Kitzbüheler Anzeiger
12.04.2022
News  
 

Volle Notwohnungen, leere Kasse

Die Situation im Mädchen- und Frauenberatungszentrum ist unverändert. Die Zahl der Beratungen steigen und  die Notwohnungen sind voll belegt – was fehlt ist die Unterstützung der öffentlichen Hand.

St. Johann | Corona beherrschte  im vergangenen Jahr die Beratungen im Mädchen- und Frauenberatungszentrum Bezirk Kitzbühel. Die kostenlose Anlaufstelle für Frauen und Mädchen, die 2010 auf Initiative des heimischen Serviceclubs Soroptimist installiert wurde, hat immer mehr Aufgaben zu bewältigen.
Die Kontakte stiegen im vergangen Jahr von 1.786 auf 2.845 (!).  „Während des Lockdowns waren die Frauen unter Beobachtung, jetzt trauen sich die Frauen wieder Hilfe zu suchen“, schildert die ehrenamtliche Obfrau Renate Magerle.

Die Klientinnen werden immer älter
Vor allem die psychische Gewalt nimmt zu. „Was auffällig ist, dass die Klientinnen immer älter werden. Nach Jahrzehnten wollen sie ihr Leben zum Besseren verändern“, erzählt Magerle. Eine Klientin ist 80 Jahre alt.

Das Mädchen- und Frauenberatungszentrum bietet Hilfe und Unterstützung bei sozialen, psychischen, rechtlichen und ökonomischen Problemen. Zudem unterhält der Verein Notwohnungen, in denen acht Frauen, die sonst nirgendwo hin können, samt Kindern vorübergehend Platz finden. Im vergangenen Jahr nächtigten dort 17 Frauen und neun Kinder. „Diese Frauen würden sonst auf der Straße stehen“, schildert Magerle und erzählt von einem nicht unüblichen Fall, wo die Polizei das Beratungszentrum mitten in der Nacht kontaktiert. „Der gewalttätige Mann wurde weggewiesen. Die Frau hatte aber zu große Angst, alleine zuhause zu bleiben und wusste nicht wohin. Oft missachten Männer ja die Wegweisung und es kommt zu weiterer Gewalt.“ Wenn das Beratungszentrum nicht ein Bett für die Frau frei gehabt hätte, die Polizei hätte nicht gewusst, wohin sie sie hätte schicken sollen. „Wir haben dann alle Hebel in Bewegung gesetzt und geholfen“, so Magerle.

Gemeinden sind mit Subventionen „sparsam“
Die Obfrau hat viele Geschichten zu erzählen, bei denen es einem kalt über den Rücken läuft. Wertschätzung für die Arbeit, die das Beratungszentrum leistet, gibt es nicht überall. Die Bitte um Subventionen, welche im September an alle Gemeinden im Bezirk schriftlich verschickt wurden, landeten teilweise im Papierkorb. So unterstützten die Gemeinden Itter, Brixen, Kössen, Reith und Schwendt 2021 das Mädchen- und Frauenberatungszentrum mit keinem finanziellen Beitrag. „Das ist für uns unverständlich. Ich komme gerne in die Gemeinden und erkläre nochmal was wir alles machen. Wir nehmen den Gemeinden Arbeit ab. Wenn jede Gemeinde pro Einwohner einen Euro bezahlen würde, dann wären wir ausfinanziert“, so Magerle. Von einem Euro ist man vielerorts weit entfernt. Die Stadtgemeinde Kitzbühel zahlte beispielsweise 1.000 Euro für 2022 anstatt der angesuchten 3.000.

St. Johann als großer Unterstützer
In der Standortgemeinde St. Johann schätzt man die Einrichtung. Neben sonstiger Unterstützungen wurden für 2022 10.000 Euro an Förderung zugesagt. Auch die Gemeinde Kirchdorf subventioniert das Beratungszentrum 2022 mit 2.000 Euro. „Ich möchte mich bei allen Gemeinden, die uns unterstützen, im Namen der Frauen herzlich bedanken“, betont Magerle.

Land und Bund sind säumig
Bedanken würde sich die Obfrau auch gerne beim Land Tirol oder beim Bund. Es wird zwar immer (besonders wenn wieder eine Frau ermordet wird), angekündigt das Beratungs- und Hilfsangebot auszubauen – Geld kommt in St. Johann jedoch wenig an. „Vom Land Tirol bekommen wir 17.000 Euro pro Jahr – hier steht ein Teil sogar noch aus“, schildert Magerle.

Ohne private Spender gäbe es Einrichtung nicht
Ohne private Spender, die den Großteil der Einrichtung finanzieren, gäbe es das Mädchen- und Frauenberatungszentrum Bezirk Kitzbühel nicht. „Es ist nicht attraktiv, Frauen zu helfen. Gewalt ist nach wie vor ein Tabuthema - die Frauen sind ja selber schuld, heißt es oft“, so Magerle.
Informationen zum Mädchen- und Frauenberatungszentrum Bezirk Kitzbühel unter www.frauenberatung-stjohann.at Johanna Monitzer

Bild: Das Mädchen- und Frauenberatungszentrum, situiert am Schwimmbadweg 9 in St. Johann, kämpft noch immer um öffentliche Gelder. Ohne private Sponsoren gäbe es die Einrichtung nicht. Foto: Monitzer

Außerdem - Mädchen stark machen
Das Mädchen- und Frauenberatungszentrum setzt nun auch wieder einen Fokus auf Prävention. Ende April ist ein Mädchen-Workshop geplant. „Wir müssen etwas tun, damit Mädchen und Frauen erst gar nicht in Gewalt-Situationen kommen“, veranschaulicht Obfrau Renate Magerle.
Der Workshop wird in Zusammenarbeit mit dem  Jugendzentrum St. Johann stattfinden. Nähere Informationen folgen.

 
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