Kitzbüheler Anzeiger
17.01.2018
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Klimaforschung im Brixental

Klimawandel und regionale Auswirkungen: Am Beispiel des Brixen­tales zeigten Innsbrucker Wissenschaftler, wie sich Temperaturzunahme und Trockenheit gemeinsam mit verändertem Waldmanagement auf die Hydrologie eines Gebirgstales auswirken können. Fazit: Ein Aufrechterhalten von bewirtschafteten Almen könnte manche negativen Konsequenzen des Klimawandels abmildern.

Brixental | Was die Wasserversorgung betrifft, sind viele Bewohner des Alpenraums verwöhnt. Wasserknappheit ist in den meisten Regionen ein Fremdwort. Dass sich das künftig ändern könnte, liegt auch am Klimawandel, von dem der Alpenraum besonders betroffen ist:
Temperaturzunahme und häufigere Trockenphasen werden der Wasserverfügbarkeit zusetzen. Aber was bedeutet das konkret für ein Tal? Und kann man etwas dagegen tun? Im vom Klima- und Energiefonds geförderten, inter- und transdisziplinären Projekt STELLA suchten Markus Schermer vom Institut für Soziologie und Ulrich Strasser vom Institut für Geographie der Universität Innsbruck – mit ihren Teams – in den vergangenen drei Jahren nach Antworten auf diese Frage. Als Untersuchungsgebiet wählten die Wissenschaftler das stark bewaldete Brixental, genauer gesagt das Einzugsgebiet der Brixentaler Ache mit einer Fläche von 322 Quadratkilometern. „Unsere Forschungsfrage lautete, wie sich der Klimawandel und unterschiedliche Strategien zur Waldnutzung auf den Wasserhaushalt in Gebirgsräumen auswirken. Wir haben unsere unterschiedlichen Expertisen eingebracht und freuen uns sehr, dass es uns gelungen ist, sozialwissenschaftliche und naturwissenschaftliche Perspektiven in diesem Projekt zu verknüpfen“, sagen Schermer und Strasser. Eine weitere Besonderheit des Projektes ist die enge Kooperation mit der Bevölkerung vor Ort:
Experten, Stakeholder und Waldbewirtschafter wurden im Rahmen von Befragungen und Workshops aktiv in den Forschungsprozess miteinbezogen. „Ohne das Wissen und die Unterstützung der Menschen im Brixental wäre das Projekt nicht möglich gewesen, die Zusammenarbeit mit der Bevölkerung hat wichtige Inputs für die Entwicklung der hydrologischen Modelle geliefert“, betont Schermer.

Auf Klimawandel reagieren

Globale Klimaszenarien werden auf Basis bestimmter Annahmen errechnet, dabei können regionale Besonderheiten nur bedingt berücksichtigt werden: „Die Dynamik lokaler Prozesse etwa in der Landnutzung kann von den globalen Szenarien abweichen. Das hängt von einer Reihe von natürlichen und gesellschaftlichen Faktoren ab, wie zum Beispiel der Topographie oder auch wirtschaftlichen oder politischen Entscheidungen. In Gebirgsregionen wie Tirol, wo nur 13 Prozent der Landfläche für Siedlungen, Industrie, Verkehr und Infrastruktur genutzt werden können, sind Fragen der Landnutzung in jeder Hinsicht von sehr großer Bedeutung. Veränderungen dort haben Auswirkungen auf die Nutzung der Wälder und Almen“, erklärt Schermer.

Die Art der Veränderung der Landnutzung hat auch Einfluss auf die Entwicklung des Wasserhaushalts, ergänzt Strasser: „Hier geht es um Aspekte, wie Planung der Wasserversorgung, Betrieb von Wasserkraftanlagen, zukünftige Bewässerung oder Abschätzung des Hochwasserrisikos. Es gibt dabei Entscheidungen, die heute getroffen werden, die aber einen Einfluss darauf nehmen, wie sich die zu erwartenden Veränderungen des Klimas zukünftig regional und lokal auswirken werden. Wir sind dem Klimawandel durchaus nicht völlig ausgeliefert, sondern zeigen mit unserem Projekt konkrete Handlungsspielräume auf.“

Der Klimawandel wird das Brixental trockener und wärmer werden lassen, je nach Klimaszenario in schwächerer oder stärkerer Form – aber auf jeden Fall deutlich spürbar. „Um es greifbarer zu machen, haben wir die beiden verwendeten Klimaszenarien mit dem jetzigen Klima an anderen Orten verglichen: das gemäßigte Szenario würde für das Brixental ein Klima vergleichbar mit dem in Meran bedeuten, bei der extremeren Variante mit jenem in Bologna“, sagt Strasser.

Die möglichen Zukunftsentwicklungen wurden zu drei typischen Handlungssträngen verwoben. Dann koppelten die Wissenschaftler die „storylines“ mit einem gemäßigten (Meran) und einem extremen (Bologna) Klimaszenario.

Der Faktor Alm

Die Ergebnisse der Wissenschaftler zeigen: Bei den zu erwartenden Entwicklungen im Brixental – und zwar in beiden Klimaszenarien – ist bei einer weiteren Ausbreitung des Waldes mit noch größerer Trockenheit zu rechnen. „Mehr Waldfläche entsteht vor allem, wenn Almen aufgelassen werden: Dann wuchern die Gebiete zu und neuer Wald bildet sich. Wald nimmt aber noch mehr Wasser aus dem System auf – und verstärkt somit die direkten Effekte des Klimawandels zusätzlich“, sagt Strasser. Gerade für das Brixental ist das ein entscheidender Punkt, da hier bereits heute viele Almen oberhalb der Waldgrenze liegen, die sich in den nächsten Jahrzehnten aufgrund der Erwärmung ohnehin weiter nach oben schieben wird. „Kultivierte, frei gehaltene Almflächen könnten so künftig eine wichtige Wassererhaltungsfunktion haben. Wald kann die Menschen nach wie vor vor Hochwasser schützen, bei geringen Niederschlägen kann er allerdings auch zu verstärkter Trockenheit führen.“

Wie mit der Almbewirtschaftung umgegangen wird, ist eine gesellschaftspolitische Frage. Schermer und Strasser sehen für ihr in STELLA entwickeltes Konzept, mit dem sie in die Klimawandel-Zukunft eines Tales blicken, durchaus auch Anwendungsmöglichkeiten für andere Gebirgsregionen – die entsprechenden Adaptierungen vorausgesetzt. Foto: Pöll

 
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