwirtschaftskammer betraut.

Lehrfahrten und Bäuerinnentage
Die ersten Beraterinnen waren Julie Halder und Dipl. Ing. Verena Hopfensperger geb. Petzold. Mit der ab 1960 im Bezirk tätigen Steirerin Seraphine Putz arbeitete Hechenberger in der ersten Zeit als Landesbäuerin besonders eng zusammen. Sie schrieben Lehrfahrten aus und wickelten sie trotz des Andrangs mustergültig ab. Für viele Frauen waren es unerwartete, gewissermaßen „arbeitsfreie“ Tage in einer netten Gemeinschaft. Dabei wurden auch Wetterstürze und notwendige kurzfristige Programmänderungen in Kauf genommen. Putz informierte auch über den „Kitzbüheler Anzeiger“ über die Anstrengungen der Bäuerinnenorganisation, sie stieg bald zur Landjugendreferentin in Innsbruck auf, und wurde Autorin vor allem von wegweisenden Kochbüchern. Bei der Konstituierung des Fachausschusses wählten die Bezirksbäuerinnen Anna Hechenberger zur Vorsitzenden und damit zur „Landesbäuerin“.

Ein umfassendes Arbeitsprogramm wurde festgelegt: Mitwirkung bei der Vertretung der Interessen der Bäuerinnen sowie Förderung der Belange der bäuerlichen Hauswirtschaft, Mitwirkung an der Erstellung und Abwicklung hauswirtschaftlicher Förderprogramme sowie die Beschaffung der dafür notwendigen Mittel, Mitwirkung bei Angelegenheiten bezüglich der Berufsausbildung der Bäuerinnen und bei der Wahrnehmung sozial- und kulturpolitischere Anliegen der Landwirtschaft.

Bei der ersten Arbeitssitzung legte Hechenberger fest: Vermehrte Ausbildung, Einstellung von Familienhelferinnen, Förderung des landwirtschaftlichen Schulwesens, Aktivierung der Nachbarschaftshilfe und Privatzimmervermietung auf den Bauernhöfen. Anna Hechenberger wurde Mitglied des Kollegiums des Landesschulrats, Kammerrat (den Begriff „Rätin“ gab es damals nicht) der Landeslandwirtschaftskammer und Vorstandsmitglied im Verband der Privatzimmervermieter in Tirol.Hans Wirtenberger

Mehr dazu in der aktuellen Print - Ausgabe des Kitzbüheler Anzeiger KW 31.

Literatur: Miteinander zum Erfolg. 50 Jahre Tiroler Bäuerinnenorganisation 1962 - 2012

Bilder: 1) Die Tracht verbindet Kitzbüheler Bäuerinnen und Bürgerinnen. 2) Der EU-Abgeordnete Dr. Otto Habsburg sprach vor den Bäuerinnen. 3) Auszeichnung für Ortsbäuerin Margarethe Thaler, Hofbäuerin in Itter. Links Kammerpräsident Hans Astner. Foto: Stadtarchiv Kitzbühel

 
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