Kitzbüheler Anzeiger

Westendorf

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Juli 2019 5 Thema Brauche ich wirklich noch einen Pullover? Oft wür- de die Antwort vielleicht „Nein“ lauten, aber: „Bei dem Preis muss ich ihn doch kaufen, es ist es doch wirk- lich egal, wenn ich ihn nur ein- oder zweimal ausfüh- re.“ So oder ähnlich läuft mittlerweile sehr oft der Einkauf von Textilien ab. Die Textildiskonter stehen aber nicht nur für billige Kleidung, sondern auch für schlechte Qualität, die gera- de einmal eine Saison über- dauert. Ketten wie Primark. H&M, Zara und Co. stellen Mode zum Wegwerfen her. Allein in Österreich wird das Altkleideraufkommen auf etwa 80.000 Tonnen jährlich geschätzt. Weltweit landet der Löwen- anteil der nicht mehr genutz- ten Textilien aber auf dem Müll. Das gilt auch für Fab- rikneues, denn die Hersteller bleiben auf rund einem Drit- tel ihrer Kleidungsstücke sitzen. 2017 wurde etwa der Textilriese H&M beim Ver- brennen von überschüssiger Ware erwischt. Ein paar Zahlen: - 40 Prozent unserer Klei- dung tragen wir selten oder nie, aber unsere Klei- derschränke quellen über. - Bei der Fertigung eines Kleidungsstücks bleiben in der Regel 25 Prozent Abfall übrig. - 75 Millionen Menschen arbeiten weltweit in der Textilindustrie, 85 Prozent davon sind meist junge Frauen (unter miserablen Arbeitsbedingungen und schlechten Löhnen in Ländern wie Indien oder Bangladesh). - 1,3 Billionen US-Dollar spielt die Textilindustrie jährlich ein. Den Großteil schöpfen Billigketten wie Primark und H&M ab. Mode zum Wegwerfen und schlechte Arbeitsbedingun- gen: Das Unbehagen der Konsumenten wächst. Den- noch ändert sich wenig: „Erst kürzlich ergab eine von der ,Clean-Clothes- Kampagne‘ veröffentlich- te Studie, dass Arbeiter in H&M-Zulieferfabriken nach wie vor unter der Armuts- grenze leben. H&M ist da freilich keine Ausnahme. Die Arbeit wird in Länder ausgelagert, in denen die Produktion besonders kos- tengünstig ist, wo also der größte Profit zu holen ist. Es sind zudem meist Län- der, in denen die Einhaltung der Gesetze nicht besonders genau überprüft wird und die Standards niedrig sind (niedrigste Mindestlöhne, kein Anspruch auf Kranken- stand oder Pension, lange Arbeitszeiten, niedrige Um- weltstandards). Doch allen negativen Schlagzeilen zum Trotz: Der Konsum hat sich in den letzten zehn Jahren verdop- pelt. Die USA, Deutschland und die Schweiz liegen mit mittlerweile 60 neuen Klei- dungsstücken pro Person im Jahr an der Weltspitze. Alle fünf T age kauft also jeder im Schnitt ein neues Kleidungs- stück. Der rasante Verschleiß geht auf Kosten der Umwelt. Giftige Färbechemikalien verseuchen nicht nur in den Produktionsländern Flüsse und Meere. Bei Textilien aus Polyester, einer synthetisch hergestellten Faser, gelangt mit jeder Wäsche auch Mi- kroplastik in die Gewässer. Und es wird immer mehr Kleidung aus Polyester her- gestellt, da die weltweite Baumwollproduktion längst nicht mehr ausreicht. Mancherorts scheint aber ein Umdenken stattzufinden. Dem Trend zu Nachhaltig- keit können sich langfristig auch die Textilriesen nicht verschließen. Adidas ver- spricht etwa eine komplette Umstellung auf Recycling- Kunststoff bis 2024, auch H&M hat sich Nachhaltig- keit und Recycling auf die Fahnen geheftet. Ressourcenschonend ist aber auch Recycling zumindest derzeit nicht. Zudem beste- hen im Schnitt nur etwa 20 bis 30 Prozent eines recycel- ten Stoffes aus aufbereiteten Fasern. Möglichkeiten, dem T rend zur Wegwerfmode auszu- weichen, gibt es: - Secondhand-Kauf: Wenn der eigene Kleiderschrank nichts mehr hergibt, kann in Secondhand-Läden gestöbert werden. Hier finden sich oft wahre Goldstücke von hoher Qualität. - Kleidung tauschen: Man kann sich weiterhin an seinen vergebenen Teilen erfreuen, wenn man sie an den anderen sieht. Laut einer Studie von Green- peace hat ein Viertel der 18- bis 29-Jährigen bereits Kleider getauscht, in der Altersgruppe 50plus da- gegen nur jeder Achte. - Leihen: Kleidung für spezielle Anlässe auszu- leihen, ist heutzutage kein Problem. - Neu kaufen, aber richtig. Der „Global Organic Tex- tile Standard“ (GOTS) und IVN Best sind die derzeit glaubwürdigsten Gütesie gel. Kleidungsstü- cke aus Bio-Baumwolle, wie sie vermehrt in gro- ßen Bekleidungsketten angeboten werden, sagen aber nichts über die Pro- duktions- und Arbeitsbe- dingungen in der Liefer- kette aus. - Selbst Hand anlegen: Umnähen ist eine günsti- ge Alternative. - Ehrlich sein: Brauche ich den neuen Fummel wirk- lich? Quellen: TT, „Einfach anziehend – Der Guide für alle, die Wegwerfmode satthaben“ (Oekom-Verlag, 144 Seiten; 15,50 Euro). Symbolfoto: pixabay 60 neue Kleidungsstücke pro Person und Jahr ... Einmal getragen und schon Müll
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