Kitzbüheler Anzeiger
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18.06.2021
News  
 

Mit mulmigem Gefühl auf die Alm

Vielleicht passiert etwas, vielleicht auch nicht – der Almsommer beginnt mit einem unguten Gefühl für die Schafbauern.

Kössen, Jochberg, Bezirk | Leo Mühlbergs erster und letzter Blick des Tages gilt seinem Handy. Wurde ein Wolf von den Wildkameras erfasst? Seit einem Monat hat der Schafbauer seine Tiere auf der Naringalm in Kössen. 77 eigene und fremde Schafe. Mühlberger bewirtschaftet die Alm zusammen mit Anton Dagn. Neben den Schafen gibt es auf der Naringalm auch Mutterkuhhaltung.
Seit ein Wolf im letzten Sommer 24 Schafe gerissen hat, ist man auf der Hut. „Noch haben wir keine Sichtung gehabt. Aber es kann jeden Tag passieren – das ist ein sehr ungutes Gefühl für uns alle“, sagt Mühlberger.
Letztes Jahr trieb der Landwirt nach den nicht enden wollenden Wolfsattacken seine Tiere am 27. Juli wieder ins Tal. „Das war einfach schrecklich. Zuzuschauen, wie die Schafe qualvoll verenden. Viele Tiere beißt der Wolf ja nicht ganz tot. Da frag ich mich schon ganz laut - wo ist hier der Tierschutz? Wo bleibt der Aufschrei?“ Nach dem Abtrieb der Schafe zog auch der Wolf wieder weiter.

Herde mit Zaun schützen? „Praktisch nicht möglich“
So ein Gelände, wie man es auf der Naringalm findet, vor dem Wolf zu schützen, sei schwierig sagt Mühlberger: „Ich habe mit Experten gesprochen. Eine Einzäunung würde 120.000 bis 130.000 Euro kosten – wenn es überhaupt möglich ist, denn das Gelände ist steil und uneben.“ Zudem verlaufen in dem Gebiet Wanderwege. „Ich möchte nicht wissen, was dann los ist, wenn die Radler und Wanderer vor Zäunen mit Starkstrom stehen.“

Jochberger Bauern „mit Bauchweh“ auf die Alm
Schauplatzwechsel: Florian Stanger und Hermann Fröhlich aus Jochberg haben ihre Schafe im Sommer auf einer Alm in Bramberg im benachbarten Pinzgau. Am Samstag war der Auftrieb. „Letztes Jahr hatten wir keine Probleme, aber wir treiben die Tiere mit Bauchweh auf“, sagt Stanger. Im nahen Mittersill gab es bereits einen ersten Wolfs-Verdacht.

Hoffen auf Halsbänder
Die 65 Schafe von Stanger und Fröhlich sind auf einer Gemeinschaftsalm, wo bis zu 550 Tiere ihren Sommer verbringen.  Eine Einzäunung ist in dem steilen Gelände praktisch nicht umsetzbar, erklärt Fröhlich: „Wir ziehen alles Mögliche in Betracht, um unsere Tiere zu schützen. So entwickelt ein Osttiroler gerade Halsbänder, die bei einem Biss dem Wolf einen starken Stromschlag versetzen.“ Die Stromschlag-Halsbänder befinden sich derzeit aber noch in der Testphase.

Ernüchterung
Von der Politik fühlen sich alle drei Bauern ein wenig im Stich gelassen. „Eigentlich ist seit dem letzten Sommer nichts passiert, es hat sich nichts geändert. Ich habe seitdem auch nichts mehr von der Politik gehört“, beschreibt Leo Mühlberger seine Situation. Im Notfall wird er seine Tiere wieder von der Alm heruntertreiben, denn zuschauen wie eines nach dem anderen getötet wird, will er nicht mehr.

Florian Stanger und Hermann Fröhlich sehen die Situation ähnlich: „Wenn es nicht anders geht, müssen wir unsere Herde dahingehend reduzieren, dass sie im Tal bleiben kann.“
Die drei Bauern betonen, dass der Wolf keinen Platz auf den bewirtschafteten Almen hat. „Es gibt andere Gebiete, wo er ungestört sein kann. Ich hoffe nicht, dass zuerst einem Menschen etwas passieren muss, wenn die Wölfe immer näher kommen“, sagt etwa Hermann Fröhlich. Auf die Brennerautobahn hatte sich vor kurzem bereits ein Wolf verirrt. Johanna Monitzer

Bilder: 24 Schafe wurden letztes Jahr auf der Naringalm in Kössen von einem Wolf getötet. Der Almsommer beginnt mit einem unguten Gefühl. Fotos: Archiv (ZOOM.Tirol)

Wenn Tiere nicht flüchten, dann tötet ein Wolf mehr als er fressen kann. Im Bild: Rissbild eines Schafes auf der Naringalm.

Daten & Fakten - Der Wolf kam 2009 nach Tirol
Bezirk | In Tirol wurde 2009 der erste Wolf genetisch nachgewiesen. Danach gab es Jahre mit Nachweisen, genauso aber auch Jahre ohne Nachweise. Bislang gibt es in Tirol keine Rudelbildung, es handelt sich um einzelne Tiere. Laut EU-Recht ist der Wolf geschützt

Drei bis vier Kilo Fleisch
Der Wolf jagt bevorzugt Rehe, Wildschweine und Hirsche. Wölfe erbeuten auch Haustiere, besonders Schafe und Ziegen. Tötungen mehrerer Tiere sind zu beobachten, wenn Beutetiere nicht flüchten, wie z.B Schafe. Der mittlere Nahrungsbedarf eines Wolfes beträgt etwa drei bis vier Kilogramm Fleisch. Der Bezirk Kitzbühel ist kein klassischer Platz für Schaf- und Ziegenherden. Letztes Jahr gab es rund 3.500 Schafe und 1.350 Ziegen (Vergleich Rinder: 32.000). Quellen: Land Tirol, LK

 
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