Kitzbüheler Anzeiger
21.02.2018
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Toni Werner, das ungewöhnliche Leben

Der Kitzbüheler Kaufmann, Zeitungsmann und Multiaktivist Toni Werner  ist kürzlich im 93. Lebensjahr verstorben.

Kitzbühel  | „Ich habe in meinem Leben sehr oft Glück gehabt, habe den Krieg überlebt und bei meinen riskanten ­Hobbys viele Abenteuer erleben dürfen.“ Das sagte Toni Werner vor vier Jahren  im Rückblick auf sein Leben. Die beiden letzten Jahre waren durch Altersbeschwerden stark beeinträchtigt, aber so weit als möglich blieb er aktiv. 1979 hatte er mit der Frau Christa, geb. Krismer, im Bichlach ein wunderschönes Zuhause geschaffen, wo sie sich sehr wohlfühlten. Sie bereisten aber die „halbe Welt“, wovon unzählige Dias und Fotos zeugen. Den ersten Urlaub buchte er im Alter von 50 Jahren.

Toni Werner war stolzer Vater von zwei Söhnen und zwei Töchtern, deren selbstständigen beruflichen Weg er mit Freude verfolgte. Am Ende der glücklichen gemeinsamen Zeit war die Gattin Christa eine einfühlende Kameradin, bestens unterstützt von ihrer Schwester Hilda. Nun ist Toni Werner kurz vor dem Erreichen des 94. Lebensjahres nach langer Krankheit gestorben.

Seine letzte berufliche Aufgabe als Geschäftsführer beim „Kitzbüheler Anzeiger“ hatte er auf Wunsch des Aufsichtsrats bis ins 75. Lebensjahr verlängert. Toni Werner war zeitlebens technikbegeistert,  er konzipierte und baute zuletzt noch einen Gasgriller. Der Prototyp war schon beim Jahrmarktstand der Edelweißgilde  im Einsatz gewesen.

Eine Fülle von Aufgaben und Erfolgen

Auffallend bei Toni Werner ist die Vielseitigkeit als Unternehmer, Mitglied und Organisator der Bergrettung und der Pistenrettung, Bergsteiger und Obmann der Bergsteigervereinigung Edelweißgilde, Segelflieger und durch 17 Jahre Obmann der Segelfliegergruppe St. Johann i. T., Fotograf im Kameraklub unter der legendären Herta Walch, als ausdauernder und erfolgreicher Wildfotograf, als Leica-Spezialist (er hatte eine fast komplette Sammlung der Serien mit Schraubgewinde) und als Jäger gemeinsam mit Vater und Bruder. Er baute am Falkenstein in Aschau eine Jagdhütte,  die er fast 35 Jahren nützen konnte, ehe sie an die Bundesforste fiel.

Eisenwarenhändler und Soldat

Obwohl einer der Erben des Firmenbesitzers, musste sich Toni Werner  die Anerkennung im väterlichen Unternehmen hart  erkämpfen. Die Hauptschule führte ihn in  das Internat der Schulbrüder in Feldkirch. An dem Julitag 1938, an dem er die Lehre als Eisenhändler begann, wurde der Vater, früher Nationalrat, Amtsverwalter der Stadt und prominenter Nazigegner,  wieder verhaftet. Er erhielt unbefristetes Gauverbot und pachtete eine einschlägige Firma in München. Dadurch hatte der Lehrling Toni zwei Ausbildungsplätze, in den Wintermonaten vorwiegend in Kitzbühel. Mit 15 Jahren konnte er die ausdrücklich als vormilitärisch bezeichnete Ausbildung zum Segelflieger beginnen. Dem Segelfliegen ist Toni Werner ein Leben lang treu geblieben.

Mit 18 Jahren begann mit der Einberufung eine lange Unterbrechung der Berufsarbeit, die dreieinhalb Jahre Arbeitsdienst, Krieg und Gefangenschaft brachte. Ende November 1945 kehrte Toni Werner, krank und gealtert,  aus Frankreich heim. Dort nahm er die Arbeit im Betrieb wieder auf.

Entschädigungsmaßnahmen ermöglichten der Fa. Werner den wirtschaftlichen Aufstieg, der freilich durch den Mangel an Waren aller Art lange eingeschränkt wurde. 1949 wurde  Toni Werner neben dem Vater Geschäftsführer der Fa. Eisenwerner. In der zwei Jahre vorher ausgegliederten Fa. Kohlenwerner OHG. war der ältere Bruder Max Mitgeschäftsführer.

Die totale Niederlage und der wirtschaftliche Zusammenbruch hatten 1945 zu  einem gemeinsamen Überlebenskampf geführt, der für eine Fortsetzung des früheren Lagerdenkens keinen Platz hatte. Die nun gelebte Vergangenheitsbewältigung schloss die Verfolgung schwerer Verbrechen und eifriger Mitläufer nicht aus, ebnete aber den Weg für eine neue gemeinsame Aufbauzeit. In den Vereinen ergab sich nun ein Miteinander, welches die Geschehnisse der Vergangenheit nicht vergessen machte, aber verbindende gemeinsame Ziele in Gesellschaft und Sport aufzeigte. Davon profitierte ganz besonders die unbelastete Jugend.

Als Toni Werner 1949 die Führung der Edelweißgilde übernahm, wurde festgelegt, dass Parteipolitik dort keinen Platz hat. Zuletzt war er Ehrenvorsitzender.

Direktor einer Gasfirma  

Eine eigene Sparte fand Toni Werner als technischer und kaufmännischer Leiter der Abteilung Flügas. Das Gasgeschäft wurde aus einfachsten Verhältnissen aufgebaut, aber bald lieferte Werner Kleinflaschen auch nach Oberösterreich und in die Steiermark. Ein Vertriebspartner fiel überraschend aus, das erforderte rascheste Maßnahmen. Innerhalb einer Woche war in Oberösterreich ein zentral gelegener Lagerplatz mit Gleisanschluss gefunden und die Versorgung durch die Flügas KG Werner & Co. in Stadl Paura konnte sichergestellt werden.

Im Jahr 1959 wurde mit dem Sitz in Kitzbühel die PAM Flügas Ges.m.b.H. gegründet, an der sich eine steirische Firma und die Steinkohlen Handelsvereinigung Utrecht beteiligten. Deren Direktor war bis 1968 Toni Werner. Drei Flüssiggasabfüllwerke von Oberösterreich über Tirol nach Vorarlberg wurden geplant und verwirklicht. Damals war die erste und einzige Firmenwerbung neben der Piste beim Hahnenkammrennen für die PAM, weil sie mit ihren Gasstrahlern die einfachen Reporterkabinen erwärmte.

Brandkatastrophe in der Vorderstadt

Ein schwerer Schlag für die Besitzerfamilie war die als „Stadtbrand“ in die Geschichte eingegangene Feuersbrunst in der Nacht zum 3. April 1959. Insgesamt 15 Feuerwehren waren mit 24 Wasserrohren im Einsatz, um ein Übergreifen des Feuers von den  Häusern Werner (Seidlwirt),  Straßhofer und  Messner auf  weitere Gebäude zu verhindern. Dank des überlegten Einsatzes und der Windstille gelang dies tatsächlich.

Es gab nicht nur einen großartigen Einsatz der  Feuerwehrmänner und eine ungewöhnliche Hilfsbereitschaft, sondern auch logistische Meisterleistungen: Am zweiten Tag nach dem Brand konnte Werner im  sofort zur Verfügung gestellten Tiefenbrunnersaal in vollem Umfang den Verkauf aufnehmen, die Buchhaltung fand im Englhaus der Handelskammer eine vorübergehende Unterkunft. Der Schaden von 4 Millionen Schilling war nur zu einem geringen Teil durch Versicherungen gedeckt. Beim Neubau ab dem zweiten Stock wurde eine Höherzonung durchgesetzt.

Auf Wunsch des Vaters konzentrierte Toni Werner ab 1968 seine Kraft auf die Fa. Eisenwerner, deren Leitung er auch nach dem  Eintritt von drei weiteren Erben behielt.

Zukunftssicherung für die Bezirkszeitung

Die Firmengruppe Werner, zu der auch das Babyhaus der Schwester Rikki Schuster gehörte, erwarb bei der Gründung im Jahr 1950  Geschäftsanteile am Kitzbüheler Anzeiger. Max Werner sen. war 20 Jahre Vorstand. Als Nachfolger des Vaters  wurde Toni Werner in die Geschäftsführung der Bezirkszeitung berufen, die er lange gemeinsam mit Karl Planer, später mit Hansjörg Schlechter, innehatte.  Er  zog einige für den Bestand der eigenständigen Zeitung zwingende Maßnahmen durch. Er förderte im Jahr 1990 den Plan einer heimatkundlichen Beilage Kitzbüheler Heimatblätter,  ursprünglich als Mittelbeilage mit jeweils vier Seiten, die seither mehrmals im Jahr erscheint.

Die Gesellschafter der Zeitung waren immer aus dem Bezirk, und Werner gelang es durch eine vorsichtige, die Zeichen der Zeit bekennende Geschäftsführung  auch im härtesten internationalen Wettbewerb die Eigenständigkeit zu erhalten. Für den Druck gab es verlockende Angebote, für die Gesellschaftsanteile viel Interesse in Deutschland. Die Lokalzeitung hatte genügend Reserven für die Bewältigung der Aufgaben. Es wurden mehrere Grundankäufe getätigt und Bauvorhaben abgewickelt, der Fotosatz ausgebaut und die Druckvorbereitung im eigenen Haus übernommen. Das erforderte den raschen Ausbau zu einem  mittleren Medienbetrieb. Das Land Tirol würdigte das mit der Verdienstmedaille.

Erbe der Heeressanitäts- Hochgebirgsschule

Toni Werner trat als kaum der Schule Entwachsener dem Alpenverein bei und wurde als Bergretter ausgebildet. Er blieb 45 Jahre aktiv und war an zahlreichen Einsätzen beteiligt. Nach dem Krieg wurden aus dem Bestand der Heeressanitäts-Hochgebirgsschule 30 Akjas, Lawinensonden und Feldtelefone geholt. Bis zu 60 km Telefonleitungen wurden für die Alarmierung der Bergretter ausgelegt, um die Überwachung der  Skipisten zu sichern. Werner war ab 1959 22 Jahre lang Ortsführer, im Winter waren bis zu 20 Mann angestellt. Die Einrichtung war von unschätzbarem Wert, ab  1970 wurde sie als „Pistenrettungsdienst“ auf eine neue Grundlage gestellt. Toni Werner erhielt für viele Bergrettungseinsätze die selten verliehene Auszeichnung „Grünes Kreuz“.

200 Jahre Familiengeschichte

Toni Werner reiht seine Familie unter die „Urkitzbüheler“ ein, auch wenn er auf seine preußischen Vorfahren stolz ist. Als Napoleon gegen Moskau zog, wanderte Anton Werner I. (1792 – 1856) im Jahr 1812 aus seiner Heimat Preußisch-Schlesien aus, er landete in Kitzbühel und machte als Bergmann  Karriere.  Das Stammhaus der Familie Werner in der Bichlstraße wurde über Generationen als „Preußenhaus“ bezeichnet, es ist  noch im Wernerschen Familienbesitz (Etz).

Anton Werner II. (1830 – 1902) eröffnete 1860 einen Schlossereibetrieb mit Handel, hatte durch Krankheit schwere Phasen durchzumachen, erwarb aber das Haus in der Hinterstadt 6 zurück. Sein  Sohn Anton III. (1864 – 1932)  konnte nach dem Kauf des „Seidlwirts“ (1906) das Geschäft in die Vorderstadt verlegen. Er war von 1913 bis 1919 Bürgermeister der Stadtgemeinde.

Im Jahr 1919 übernahm Max Josef Werner (1893 – 1972) das Geschäft,  der Vater führte die Eisen- und Kohlenhandlung  in der heutigen Franz-Reisch-Straße (Stamperl) weiter.

Ein Buch voller Erinnerungen

Toni Werner hat  Erinnerungen in Wort und Bild und die Familiengeschichte in einem 2008 erschienenen  Buch zusammengetragen und im Eigenverlag veröffentlicht. Mit professioneller Hilfe entstand  eine interessante Darstellung seines Lebenslaufes, seines Berufslebens und seiner zahlreichen sonstigen Tätigkeiten, wobei auch  sein Einsatz im  Zweiten Weltkriegs –  der gelernte Eisenwarenhändler arbeitete beim Reichsarbeitsdienst als Koch,  wurde für die Flak-Ersatzabteilung in Krems-Mautern ausgebildet, kam nach einer schweren Skiverletzung auf der Streif mit langem Lazarett- und Krankenhausaufenthalt im Koma trotz „Garnisonsverwendung Heimat“ zum Einsatz im Westen, und war nach dem Zusammenbruch in amerikanischer Gefangenschaft – ausführlich dargestellt wird, allerdings ergänzt um amüsante und amouröse Erlebnisse.

Als erfolgreicher Kaufmann, der weiß, wie man seine Ware bewerben muss, wählte er für die Biographie den Untertitel „Wie wird man Kitzbüheler?“  Er erzählt, wie sein Urahn Anton Werner I. vor über 200 Jahren zum Kitzbüheler wurde,  gibt aber auf  135 Seiten nicht einmal ansatzweise eine Antwort darauf,  wie man heute zum Kitzbüheler werden könnte.

Das Interesse am Buch zeigte, dass die Kalkulation aufgegangen ist – und das war Toni Werner aus einem langen Berufsleben gewohnt. H.W.

 
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