Kitzbüheler Anzeiger

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Setfe 4 Kitzbüheler Anziger Samstag, 12. November 1955 it3bü)eIet „crbftenfen" 2D*1 6ar1 menfrengen vor den Erwachsenen sicher fühlten. Und fast schmerzlich wird mir bewußt, daß hier anscheinend der liebe Gott noch nicht zu Hause ist, sonst i\lrde die Ehrfurcht vor ihm den Uebermut der Jugend dämpfen. Während ich von Stück zu Stück wan- dere, das die Restaurierung geschaffen hat, grüble ich darüber nach, wieso es kommt, daß es wirklich ein schöner Gemeinschaftsraum geworden ist und keine Kirche mehr. Alle Einzelheiten sind gediegen und exakt ausgeführt, aber es umweht einen die Kälte der Technik, wo man den Odem des Herrn erwartet. Und idas wird es wohl sein, wia den puo s aischen Vergleich mit dem Kinosaal herausgefordert hat. Der schöne Car- ralarnarmor des Altares und die zwei Marmorstützen des Speisgitters zeigen die modernen Zeichnungen, den allzu schnittigen Engel uiikl das arme Lamm, mit den für Bauernaugen, die täglich die Anatomie eines Schafes nachkontrol- liereu können, unmöglichen Hundeohren. Es ist richtig, nur die Madonna mit ihrem unglaublich reinen, mädchenhaf- ten Gesicht und der keuschen Gestalt, die sich aus dem edlen Holz wie orga- nisch loslöst und schützend den Mantel weitet, ist der einzige Punkt in dem Raum, wo Andacht sich noch hinflüch- t:efl kann. Alle übrigen der neuen Aus- stattungsstücke sind mehr zum Bestau- nen da, wie etwa in einer großstädti- schen Auslage, aber nicht für den dörf- lichen Hausgebrauch. Man wundert sich, daß es so etwas auch gibt, aber man müßte es nicht haben, wie etwa die Emailbilder des Tabernakels und die fünf vergoldeten Messingstangen, die statt des Aussetzungsthrones sich um und hinter dem Tabernakel erheben. Sähe 11)0 n das in einer von einem mächtigen Industriekonzern für seine Arbeiter nebst den modernen Werkwohnungen erbauten Kirche, man nähme es hin als einen Teil des guten Willens, auch dem lieben Gott seinen Obulus zu entrichten. Aber hier, so mitten in den ewigen Ber- gen und so nahe dem Himmel, von des- sen Güte und Zorn der Bergbauer so unmittelbar abhängig ist wie kaum ein anderer Mensch, hier wirkt befrerndeild und störend, was drunten in den Groß- städten nur modern und vielleicht sogar ansprechend sein kann in seiner küh- len, die Materie beherrschenden Form. Robert K u r z, Professor an der Höheren Abteilung für Hochbau der Bundesgewerbeschule in Salzburg. Iurnctj - Konzert und JagerbalLAm Sonntag, 13. November 1955 findet beim II a 11 e r w i r t in Aurach ein Konzert der „fidelen Inntaler" unter der Lei- tung des bekannten Kapellmeisters Gott- lieb W 'e i ß b a c h e r statt. Konzert von halb 2 bis halb 5 Uhr; abends Jager- ball. Die Bevölkerung wird zum Besu- che freundlich eingeladen. Am vergangenen Samstag fand eine außerordentliche Vollversammlung des Kitzbüheler Ski Club statt, eines Clubs, welcher die meisten Weltmeister und Weitmeisteranwärter aller bestehenden Skiklubs der Welt stellt, in einer Ange- legenheit größten Kitzbüheler Allgemein- interesses, nämlich des kommenden In- ternationalen Hahnenkammrennens, der Vorschau der Olympiade in Cortina. Außer dem Ausschuß sah man die Elite der Kitzbuheler Wettläufer, Ver- treter der Stadtgemeinde, der Skischule, fast vollzählig die alte Veteranengarde des Ski Clubs. sonst nur ganz wenige Gewerbetreibende, darunter ein Rote- her, welcher selbst Ausschußmitglied war, und ein Gastwirt! - Insgesamt etwa 30 Personen. Gesprächsweise wur- de die Katze aus dem Sack gelassen: „Ja, schließlich muß sich jeder selbst seine Gäste werben". Zweifelsohne, nie- mand wird einem Kitzbüheler Gewerbe- treibenden, sei er nun Gastwirt, Han- delsmann oder Inhaber eines Erzeu- gungsgewerbes, die Sorge um seinen Absa tz, um die Werbung seiner Gäste, abnehmen. Es st schließlich eines der Hauptmerkmale einer freien Marktwirt- schaft, der freie Wettbewerb, die frei- zügige Werbung. Oder will der Hote- lier etwa seine Gäste von öffentlichen Institutionen nach dem Parteiproporz und zu vorgeschriebenen Höchstpreisen zugewiesen erhalten? - Sicherlich nicht. Aber es ist für den Gewerbetreibeinden, für den Hotelier zumal, ein himmelweiter Unterschied, ob von Gemeinde und Ver- kehrsverein, von Skiklub, und sonstigen Sportvereinen und Körperschaften der Boden seiner Eigenwerbung seit Jahr- zehnten bebaut wurde oder nicht. Es stelle sich jeder Hotelier oder Gewerbe- treibende nur einmal vor, sein Betrieb stünde in St. Ulrich am Pillersee' oder in Jochberg oder in Waidring. Es soll damit nichts gegen a1le diese reizenden Tiroler Orte gesagt sein, aber an diesen Orten würde alle Werbung d es: einzel- neu und alle Mühe um den Betrieb kein a nderes Ergebnis zeitigen, als etwa das Haus mit Hummel- oder Touiopareisen- den Zu 50 - S Inklusivpreisen füllen zu können. Nur die einmalige Fremdenver- kehrs- und Spertorganisation Kitzbühels mit seinen vielen Seilbahnen, Skilifts, Skiisten, Sportanlagen, seinem Piome- nadewegenetz, seinen Badeanstalten, sei- nen staubfreien Straßen, seiner nunmehr endlich komlett werdenden hygieni- schen Kanalisation usw. bildete den Bo- den für die W erbung des Einzelnen, maßgeblich unterstützt durch die zug- kräftige Werbung des Verkehrsvereines, der Praxmairgruppe und nicht zuletzt durch die fabelhaften Erfolge unserer Wettläufer in aller Welt. Was hat die Allgemeinheit in Kitz- bühel zu all diesen Einrichtungen nun beigetragen? Ich feiere im kommenden Jahre mein dreißigjähriges Arbeitsjubi- läum im Kitzbüheler Fremdenverkehr und kann daher einiges darüber aus- sagen. Seit der Erbauung der Hahnen- kamnrnbahn im Jahre 1928, welche zwar auf Grund der Initiative des damaligen Bürgermeisters Herold. im übrigen je. doch infolge einer Solidarhoftung ein- zelner Kitzbüheler Gewerbetreibender erstand, gab es keine grundlegende Ge- meinschaftstat der Kitzbüheler mehr. Alles, was an beispielgebenden Einrich- tungen und Anlagen seither entstanden ist, entsprang der Initiative weitschau- ender Bürgermeister, Verkehrsvereins- funktionäre oder Sportvereine. Vielfach waren es reinei Idealisten, welche den Anstoß zu großen Vorhaben gaben, wel- che weder öffentliche Anerkennung, noch klingenden Lohn in irgendwcicher Form davon erwarten mochten, ja man kann ruhig sagen, daß der karge Idealismus, welcher bei uns noch die Triebfeder für den weiteren Aufschwung J(itzbü- hels im allgemeinen bildet) f ast zu 100 Prozent von Personen personifiziert wird, welche keine oder nur sehr gerin- ge Vorteile aus diesem Aufschwunge ziehen. Im Denken der Allgemeinheit gilt es schon als eine Selbstverständlichkeit, die jedem Kitzbüheler zukommt, daß jede Saison besser werde, als die vergangene und wehe Verkehrsverein, wenn dem nicht so wäre. Wenn die Saison dann aber befriedigend verlief, ja, „dann hat jeder eben selber für seine gate Beset- zung gesorgt gehabt, vom Verkehrsver- ein jedenfalls hat er keine Gäste be- kommen !" - Ich kann mich aber sehr gut an die Zeiten nach 1925 zurückerin- nern, da Kitzbühel zwar eine recht gut gehende Sommerfrische mit der iaupt- zahl der Gäste aus den Nachfolgestaa- ten der ehemaligen österreichischen Mo- narchie und aus dem deutschen Reiche war, in denen jedoch mit Sorgen jeder Wintersaison entgegengeblickt wurde, wenn im November die Anfragen noch recht spärlich flossen. Zwei Umstände haben einen Umschwung hervorge- bracht: ervorge- bracht: der Besuch des damaligen Prin- zen von Wales im Jahre 1935 vor dem Krieg und die Errichtung und Werbung um den „Kitzbüheler Skizirkus" nach dem Kriege. An keinem dieser Umstände hatte die Kitzbüheler Allgemeinheit tätigen An- teil, sie schöpfte nur die geschäftlichen Erfolge jedes einzelnen daraus. Es SOj dankenswerterweise erwähnt, daß so - wohl o- wohl Hotellerie, als auch Handel und Gewerbe ihre eigenen Betriebe in vor- ausschauender or- ausschauender Weise den gehobenen Ansprüchen des Publikums schrittweise angepaßt hat, aber endlich geschah dies ja zum eigenen Vorteil, wenn es auch zum Vorteil des gesamten Ortes gereichte.
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