Kitzbüheler Anzeiger

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Samstag, 4. Dezember 1954 Kitzbüheler Anzeiger Seite 3 Rücfanttort auf feiner. offenen rie an S>errn Zeni rnmair! Sehr geehrter Herr Praxmair! Etwas Ähnliches wie Ihren Offenen Brief habe ich schon länger erwartet und freue mich nun, daß dies gesche- hen ist. Wenn ich für mich peisöu1ich und in etwas auch gewiß als Sprecher für eine Gruppe von Gieichdenkenden mir die Freiheit nehme, nach dem Grundsatz: ‚:Wer da bauet an der Stra- ßen, muß die Leute reden lassen", meine Kritik am Baugesicht Kitzbühels auszusprechen, so billige ich selbstver- ständlich auch Bauherren und Bauäm- tern das Recht zu, ihre Anschauungen zu äußern, ihre Schwierigkeiten zu schildern und ihre Entscheidungen zu begründen. Ich habe bereits im ersten meiner Aufsätze auf die Art hingewie- sen, wie Ortsbegehungen in Bayern ab- gehalten werden und bemerkt: „Das geht nicht ohne Kritik, es werden die Häuser . . . (NB. aber nicht deren Besitzer, füge ich heute hinzu) . . . be- schrieben, wobei zwar die alten und neuen B au s ü n d e n, aber nicht die Namen der schuldigen Baugeschäfte, ge- nannt werden." ich freue mich weiters, daß wir uns in vielen Anschauungen treffen. Sie ge- ben sogar zu. (laß meine Kritik ‚‚auch viel Wahres beinhalte". Was noch mehi ist. Sie schreiben, daß „die jetzige Fas- sade des Hauses Praxniaiv ihnen selbst nicht gefällt". Wenn Sie schoit meine Kritik an Ihrem eigenen Besitz berech- tigt halten, so werden Sie aus objekti- ven Gründen und subjektivem IJnbe teiligtsein in einem sehr hohen Prozent- satz zumindest meine Kritik an andern Häusern erst recht billigen. Nun vertreten Sie die Meinung, daß meine „Kritik an die falsche Adresse gerichtet sei. Die Anschrift gebühre den .‚höchsten Stellen des Bauamtes und den Denkmalsehutzkund igel und nicht den Geschäftsinhabern des Mittelstan- des". Wie Sie in den eben genannten Fällen meiner Ansicht zugestimmt ha- ben, so kann ich jetzt es Ihnen gegen- über tun, nur vielleicht mit. der Be- merkung, daß dies nicht erst jetzt mei- ne Ansicht wurde, sondern es schon stets während des Schreibens des gan- zen Aufsatzes war. Ich habe auch die Kritik gar nicht zunächst an die Ge- schäftsinhaber gerichtet. Freilich, ir- gendwie muß man doch ein Haus mit Namen nennen. Oder konnte man bloß die Hausnummer hinsetzen? Nun ist allerdings das Haus keine fühlende Per- son. wohl aber dessen Besitzer, der sich mit seinem Haus identifiziert und kauf- schreit, wenn ersteres getreten wird. Manchmal freilich habe ich schon auch um aus meinem Herzen keine Mör- dergrube zu machen - im stillen die Hausbesitzer gemeint. Denn, daß „die Baumeister", ich wiederhole ein Wort meines Aufsatzes, „oftmals zu Glaser- meistern" wurden, geschah sicherlich in vielen Fällen aus dem Verlangen der Bauherren, möglichst große Auslagen zu bekommen. Die Adresse, an die meine Kritik in erster Linie sieh richtete, war zumin- dest dem Wissenden deutlich genug ge- schrieben. Mit Bezug auf die Bausünden der weiter zurückliegenden Zeit stand schon in der 2. Fortsetzung: „Die da- maligen Stadtviiter ha. heu leider in ihrer Zeit zu modern-fortschrittlich, und doch unklug gehandelt und das Alte nicht geschätzt." - Könnte man das nicht auch für die Gegenwart anwenden" Ei- ne noch klarere Mahnung ist in der 3. Fortsetzung mit Rücksicht: auf einen in absehbarer Zeit zu erwartenden Um- bau des Postgebäudes ausgesprochen mit dem Worte : „Die zuständigen Stel- len mögen dozuschauen !" - Wenn beim Gasthaus Sonne schließlich ge- fragt wurde: „Diese Fassade gehört doch wohl unter Denkmalschutz?", so war dieser Gedanke doch auch weiter zu spinnen und damit viel mehr als nur ein einzelnes klaus gemeiit.. Direkt aber sind die zuständigen Äm- ter angerufen worden, wenn e mit Rücksicht auf die aus den Tiefen der Rückseite aus dem Gries emporschie- fiende ii Neubauten heißt: .‚Wie das Stadthauam L so etwas gestatten konnte, kt unerfindlich. Ist hier nicht auch das Landesdenknialamt zuständig ?' Zusam- menfassend aber habe ich geschrieben: „Es ist bindende Pflicht und eh- rende Aufgabe aller beteilig- ten Behörden und Ämter. derlei zu chützen.' Daß dies an zustiincli- ger Steile auch verstanden wurde, zigt (lje mir zugekommene Äußerung eines maßgebenden Herrn der Verwaltung, der sagte: ‚‚Die Kritik ist. .ina'ndhmal: ein Dienst, manchmal freilich auch ein Duck!" Sie dürfte also, weil beides,. ziemlich richtig sein. Ich bin, Gott sei Dank, nicht Bauherr in Kitzbühel, auch an keinem Baugeschäft beteiligt, eben- sowenig dem Bauamt verpflichtet und schließlich nicht beamteter Denkmal- pfleger, sondern nur - ein Heimnt- kundler. Ich bilde mir allerdings ein - ob mit Recht oder Unrecht, mögen die Leser meiner Artikelentscheiden in derlei Fragen auch ein wenig zu ver- stehen; zumindest habe ich diesen, Din- gen lange Jahre gewidmet. Auch ist mir aus anderweitigen Erfahrungen be- kannt, wie streng und opferheischend etwa in Bayern der Denkmalschutz an- gewendet wird. Wir' finden uns wiederum in der ge- meinsamen Ansicht, daß „70 Prozent aller . . Neubauten bzw. Renovierun- gen, die in meiner Kritik zerrissennwur den, in den Jahren 1.920 bis 1938 aus- geführt wurden". Leider, muß ich da- zu sagen, also von Baumeistern und Architekten, die: auf den Hoch- und Fachschulen schon Vorträge hörten über heimatliches Bauen, über Denkm alpf le- ge usw. Diese nachteilige Entwicklung ist noch nicht unterbunden, sondern droht beinahe auch den letzten Rest des alten. Baugesichtes Kitzbühels zu zerstören. Ist solcher Entwicklung ge. genüber eine Kritik zu scharf? Es steht jedem frei, meine Beurteilung in jedem Einzelfall anzufechten! „Es wäre immerhin möglich, daß in 2() Jahren wiederum jemand das Bau- gesicht Kitzbühels untersucht und zu demselben (im Verhältnis zu meinem jetzigen dann widersprechenden) „Ur- teil kommen würde" - sagen Sie. Das ist beinahe der einzige Satz, dciii ich nicht beipflichten möchte und zwar nicht aus Überschätzung meiner selbst., sondern aus folgendem Grunde: Der Standpunkt der für die Bauentwicklung Kitzbühels maßgebenden Männer der vergangenen Zeiten und im Gegensatz dazu der meine und den auch in 20 odei. mehr Jahren für die Heimat wirklich Begeisterten ist nämlich ein total ver- schiedener. W jr messen dci heimischen Bauweise einen Wert bei, schien in der seit Jahrhunderten gewordenen archi- tektonischen Schönheit des Stadt-bildes etwas Charakteristisches und ein wert- vollesGut. Demgegenüber ergeben sieh die liii ihre verunglückten Bauten schon damals und heute wiederum Verant- wortlichen einer vorübergehenden -Aller- und großstädtischen Manie- rein. Das hat sich eben mi weltlichen wie im kirchlichen Kunstwesen in glei- cher Weise verheerend ausgewirkt : an die Stelle des St-eins setzte man den Beton, anstatt. Schmiedeeisen wählte man den Guß und blecherne Zieraten, für bescheidene Bauten auf dein Lande oder in unseren kleinen Städteim suchte man sieh aus gedruckten Vorlagen großstödtisd'lie, Idi' ganz andere Ver- hältnisse, gedachte Beispiele. In den Kirchen wurden anstatt der guten alten Freskomalerei Ölfarben an die Decken geschmiert und der Versuch gemacht. an neuen Statuen, weil die alte Vergolder- arbeit, die freilich auch Jahrhunderte aushielt, angeblich zu teuer ka.m, das gleiche mit Ölgold oder 'Mötallhronze zu erreichen. Wir haben seither, wieder gelernt, die alte W.erktechnik und Ar- beitsweise schon an sich zu schätzen und sind, glücklicherweise zum Ver- ständnis gelangt, daß die alten Baumei- ster zwar wenig Theorie, aher mehr Praxis verstanden und ein künstleri- sches Fingerspitzengefühl hatten. Aus diesel' gedanklichen Grundlage heraus wird auch das Urteil des Heimatkund- lers in kommenden Zeiten gleich dem heutigen sein. Daß Sie, geehrter Herr Praxmair, in Amerika Ihre für Kitzbühel so äußerst verdienstvolle Werbung schon seit 24 Jahren in den heimatlichen „Leder- hosen" leisten, habe ich gewußt. Meine Frage war daher nur, wie man sagt,
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