Kitzbüheler Anzeiger

Westendorf

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4 März 2020 Thema Eine Episode aus dem Jahr 1945 Auf der Flucht vor den Russen Im Mai werden es 75 Jahre, dass der Zweite Weltkrieg, der viele Millionen Men- schenleben gekostet hat- te, ein Ende gefunden hat. Der folgende Text wurde uns von Walter Wasinger zur Verfügung gestellt. Er musste als damals Sechs- jähriger in der Endpha- se des Kriegs mit seiner Familie nach Vorarlberg fliehen. Seit über 50 Jahren lebt er nun schon in Australi- en, verbringt aber immer wieder einige Zeit in Öster- reich. Wir bedanken uns für die Zusendung. Viele Berichte und Gerüchte gingen herum, dass die Rus- sen vor allem Frauen arg zu- setzten in Ost-Deutschland- Berlin. Das nun wollte die Familie nicht auch ertragen und so hat die Firma Böh- ler-Ybbstal einen Zug kom- mandiert, mit dem jeder, der wollte, in den Westen (zu den westlichen Alliierten) fliehenkonnte.AuchderDi- rektor der Böhler-Ybbstal- Werke mit seiner Frau war dabei. Unsere Familie be- stand aus unserer Mutti mit meiner damals drei Mona- te alten Schwester Margit, Tante Yetti und Oma. Nun allerdings wurde die Trisannabrücke (bei Lan- deck) beschädigt und wir konnten nicht weiter zu un- seren Verwandten in Munt- lix (Vorarlberg). Der Zug musste in Tirol bleiben. So landeten wir alle in Wes- tendorf, einem Bergdorf in Tirol. An der Schönheit des Ortes waren wir allerdings nicht interessiert – über- leben war die Devise der Zeit, speziell als Margit ir- gendwann in dieser Zeit eine Lungenentzündung bekam. Es gab damals noch kein Pe- nicillin, das so wichtig zum Überleben gewesen wäre. In Westendorf waren wir für etwa sechs W ochen ein- quartiert. Mein Vater konnte uns in dieser Zeit nur einmal besuchen, da er als frisch ernannter Böhler-Chef in dieser turbulenten Zeit nicht fehlen durfte. Wir wohnten in dem Haus, das auf den Bildern rechts zu sehen ist (heute „Haus Veronika“), wo Mutti auf mich vom Balkon herunterschauen konnte. Im anderen Haus (Mesnerwirt) waren die Besatzungsmäch- te einquartiert, erst die Ame- rikaner (glaube ich) und dann die Marokkaner. Der Bürgermeister wurde eines Tages wegen seiner Nazi-Vergangenheit am Kirchplatz verprügelt. Ich aber habe nicht zugeschaut. Allerdings habe ich auf dem Platz hinterm Mesnerwirt eine große, leere Dose ge- funden. Sie hatte gut 20 cm Durchmesser und war 30 cm hoch - gerade richtig, um für meinen Vater Tabak zu sammeln. Speziell hinter dem Mesnerwirt–Hotel sind so viele Zigarettenstummel gelegen! Halbe Zigaretten sogar! Die Devise war: Pa- pier herunter und den Tabak in die Dose! Den Tabak habe ich übri- gens noch lange nach dem Krieg aufgehoben, weil ich immernochhoffte,dasswir unseren Vater wiedersehen würden. Meine Mutter hat noch im Jahr 1948 bei dem Heimkehrerzügen gewartet - in der verfehlten Hoffnung, unser Vater könnte dabei sein. Neben dem Haus, in dem wir wohnten, war ein Schlacht- hof. Eines Tages hat ein Pferd gebrüllt und nicht auf- gehört. Ich konnte es nicht sehen von der Straße und dem Pferd nicht helfen – es hat sich wohl auch gefürch- tet vor seiner Zukunft ... Zu essen gab es wenig. Ich erinnere mich noch an die Handvoll Kartoffeln vom Feldrand. Aber wir hatten eine Milchkanne – die war Goldes wert, denn auf der anderen Seite vom Schlacht- hof war die Kantine der Sol- daten. Da habe ich den ande- ren Kindern zugesehen und schon bin ich mit meiner Milchkanne auch beim Ein- gang zur Kantine gestanden. Mutti und die anderen haben meinen Tee sehr gut gefun- den und speziell sehr süß. Und jeden Tag wieder habe ich eine Kanne voll heimge- bracht. Da hat die Mutti ge- fragt, wo ich den süßen Tee herhatte. Ja, vom Eingang Eikaffn geah Gånz a nois, scheas Gwandä mecht i hoit, wei des oa is eh scho gånz miroit. Naxt Woch is a Huazat mit vü Gäst, und iwanaxt Woch a gånz gruaß Fest. A Gwånd hu i etz woi gfundn, so ruat und grea, ausschaun tuats gånz wundaschea. Blusn brauch i gånz a helle, und a Strumpfhos va Gazelle. Schiachä miaßn a no hea, wei des is a koa Luxus mea. ´s T aschä schaut hea vü z´kloa, då ku i fåst nix eichi toa. Des kaf i ma a no glei dazua, nåcha gib i åwa a Ruah. Etz foit ma no eppas ei, ´s Kedä söd nid süwa, es söd goida sei! Schmeckn mechti i a no gånz fei, a guats Schmeckä muaß a no an Taschä inn sei. Etz woaß i åwa nimma wås i no wü, i hu e scho kaft vü z´vü. Aus dem Buch „Windhauch“ von Kathi Pöll, erhältlich in der Sennerei und in der Kunstschmiede Unterrainer
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