Kitzbüheler Anzeiger
24.01.2021
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Nahaufnahme eines Standortes

Kitzbühel verordnete sich im Rahmen der Stadtentwicklung einen Aktionsplan für die Wirtschaft, der vor knapp zwei Jahren offiziell vorgestellt worden ist. Seither hat sich die Ausgangslage nochmals dramatisch geändert. Wie ist es aktuell um den Wirtschaftsstandort Kitzbühel bestellt? Der Kitzbüheler Anzeiger bat Wirtschaftsreferent Ludwig Schlechter um seine Einschätzung.

Kitzbühel | Kitzbühel als Tourismusstandort genießt trotz aller Herausforderungen einen relativ unabhängigen Status, zeigt sich Schlechter stolz. Große, relevante Betriebe sind in einheimischer Hand. Diese Stärke gilt es jetzt auszuspielen:„Wenn das Bewusstsein da ist: Was ist meine Heimat wert? Dann kann man sehr viel bewegen.“
Die Kitzbüheler Wirtschaft besteht aus den drei Säulen Tourismus, Handel und Gewerbe.  Dass gerade der Tourismus unter Druck gerät, rückt erneut ins Bewusstsein, so Schlechter: „was es bedeutet, wenn der Tourismusmotor nicht so ‚marschiert‘ wie vor der Krise.“
Die Erkenntnis aus der Pandemie sei vor allem die, dass es sich lohnt, weiterhin verstärkt auf die Qualität zu setzen und nicht so sehr auf die Quantität.
Das schlägt sich nicht nur auf den Tourismus nieder: Das regionale Produkt, z.B. bäuerliche Erzeugnisse aus der Region, gewinnt an Wertigkeit. „Ich denke, dass gerade durch die zweite Welle schon ein Umdenken stattgefunden hat.“ Der relativ gute Sommer glich die Ängste der ersten Coronawelle aus, doch von Herbst bis jetzt „hat es uns richtig eine geschlagen“, so Schlechter. Er spricht die erwartete Pleitewelle an, die ein Minus von bis zu 25 Prozent bewirken könnte.

Während der erste Lockdown die heimischen Betriebe relativ kalt erwischt habe, haben z.B. die Händler und Gastronomen mittlerweile gut reagiert und sich mit Lösungen für den zweiten Lockdown aufgestellt. „Kurze Wege, Fachberatung etc. sind nach wie vor Argumente für den lokalen Handel – und die Kaufkraft bleibt im Ort“, konstatiert Schlechter. „Hut ab auch vor der Bergbahn, dass sie für die Einheimischen aufgesperrt hat.“ Auch der Standort – die Stadtgemeinde – überlegt bereits, was sie den Unternehmen anbieten kann. „Man muss jetzt abwarten – wie geht es weiter. Dann können wir schauen, welcher konkreten Hilfe von uns es bedarf.“ Motto: kein Gießkannenprinzip, sondern ein gezieltes Maßnahmenpaket. „Die Unterstützung, die wir den Unternehmern bieten können, ist aber beispielsweise auch der Erwerb der Grundstücksflächen in Gundhabing.“ Aktuell ist die Stadtgemeinde dabei, unter Beihilfe des Landes (z.B. Dorferneuerung), das Areal zu gestalten. „Da hat der Unternehmer eine Perspektive, das sichert ihm die Zukunft ab, um in den Standort zu investieren. Das sehe ich schon als Leuchtturmprojekt.“

Kitz-Zehner hat sich gut entwickelt
Der Kitz-Zehner wurde mittlerweile zum zweiten Mal auf den Markt gegeben, und wird sehr gut angenommen. „Das ist eine Maßnahme, bei der das Geld im Ort bleibt.“ Daher werde die Stadtgemeinde das weiterhin verfolgen und ausbauen. Bereits der Start zeigt die Erfolgsgeschichte auf: Insgesamt wurden bis Ende September 5.495 Gutscheine ausgegeben, eingelöst wurden davon 4.855 Stück. Dies ergab einen wirtschaftlichen Impuls in Höhe von 48.550 Euro, wie die Stadtgemeinde mitteilt. Auch Phase 2 ist mittlerweile sehr gut angelaufen, ergänzt der zuständige Koordinator Bernd Breitfellner gegenüber dem Kitzbüheler Anzeiger. So wurden in der zweiten Tranche 8.926 Stück im Wert von 89.260 Euro ausgegeben, bislang eingelöst wurden 943 Stück – und das trotz erneuter Sperre des Handels.

Pandemie als Anstoß für Kaufmannschaft?
Aktionen wie Einkaufsgutscheine zur Kaufkrafteigenbindung sind das eine – eine schlagkräftige Kaufmannschaft das andere. Wie sieht hier die Perspektive aus? Ludwig Schlechter dazu: „Eine entsprechende Kaufmannschaft hat es früher bereits gegeben. Das hat sich dann zerschlagen, meiner Meinung nach aus zwei Gründen: zum einen, weil immer mehr Kitzbühelerinnen und Kitzbüheler ihre entsprechende Geschäftstätigkeit aufgebeben haben, zum anderen, weil es für so etwas einen ‚Kümmerer‘ braucht.“ Hinzu kommt, dass der Filialisierungsgrad – also der Anteil von nicht-inhabergeführten Geschäften – mit 54 Prozent relativ hoch ist. „Wir dürfen uns von Konzernen nicht vereinnahmen lassen, sondern sie sollen uns begleiten“, so Schlechter. Es gilt den Balanceakt zwischen Selbstverantwortung und moderner Entwicklung zu schaffen. „Kaufmannschaft ist immer Thema“, ergänzt der Wirtschaftsreferent, „aber es ist schwierig, eine zu etablieren. Ich würde etwas Derartiges sehr begrüßen. Vielleicht entsteht durch die Coronakrise ja doch das Bewusstsein, dass man sich zusammenschließen sollte. Die Hoffnung stirbt für mich zuletzt.“ Schlechter ortet vielerorts eine „Startbereitschaft“ dafür, dennoch fehlt der letzte Funke, um das in die Wege zu leiten. Dennoch ist auch eine Kaufmannschaft kein Allheilmittel: „Wichtig ist es für uns als Stadtgemeinde auch, unsere regionalen Aktivitäten zu verstärken.“ Elisabeth Galehr

Bild: Sehr gut angelaufen ist auch die zweite Phase des Kitz-Zehners. Foto: Galehr

 
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