Kitzbüheler Anzeiger

Westendorf

Ausgabe im Vollbild öffnen
Zurück Gemeindeübersicht
Juni 2020 5 Thema Weiterfahrt an die Westfront vorbereitet wurde. Unser Gepäck hatte man aber ab- geladen und zu einer weit entfernten Kaserne gebracht. Obwohl wir uns schleunigst dorthin auf den Weg mach- ten, fuhr „unser“ Zug wieder ohne uns beide ab. Einen Tag später konnten wir nachfolgen, aber die Fahrt nach Turin dauerte zwei Tage, da es wegen vie- ler Fliegeralarme zahlreiche Unterbrechungen gab. Tu- rin war aber noch nicht das Ziel, wir mussten nach Pinerolo, wo wir mitten in der Nacht ankamen. Aber wo war unsere Einheit? Auf unserer Suche kamen wir an ein großes Gebäude, das wie eine Kaserne aussah. Wir klopften an und staun- ten nicht schlecht, als uns einPateröffnete.Wirwaren in einem Kloster gelandet! Als wir weitersuchten, wurden wir von einem Wachmann nach einem Lo- sungswort gefragt, das wir wussten. So kamen wir end- lich bei unserer Einheit an, die in einem Pferdestall un- tergebracht war. Und so legte wir uns in ei- nen Winkel und erwarteten unser Todesurteil – wegen Entfernens von der Einheit. In der Früh mussten alle antreten und wurden auf- gerufen. Wir zwei mussten vortreten und wurden vom Hauptmann sofort ange- brüllt. „Ihr gehört erschos- sen!“, schrie er, aber wir wurden doch wieder zum Dienst eingeteilt. Ich war bei der 8. Batterie, 5. Artille- rieregiment, mein Kamerad kam in eine andere Abtei- lung. Erst fünf Jahre später haben wir uns wiedergesehen! Erledigt war mein Fernblei- ben vom Transport jedoch nicht. In Pinerolo musste ich mich in der Schreibstu- be melden. Ein Hauptmann musterte mich intensiv und befragte mich, warum ich mich vom Transport entfernt hatte. Dieser Offizier war aber freundlich gesinnt, irgend- wie wie ein Vaterersatz. Ich erfuhr, dass er aus Innsbruck stammte. Als er meine gan- ze Geschichte gehört hatte – vom Fliegeralarm in Wörgl bis zum Gepäck in V erona -, meinte er: „Wir lassen die Sache ruhen, aber ganz ohne Strafe kommst du nicht da- von!“ Und so musste ich je- den Tag um 3 Uhr früh mit dem Tragtier Verpflegung auf die Beobachtungsstelle auf dem Berg bringen, au- ßerdem die Post und Brenn- holz, denn es lag ja Schnee auf den Bergen, da es schon November war. Diese Strafe nahm ich gern auf mich. Bald kam ein Stellungs- wechsel, wir mussten in das Tendatal nördlich von Niz- za. Drei Nächte lang war unser Tross mit Pferden und Geschützen unterwegs. Bei Tag konnte man nicht ge- hen, zu groß war die Gefahr, dievonTieffliegernausging. Die Amerikaner waren ja offenbarbereitsinderNähe von Rom! Knapp vor Weihnachten mussten wir diese Stellung wegen Beschuss vom Meer aus aufgeben. Wir zogen uns in die Nähe der franzö- sischen Grenze zurück und waren ganz in der Nähe der (heute) bekannten fran- zösischen W intersportor- te. Über Weihnachten gab es dort sehr viel Schnee und es war äußerst kalt. Dafür war es ziemlich ruhig – mit Ausnahme einzelner Störfeuer. In der Silvesternacht machten zwei „Trottel“ zwei Abschüsse mit Geschützen. Prompt kam ein Feuerhagel zurück und eine Unterkunft wurde voll getroffen, was zwei Kameraden das Leben kostete. Ende Jänner wurde ich zum Divisionsstab abgestellt – für Nachkommende und als Begleitschutz für Offiziere bei Einsätzen gegen Banden in den Bergen des Aostatals. Bei diesen Einsätzen verlo- ren wir zwei Soldaten bei Lawinenabgängen. Sie wur- den in Turin beerdigt. Im April waren die Ameri- kaner schon sehr nahe, und so kam der Befehl: „Alles zurück!“ Mit dem, was wir am Leib hatten, und mit we- nigVerpflegung,dafüraber mit dem Gewehr, zogen wir uns nachts zurück in Rich- tung Mailand und Bergamo. Laufend gab es Fliegeran- griffe. Am 5. Mai 1945 verkün- dete unser Divisionskom- mandant die bedingungs- lose Kapitulation und wir wurden den Amerikanern ausgeliefert. In den Lagern überfielen uns immer wie- der italienische Banden, und es gab auch einmal etliche Tote. Am 10. Mai kamen dann riesige Sattelschlepper und Abtransport. Nach den wochenlangen Märschen, den Gefechten und unserem überstürzten Rückzug hatten wir die Nase voll von die- sem aussichtslosen Krieg! Fortsetzung in der nächsten Ausgabe! Aktueller Kartenausschnitt mit Pinerolo (unten links) Luftangriff über Italien
< Page 4 | Page 6 >
 
Kontakt
Tel.: +43 (0) 5356 6976
Fax: +43 (0) 5356 6976 22
E-Mail: info@kitzanzeiger.at
Virtuelle Tour
Rundblick - Virtual Reality
Werbung
 
Zurück Aktuelle Gemeinde Archiv Suchen