Kitzbüheler Anzeiger

Westendorf

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März 2018 5 Thema österreichischer Anhänger rund 70.000 Menschen, ins- besondere in Wien. Darunter waren viele Politiker und In- tellektuelle der Ersten Repu- blik sowie vor allem Juden. Der Terror hatte unmittelbar nach dem Einmarsch be- gonnen und in Ausmaß und Brutalität die V erhältnisse in Deutschland bei Weitem übertroffen. Der am 11. März zurück- getretene Bundeskanzler Schuschnigg wurde zunächst in seiner Dienstwohnung im Belvedere unter Hausarrest gestellt, dann monatelang im Wiener Gestapo-Hauptquar- tier, dem ehemaligen Hotel Metropol, inhaftiert und spä- ter wie die meisten anderen Häftlinge in das KZ Dachau deportiert. Die Polizei, die jetzt Himm- ler unterstellt war, unterband jeden Widerstand. Die Gren- zen wurden abgeriegelt, um Regimegegnern die Flucht unmöglich zu machen. Hitler ließ sich die V ereini- gung Österreichs mit dem Deutschen Reich durch eine Volksabstimmung am 10. April 1938 nachträg- lich billigen und verband die Entscheidung über den „Anschluss“ auch mit einem Zustimmungsvotum zu sich selbst. Die dem Volk vorgelegte Fragestellung lautete: „Bist Du mit der am 13. März 1938 vollzogenen Wieder- vereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich ein- verstanden und stimmst Du für die Liste unseres Führers Adolf Hitler?“ Im Vorfeld waren promi- nente österreichische Per- sönlichkeiten öffentlich für das Ja eingetreten, z.B. der Wiener Kardinal Theodor Innitzer, der bereits am 18. März eine affirmative „Fei- erliche Erklärung“ der Bi- schöfe freiwillig mit „Heil Hitler“ unterzeichnet hatte. In mehreren Städten Ös- terreichs fanden vor der Abstimmung penibel insze- nierte Auftritte hoher Funk- tionäre der NSDAP statt, so von Goebbels, Göring, Heß und anderen. Hitler selbst hielt am 9. April in der Nordwestbahnhalle in Wien eine Ansprache. Die nationalsozialistische Propaganda durchdrang alle Lebensbereiche: Fahnen, Banner und Plakate mit Parolen und dem Haken- kreuzsymbol wurden in al- len Städten, an Straßenbah- nen, an Wänden und eigens errichteten Plakatständern und Säulen angebracht. Al- lein in Wien fanden sich rund 200.000 Hitler-Porträts an öffentlichen Orten. Selbst auf Poststempeln war zu lesen: „Am 10. April dem Führer Dein Ja.“ Presse und Rundfunk wa- ren fest in der Hand der neuen Machthaber, hatten kein anderes Thema als das Ja, sodass es keine öffentli- chen Gegenstimmen geben konnte. Rund acht Prozent der eigentlich Wahl- und Stimmberechtigten waren von der Abstimmung aus- geschlossen worden: etwa 200.000 Juden, rund 177.000 „Mischlinge“ und die bereits zuvor aus politischen oder rassischen Gründen V erhaf- teten. Bei der Abstimmung selbst machten viele Wähler öf- fentlich vor den Wahlhelfern ihr Kreuz bei Ja und nicht in der Wahlzelle, um den Ver- dacht zu vermeiden, gegen den „Anschluss“ gestimmt zu haben und um nicht als „Systemgegner“ möglichen Repressalien ausgesetzt zu sein. Das Wahlgeheimnis wurde praktisch nicht ge- wahrt, es gab meist keine Alternative zu einer offenen Abstimmung, ohne sich und seine Familie möglicher politischer Verfolgung aus- zusetzen. Zusätzlich ließen die Nationalsozialisten ver- breiten, das Wahlgeheimnis sei nicht gewährleistet, es fänden geheime Kontrollen statt. Am Abend des 10. April berichtete Gauleiter Josef Bürckel aus dem W iener Konzerthaus das Ergebnis der Abstimmung nach Ber- lin. Laut amtlichen Angaben hatten 99,73 % der Abstim- menden zugestimmt. Im bis- herigen Reichsgebiet, nun- mehr als Altreich bezeichnet, stimmten angeblich 99,08 % für den „Anschluss“. Laut Statistik des Deutschen Reiches gab es in Österreich 4,474 Millionen Stimmbe- rechtigte, die Wahlbeteili- gung in Österreich lag bei 99,71 %, im „Altreich“ bei 99,59 %. Die Einstellung der öster- reichischen Bevölkerung gegenüber einem Anschluss und die hierfür verantwort- lichen Motive sind auch heute noch Gegenstand von historischen und politischen Debatten. Zahlen darüber, wie viele Österreicher für den „Anschluss“ waren, sind nicht annähernd zu liefern. Erstens fehlen entsprechen- de Umfragen, zweitens hat Schuschnigg seine Volksbe- fragung abgesagt und drit- tens kann die am 10. April durchgeführte V olksabstim- mung nicht als frei bezeich- net werden. Die oft zitierte Rolle Österreichs als Opfer ist aber sicher falsch. Deutschland bediente sich sogleich bei den Gold- und Devisenreserven Öster- reichs, die aufgrund der de- flationistischen Wirtschafts- politik der Regierungen in den 1930er Jahren beachtli- che Bestände erreicht hatten; sie wurden nun in das devi- senarme „Altreich“ transfe- riert. So gerieten mehr als 2,7 Milliarden Schilling an Gold und Devisen unter NS- Kontrolle. Im 1939 in Ostmark um- benannten Österreich hatte die NSDAP großen Zulauf. 1943 erreichte die Mitglie- derzahl ihren Höhepunkt: Fast 700.000 Österreicher und somit mehr als zehn Prozent der Bevölkerung ge- hörten ihr an. Die V erteilung war regional höchst unter- schiedlich: In Tirol wurde ein Spitzenwert von 15 % erreicht, im wirtschaftlich armen, damals auf Niederös- terreich und die Steiermark aufgeteilten Burgenland wa- ren es nur 6 %. Die Herrschaft des Natio- nalsozialismus währte in Wien und Umgebung bis zum Vorrücken der Roten Armee Mitte April 1945. Der „Anschluss“ wurde in der Unabhängigkeitserklä- rung vom 27. April 1945 für „null und nichtig“ erklärt. In vielen anderen Landesteilen Österreichs endete das NS- Regime erst mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges im Mai 1945. Die Tiroler Landeshauptstadt Innsbruck wurde von österreichischen Widerstandskämpfern, die das NS-Regime abgelöst hatten, am 3. Mai 1945 an die einmarschierenden US- amerikanischen Verbände übergeben. Quellen: wikipedia, orf.at, www.österreich100.at
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