Kitzbüheler Anzeiger
03.06.2021
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750 Jahre Kitzbühel: eine Stadt zwischen Tradition und Moderne

Alte bayerische Grenz- und spätere Tiroler Bergbaustadt, im Barock ein Zentrum der Kunst und des Schauspiels: Kitzbühel ist noch viel mehr, als eine alpine Tourismusdestination von Weltruf. Es ist vor allem eine über die Jahrhunderte gewachsene Stadt, deren Bürger ein städtisches Selbstbewusstsein entwickelten. 
       
Kitzbühel | Als der bayerische Herzog Ludwig II. der Strenge am 6. Juni 1271 die Stadturkunde überreichte, war das bestehende Chizzingenspuehel eine überschaubare Siedlung, die sich auf einem Hügel inmitten eines unbewohnbaren Überschwemmungsgebietes  befand. Mit seinem Umland bildete es im Mittelalter den südöstlichsten Teil des Herzogtums Bayern, der im Osten, Süden und Westen von fremden Territorien umgeben war. Diese aus bayerischer Sicht sehr exponierte Lage dürfte der Grund für die Stadterhebung gewesen sein.

Ein Stützpunkt bayerischer Interessen
Aufgrund seiner geografischen Lage war Kitzbühel ein Stützpunkt entlang der Handelsroute, die vom Chiemgau über den Pass Thurn durch das Felbertal nach Lienz bis nach Venedig führte. Um sich gegen ungebetene Eindringlinge zu wehren, wurde bis zum Anfang des 14. Jahrhunderts eine Stadtmauer errichtet. Gleichzeitig setzte in ihrem Inneren eine ungeheure Bautätigkeit ein, die, wie historische Untersuchungen belegen, im 15. Jahrhundert im Großen und Ganzen abgeschlossen war. Einlass gewährten das Spitalstor sowie das Jochberger Tor, das zum Pfleghof mit seinem Turm sowie dem Südwestturm der Stadtmauer (heute Museum Kitzbühel) gehörte. Dazu kommen der Bau der gotischen Katharinenkirche (Mitte 14. Jahrhundert), in dessen Turm die Feuerwache untergebracht war, der gotische Neubau der Pfarrkirche sowie die Errichtung der Oberkirche der Liebfrauenkirche (15. Jahrhundert). Im Jahre 1412 stiftete Herzog Stephan von Bayern das Bürgerspital mit der Spitalskirche. Der Pfleghof blieb vermutlich bis ins 18. Jahrhundert der Sitz des landesfürstlichen Pflegers, der im heutigen Sinne als Richter zu verstehen ist.

Bürger zu werden war nicht einfach
Es war nicht einfach, ein Bürger der Stadt zu werden. Die Aufnahme in den Bürgerverband war an strenge Bedingungen geknüpft. Erst wenn diese erfüllt waren, fand die Aufnahme statt. Dabei musste vom Aufnahmewerber der Bürgerschwur, ein sehr ernster Eid, in feierlicher Form gesprochen werden.  

Zünfte bestimmten des Leben in der Stadt
Seitens des Landesfürsten wurde alles getan, um Kitzbühel zu einem Handelszentrum und Gewerbemittelpunkt des Leukentales zu machen. Als Stadt verfügte Kitzbühel über Privilegien, es gab Wochen- und Jahrmärkte und die Zahl der Wirtshäuser wuchs kontinuierlich.
In der Stadt geschah nichts ohne die Zünfte, die seit 1427 in Kitzbühel auftraten. Sie hatten eine hohe gesellschaftliche Bedeutung und eine hohe Machtstellung in der Stadt; in Gewerbeangelegenheiten konnte der Stadtrat ohne ihre Zustimmung nichts entscheiden.  

Der Bergbau verhalf zu Wohlstand
Kelten schürften hier schon vor 3.000 Jahren nach Kupfererzen. Erst viel später, noch zur Zeit der bayerischen Herrschaft, wurde im Spätmittelalter mit dem Bergbau jener Erwerbszweig erschlossen, dem Kitzbühel seine erste große Blüte verdanken sollte. Am Ende des 15. Jahrhunderts sind Schmelzhütten bezeugt, in denen die Erze weiterverarbeitet wurden.
Der wirklich große Boom setzte aber um das Jahr 1540 ein, als die Silber- und Kupfervorkommen am „Rerobichl“ entdeckt wurden. In kürzester Zeit und teilweise ohne Genehmigung wurde eine Vielzahl von Schächten in den Boden getrieben, die Tiefen von bis zu 900 Metern erreichten und lange Zeit als die tiefsten der Welt galten. Der damit verbundene enorme finanzielle Aufwand ließ die Erträge rasch abnehmen.

Der Höhepunkt der Bergbautätigkeit war bereits vor 1600 überschritten, trotzdem wurde weitergeschürft. Erst 1774 wurde der Silber- und Kupferabbau am Rerobichl eingestellt, 1871 der Bergbau in Sinwell aufgelassen. Im 16. und 17. Jahrhundert entstanden die ansehnlichen Bürgerhäuser der Bergbauverwaltung, die den Stadtkern bis heute prägen. Spuren des Berg-baues finden sich bis heute in der Ehrenbachgasse sowie der Knappengasse.  

Kunstzentrum und Spielort im Barock
Der Bergbau blieb ein Garant für das wirtschaftliche Wohlergehen der Stadt, dem, etwas zeitversetzt, eine geistig-kulturelle Blüte folgen sollte. In der Zeit des Barock wurde Kitzbühel zu einem Kunstzentrum, das bis in den Salzburger Pinzgau und in das Tiroler Inntal ausstrahlte. Bedeutende Maler, Bildhauer und Baumeister waren in der Stadt beheimatet. Hervorzuheben ist das Wirken der Künstlerfamilie Faistenberger, der mit Simon Benedikt Faistenberger einer der bedeutendsten Tiroler Barockmaler entstammte. In der selben Epoche war Kitzbühel ein Zentrum der Tiroler Spielkultur und des barocken Schauspiels. Insgesamt sind an die 70 Passionsspieljahre im ausgehenden Mittelalter und im Barock nachweisbar.

Verarmte Landgemeinde im 18. /19. Jahrhundert
Mit dem Niedergang des Bergbaues im 18. und 19. Jahrhundert und dem Erlahmen der barocken Bau- und Kulturtätigkeit rückte der regionale Handel wirtschaftlich in den Vordergrund, insgesamt aber setzte seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert eine Epoche des wirtschaftlichen Niedergangs ein. Probleme der traditionellen Landwirtschaft und der Niedergang des althergebrachten Handwerks führten zu einer veritablen Krise. Aus der ehemals blühenden Stadt wurde eine bescheidene Landgemeinde, in der Armut keine Ausnahmeerscheinung war.

Die Giselabahn brachte erste Sommerfrischler
Zu einem Aufschwung kam es  erst, als Reisende gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Schönheit der Landschaft entdeckten. Ein Meilenstein war die Anbindung an die Giselabahn (1875). Dem Weitblick und dem Einsatz des Bürgermeisters Josef Pirchl (1864 - 1872) ist es zu verdanken, dass seither die berühmte Bahnschlinge durch die Stadt führt. Damit war der Grundstein für die touristische Erschließung gelegt. Zwei Jahre später erfolgte die Gründung der Alpenvereins-Sektion, wodurch die Kitzbüheler Bergwelt einem größerem Publikum zugänglich gemacht wurde.  

Tourismus wurde zum Wirtschaftsfaktor
Erst durch das Aufkommen des Wintersports in den 1890-er Jahren gewann der Tourismus an Dynamik und wurde  für die Kitzbüheler zum bedeutenden Faktor. Mit dem Bau des Grand Hotels, 1903 eröffnet, begann der eigentliche Aufstieg als Tourismusort. Kitzbühel war vor und nach dem Ersten Weltkrieg ein „fashionabler“ Wintersportort und ein Tummelplatz für internationales Publikum. Nach dem Zweiten Weltkrieg knüpfte es an die erste Blüte des Tourismus erfolgreich an und gewann mit dem Wirtschaftswunder der 1950er-Jahre,  und den Erfolgen heimischer Skirennläufer enorm an Dynamik. 750 Jahre nach der Stadterhebung ist Kitzbühel eine der beliebtesten Urlaubsdestinationen in den Alpen, deren typischer Charme und außergewöhnliches Flair in erheblichem Maße geschätzt wird.

8.262 Bewohner mit Hauptwohnsitz (Stand 1. Dezember 2019) sowie 4.539 Personen (z. B. saisonale Kräfte) mit einem Nebenwohnsitz sowie 1.287 gewidmete Freizeitwohnsitze für Wohnobjekte, verzeichnet Kitzbühel heute; es steht für eine lange städtische Tradition und ein städtisches Bewusstsein, stets geprägt von Visionären und Pionieren, die die Entwicklung der Stadt vorangetrieben haben und gilt als Symbol für die erfolgreiche Zusammenführung von Tradition und Moderne.  Oder wie es Landesoberarchivar Eduard Widmoser im Kitzbüheler Anzeiger vom 18. Dezember 1971 ausdrückte: „Eine Tiroler Stadt, altehrwüdig und jung, geschichtsbeladen und zukunftsfroh.“ Alexandra Fusser 

Foto: Kitzbühel ist über die Jahrhunderte gewachsen, doch in ihrem Kern hat sich die Stadt kaum verändert. Blick von Katharinenkirche gegen Vorderstadt, Sommer 1924. Foto: Helff Lichbild/Sammlung Moser/Stadtarchiv Kitzbühel

 
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