Kitzbüheler Anzeiger
14.02.2021
News  
 

Viele Firmen fallen durch den Rost

Nicht nur die wirtschaftliche Situation lässt viele kleine Unternehmer verzweifeln, auch die psychische Belastung wird immer größer, berichtet Unternehmensberater Robert Jong.

Kirchdorf | Seit inzwischen 18 Jahren berät Robert Jong Unternehmer im Bezirk Kitzbühel. In seinem Büro in Erpfendorf sind es vor allem kleinere und mittlere Firmenbetreiber, die seine Hilfe suchen. Auch Jungunternehmer lassen sich bei der Gründung von ihm als Berater der Wirtschaftskammer helfen.
Die Corona-Pandemie und die wirtschaftlichen Folgen für seine Kunden beschäftigen so auch ihn intensiv. Zumal, so Jong, sehr viele Unternehmer buchstäblich durch den Rost fallen. „Als Unternehmensberater bin ich es gewohnt, an den Schrauben zu drehen. Ich arbeite mit dem, was mir der Unternehmer zur Verfügung stellt. Doch diese Schrauben gibt es derzeit einfach nicht“, sagt Jong.

Gerade kleine Unternehmer haben es besonders schwer. „Sie fallen aus den Förderungen raus, weil sie bestimmte, willkürlich gewählte Kennzahlen nicht erfüllen, um als ´gesundes´ Unternehmen förderwürdig zu sein. Der Zugang zu den Förderungen ist oft sehr schwer“, klärt Jong auf. Viele Unternehmen, die arbeiten dürfen, wie Taxiunternehmer oder Lebensmittelproduzenten, hängen oft vom Tourismus ab und haben kaum Aufträge. Überdies müssen sie sich in einem bürokratischen Dschungel zurecht finden. Alleine für die Anmeldung zur Kurzarbeit gab es innerhalb weniger Tage fünf bis sechs verschiedene Formulare, so Jong. Das überfordere Viele.

„Der Tourismus hat z.B. eine gute Lobby, viele Kleinunternehmer haben diese aber nicht“, erklärt Jong. Er hat auch die Erfahrung gemacht, dass viele Unternehmer sogar auf ihren eigenen Gehalt verzichten, um ihre Mitarbeiter bezahlen zu können.
„Die Corona-Intensivpatienten liegen nicht nur im Spital, die Intensivpatienten habe ich hier bei mir am Schreibtisch liegen“, klagt Jong. Hinter jedem Unternehmen stehen Menschen mit Emotionen. Nicht nur einmal sei in den letzten Monaten ein gestandener Unternehmer weinend vor ihm gesessen, weil er nicht mehr weiter weiß.

„Nicht nur eine Welle, ein Tsunami droht“
Der Kirchdorfer ist überzeugt, dass in den nächsten Monaten wirtschaftlich gesehen „nicht nur eine Welle auf uns zukommt, sondern ein ganzer Tsunami.“ Da mache er sich nichts vor. „Teilweise sind die Stundungen der Banken bereits ausgelaufen bzw. laufen aus. Auch die bislang gestundeten Steuern und Sozialversicherungsbeiträge werden fällig.“ Überdies hätten auch viele Unternehmer bereits in der ersten Welle günstige Überbrückungskredite aufgenommen – natürlich nicht damit rechnend, dass die Corona-Pandemie noch einmal solche Folgen haben könnte. Allerdings müssen diese Kredite innerhalb von vier bis fünf Jahren zurück gezahlt werden, die ersten Raten waren bereits fällig. Da wird es bei vielen eng.
Doch für Robert Jong ist diese Wirtschaftskrise auch eine Psychosoziale. „Der Sinn des eigenen Handelns geht bei vielen verloren, wenn die Geschäfte geschlossen sind und Dienstleistungen verboten werden.“ Da zerbreche so manches stabile Umfeld, der Verlust der gewohnten Strukturen führe zu genereller Unsicherheit. Beziehungen gehen auseinander, soziale Kontakte fehlen. Er frage sich inzwischen, ob der Schaden durch die rigorosen Maßnahmen in Summe nicht deutlich größer ist als der Nutzen.

„Der Gesetzgeber sollte die Maßnahmen besser evaluieren und die Eigenverantwortung und Selbstbestimmtheit der Menschen nicht vergessen“, sagt Jong. Er rät den Unternehmern gerade hinsichtlich der Förderungen, alle Stellen, wie Wirtschaftskammer, Steuerberater, Unternehmensberater aber auch die Interessensvertretungen zu kontaktieren und nicht locker zu lassen.

Auch Branchenkollegen um Hilfe bitten
Und vor allem auch über den Tellerrand zu schauen, sich nicht scheuen auch Branchenkollegen zu fragen, wie sie die Sache lösen. „Oft fehlt die Lobby, da wäre die Gründung eines virtuellen Branchenstammtisch z.B. eine Möglichkeit“, sagt Jong. Generell fordert er von den Verantwortlichen der Förderstellen „mehr Augenmaß einzusetzen und Fördergerechtigkeit walten zu lassen.“ „Ich rate Unternehmern diese Zeit zu nutzen, um umzudenken und eventuell auch die Löschtaste zu drücken. Das ist natürlich leichter gesagt als getan“, ist sich Robert Jong der Lage bewusst und doch rät er durchzuhalten. Margret Klausner

Bild: Seit 18 Jahren berät Robert Jong Unternehmer im Bezirk Kitzbühel – auch im Auftrag der Wirtschaftskammer. Die Corona-Krise ist für seine Kunden eine große Herausforderung. Die Verzweiflung wächst. Foto: Klausner

 
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