Kitzbüheler Anzeiger
08.02.2021
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Heimatblätter - Das Unikum am Hahnenkamm

In meinen Dachauer KZ- Jahren plauderten mein ältester Tiroler Freund Hans Gamper, Landesrat für Kultur und Landeshauptmannstellvertreter, und ich oft über Tiroler Schätze und Originale. Auf jeden Fall gehörte Walde dazu.

Nach dem Krieg kam es zu einer intensiven Korrespondenz. Immer wieder lud er mich ein, ihn in seinem Kitzbühel, das für ihn der Mittelpunkt der Welt zu sein schien, zu besuchen.

Unrecht, Korruption und Konfusion
Schließlich kam ich 1951 zum ersten Mal. Weil ich nicht mehr Stadtrat war, nahm ich mir die Zeit. In vielen nächtlichen Diskussionen in Waldes Haus am Hahnenkamm lernte ich einen Zeitgenossen kennen, der sich gründlich Gedanken macht über Unrecht, Korruption und Konfusion nicht nur in seinem Heimatland.  Auch wenn er, je älter er wurde, desto seltener Kitzbühel, das seine Welt war, verließ, so ging sein Rundblick über die ganze Welt. Der Zeitungs- und Zeitschriftenleser Walde war ein Unikum.
Das Unrecht, das ihm Landsleute während der NS- Zeit und auch nachher durch Boykott und Diffamierung antaten, zehrte an ihm. Viel hat die Meinung für sich, er sei mit seinen 67 Jahren an gebrochenem Herzen gestorben. Doch darf auch nicht übersehen werden, dass er nicht wenig schonungslos gegen sich war. Er lebte sein Leben intensiv, immer in voller Engagiertheit, ein Unabhängiger, wie er unter Künstlern selten zu finden ist.

Eine Million Farbpostkarten
Walde wusste um seine Abwertung bei bestimmten Ästheten, Bildrichtern, Kunstpolizisten. Die Gefahr eines durch den wohltätigen Kunstdruck zum „Massenmaler“ Gestempelten hat er selbst gesehen. Aber er legte größten Wert darauf, zu betonen, wie er speziell zur Großreproduktion gekommen ist. Er machte mir wiederholt plausibel, wie geistige Freiheit am besten und solidesten auf materieller Unabhängigkeit basiert und gedeiht.
Als mir Walde persönlich bestätigte, dass in den ersten zwei Jahrzehnten seiner Reproduktionspraxis bereits eine Million Farbpostkarten und 200.000 größere Farbreproduktionen abgesetzt worden seien, konnte ich ihn zu diesem unikalen Erfolg nur beglückwünschen. Wenn ich gar nichts von Walde gewusst hätte, ich wäre sein Anhänger gewesen. So aber wusste ich immer besser, was für einen Pionier auf vielerlei Gebieten, was für eine eigenständige Persönlichkeit, was für einen konsequenten Österreicher ich da kennengelernt habe.
(Auszug aus „Der menschliche Maler A. Walde, Erinnerungen an den Herrn vom Hahnenkamm“ in der Tiroler Kulturzeitschrift „Das Fenster“, Heft 14, Frühjahr 1974).

Dr. Viktor Matejka wirkte als Volksbildner und Kulturpolitiker, kam mit dem ersten Österreicher- Transport in das KZ Dachau, lebte ab 1944 als U-Boot in Wien, war von 1945 bis 1949 Stadtrat für Kultur und Volksbildung in Wien, Zentralsekretär der KPÖ, Mitglied des Zentralkomitees bis 1957.Ab 1951 weilte er oft wochenlang bei Alfons Walde am Hahnenkamm. Walde bezeichnete ihn als intellektuellen Geistesprotz.

Bild: Viktor Matejka, 1901 – 1993. Foto: aus „Wer war Viktor Matejka?“, Wien 1994

 
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