Kitzbüheler Anzeiger
11.03.2018
News  
 

Warum braucht es einen Frauentag?

Die Gleichstellung von Mann und Frau liegt noch in weiter Ferne, veranschaulicht Susanne Gröbner im Interview zum Weltfrauentag. Warum man das Frauenvolksbegehren unterstützen sollte und welche Bedeutung Feminismus heute hat.

1911 wurde der erste Frauentag in Österreich abgehalten. Warum brauchen wir diesen Tag über 100 Jahre später immer noch?
Der Weltfrauentag entstand ursprünglich als Initiative sozialistischer Organisationen in der Zeit um den Ersten Weltkrieg im Kampf um die Gleichberechtigung, das Wahlrecht für Frauen und die Emanzipation von Arbeiterinnen. Auch heute brauchen wir diesen Tag immer noch oder mehr denn je, um auf die Rolle der Frau (in Politik, Wirtschaft, Beruf, Familie, Religion, ...), auf Unterdrückung und Ausbeutung von Frauen (z.B. in Kriegsgebieten), und um auf sexuelle, physische und psychische Gewalt gegen Frauen aufmerksam zu machen.
Es ist wichtig, diesen Tag international zu begehen, um solidarisch aufzutreten und damit eine größere Öffentlichkeit auf Frauen-Anliegen aufmerksam zu machen!

Gerade läuft die Unterstützungsphase für das aktuelle Frauenvolksbegehren. Von
soviel Aufmerksamkeit, wie das Anti-Rauch-Volksbegehren in den Medien und in der Politik erhält, können die Initiatoren aber nur träumen.  
Ja, und das ist sehr schade. Die laufende Berichterstattung in den Medien zum Frauenvolksbegehren ist leider mäßig. Noch dazu wird es aktuell vom Anti-Rauch-Volksbegehren überlagert, das auch aus politischen Gründen extrem gepusht wird. Von wem sollte denn das Frauenvolksbegehren politisch tatsächlich unterstützt werden? Es gibt keine Lobby, die hier unterstützend tätig ist. Wer setzt sich denn ein für die Frauen? Und damit sind wir schon wieder beim Thema...

„Es passt ja eh alles“ – hört man oft. Warum soll man das Frauenvolksbegehren unterstützen?
Es ist für mich erschreckend, wie wenig Frauen – auch im Bezirk Kitzbühel – sich für das Frauenvolksbegehren interessieren bzw. überhaupt davon und von den Inhalten wissen. Wenn man sich damit einmal inhaltlich auseinandersetzt, wird schnell klar, warum jede Frau auch für zukünftige Generationen das Volksbegehren unterstützen sollte.

Die Aussage „Es passt ja eh alles“ teile ich ganz und gar nicht: Vor ca. 20 Jahren haben sich knapp 650.000(!) Menschen mit ihrer Unterschrift für die Gleichstellung von Frauen in Österreich stark gemacht. Nur: Passiert ist seither wenig bis gar nichts.

Zur Gleichstellung von Frauen und Männern gibt es ernüchternde Zahlen: Laut dem aktuellen „Gender Gap Report“ des Weltwirtschaftsforums (Oktober 2016) wird es noch unglaubliche 170 Jahre lang dauern, bis Frauen und Männer die gleichen wirtschaftlichen Chancen haben. Im internationalen Vergleich rutschte Österreich beim Thema Gleichstellung auf Platz 52 von insgesamt 136 Ländern ab (2015 Rang 37, 2013 Rang 19). Vergleichsweise rangiert z.B. Ruanda auf Platz fünf, Slowenien auf der achten Position, Namibia an 14. Stelle und Kasachstan auf Platz 51 – alle vor Österreich.

Einer der Hauptgründe für die große Lücke in der Gleichstellung von Frauen und Männern besteht darin, dass Frauen weltweit nur ca. halb so viel verdienen wie Männer, obwohl sie länger arbeiten, unbezahlte Haus- und Pflegearbeit eingerechnet. Im internationalen Vergleich liegen die Österreicherinnen hier nur auf Platz 100(!) von 136 Ländern.
Auch Gewalt gegen Mädchen und Frauen wird in unserer Gesellschaft nach wie vor nicht allgemein als soziales Problem gesehen. Es findet immer noch keine adäquate gesellschaftliche und politische Auseinandersetzung mit dem Thema statt – und das, obwohl jede fünfte Frau in Österreich von psychischer, körperlicher und/oder sexueller Gewalt betroffen ist.

Vor 100 Jahren wurde das Frauenwahlrecht verabschiedet – von Feministinnen erkämpft, wie vieles andere auch. Wie sehen Sie den Begriff Feminismus heute?
Viele Frauen haben sehr wenig Bewusstsein, was Feminismus bedeutet. Leider ist der Begriff Feminismus immer noch sehr negativ behaftet. Viele assoziieren damit „Emanzen“ oder „männerfeindlich“ und damit wird es schnell abwertend. Feminismus bedeutet aber nichts Anderes als Gleichberechtigung, Menschenwürde und die Selbstbestimmung von Frauen, ein Aufbrechen von traditionellen Rollen und Rollenbildern, um eine Gesellschaftsstruktur zu schaffen, in der Frauen und Männer einander ebenbürtig sind.
Johanna Dohnal, die erste Frauenministerin Österreichs, beschrieb dies sehr treffend: „Die Vision des Feminismus ist nicht eine weibliche Zukunft. Es ist eine menschliche Zukunft. Ohne Rollenzwänge und Machtverhältnisse.“

Welchen Stellenwert sollen Frauen in Zukunft in unserer Gesellschaft einnehmen?
Den Stellenwert, der eigentlich selbstverständlich sein sollte: ein gleichberechtigter neben den Männern, auf gleicher Augenhöhe! Frauen sind gleich viel wert! Frauen leisten so viel für unsere Gesellschaft, was immer noch nicht entsprechend honoriert wird. Das muss endlich anerkannt werden auf allen Ebenen.

ZUR PERSON - Susanne Gröbner
Die gebürtige Innsbruckerin Susanne Gröbner lebt seit über 20 Jahren in St. Johann. Sie ist verheiratet und Mutter von drei Kindern. Als Unternehmerin ist sie bemüht, vor allem Müttern den Wiedereinstieg ins Berufsleben zu ermöglichen. Seit Jahren engagiert sie sich für Gleichstellung und Frauenrechte. Seit 2015 leitet sie als Obfrau ehrenamtlich das Mädchen- und Frauenberatungszentrum in St. Johann. Johanna Monitzer

Foto: Groger Photography

 
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