Kitzbüheler Anzeiger

Brixen im Thale

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Unter uns Seite 3 Juni 2020 An einen sonnigen Tag, am 7. Mai 1945, kamen die Ami locker und fröh- lich ins Brixental. Endlich gab es in diesem Teil Ti- rols keine Kriegshandlun- gen mehr. Meine Mutter, meine Schwester (5 J.) und ich (11 J.) kamen nach Brixen im Thale, kurz bevor die amerikanische Armee in Tirol einmarschierte und der Krieg zu Ende war. Mein Vater, der mit dem letzten Zug aus Wien zu uns kam, besaß in Hof ein kleines Sägewerk und so hatten wir das große Glück, eine wirtschaftli- che Absicherung zu ha- ben. Für mich im Volks- schulalter war es kriegs- bedingt gegeben, dass ich vier verschiedene Volks- schulen (Wien 22, Wien 21, Bernhartsthal NÖ und Brixen im Thale) be- suchte. Ich freundete mich mit vielen Jugendli- chen an, mit denen mich bis heute eine Freund- schaft verbindet. Johan- nes Hölbling, der beim Bundesheer in Wien tätig war, war auch mit mir in der Volksschule in Bri- xen. Leider ist er schon verstorben. In der Schule in Brixen waren zwei Jahrgänge im selben Klassenraum, für mich war das neu. Kna- ben und Mädchen w aren räumlich getrennt. Vorher (Anfang des Jah- res) landete das deutsche Heer auch in Hof. Sie stellten Zelte auf am Platz beim Kloo-Bauern und so bewegten wir Kinder uns vor Kriegsende mitten unter den deutschen Sol- daten. Es war eine turbulente Zeit, von der deutschen Armee wurden Gewehre gesammelt. Anderes ver- kauften die deutschen Soldaten, so z. B. kaufte mir meine Mutter die ers- ten Schier aus Norwegen und eine Rennrodel. Die Deutschen lagen noch lange als Kriegsgefangene vor Ort, so sie nicht flo- hen. Ich weiß auch noch, wie die Frauen aus Brixen gemeinsam in den Wald gingen, um die auf der Fluchtroute flüchtenden deutschen Soldaten zu verköstigen. Als das amerikanische Heer mit ihren Jeeps kam, standen wir Kinder auf der Straße und winkten. Der Hoferwirt wurde be- schlagnahmt und die Amis zogen ein. Die Fa- milie Gatt musste zu Ver- wandten ziehen. Die Brix- nerinnen hatten rot-weiß- rote Fahnen genäht, die jetzt bei allen Häusern ausgehängt wurden. Am Dorfanfang und Dorf- ende von Hof waren Kon- trollpunkte der Amerika- ner. Die Soldaten waren besonders zu uns Kin- dern freundlich, da wie- der speziell die Schwar- zen, vor denen wir Kin- der uns anfangs fürchte- ten. Da ich einige Brocken Englisch konnte, bekam ich, aber auch die ande- ren, Schokolade und Kau- gummi (den wir nicht kannten) und sogar Ziga- retten für die Eltern. In Brixen war eine Eng- länderin über die Kriegs- jahre interniert, bei der ich Englisch-Unterricht hatte, organisiert von un- serer Mutter. Mit der Lady gab es für alle Brixner ein lustiges Ereignis: Die Amerikaner ließen den Bürgermeister und Mitarbeiter, die unter den Nazis in der Gemeinde tätig w aren, um einen Misthaufen im Kreis lau- fen. Als die Engländerin das sah, beschimpfte sie die Soldaten, worauf die Militärpolizei sie in einem Raum einsperrte und un- ter Bewachung stellte. Wie immer gelang es ihr in Kärnten den engli- schen Kommandanten für Österreich zu errei- chen. Der englische Gene- ral, zuständig für Kärn- ten, kam mit einer eng- lischen Militärgruppe. Der englische General be- schwerte sich heftig über das Vorgehen der Ameri- kaner und verlangte von den Verantwortlichen, dass sie sich wegen dieses Eklats persönlich bei sei- ner Landsmännin ent- schuldigen müssen. Und Brixen hatte wieder etwas zum Schmunzeln in der nicht einfachen Zeit. ä Ein Blick zurück… In dieser Rubrik werden wir sehr kurz auf historische, kulturelle oder gesellschaftspolitische Ereignisse in vergangenen Zeiten hinweisen. „Die hohen Feste der Sommerzeit sind alle schön und würdig gefeiert worden. Der Antlassritt konnte nicht stattfinden, da überall starke militärische Be- satzungen sind und die Straße nicht abgesperrt w er- den darf. Ebenso konnten keine Prozessionen statt- finden aus dem gleichen Grunde. An den Sonn- und Feiertagen ist die Kirche beim Hauptgottesdienst sehr voll, an den Werktagen finden sich die Fremden wenig ein. Es sind etwa 1000 Fremde (Flüchtlinge) gegenwärtig in Brixen und 300 Amerikaner als Be- satzungstruppe. Viele Häuser mussten ganz geräumt werden, um den Amerikanern Platz zu machen. Ge- genwärtig ist von 9 Uhr abends bis 6 Uhr früh A us- gehverbot. Heute hielt ich eine eigene hl. Messe für die Amerikaner und etwa 30 nahmen daran teil. Im Pfarrhof sind noch im Parterre militärische Geräte eingelagert und Tag und Nacht eine Wache hier. Alle Schlösser sind aufgebrochen, ebenso Türen und Fenster in den Kellerräumen. Die ganze Nacht bren- nen sie Feuer. An manchen Häusern wird auch ge- klagt über den V erlust verschiedener Sachen und Le- bensmittel. Die Heimkehr der einheimischen Soldaten erfolgt sehr langsam. Vom neuen Österreich spürt man noch nichts. Die Schulen sind ganz ge- schlossen, doch erteile ich in der Kirche allen Klassen Religionsunterricht.“ Herr Werner Lutzky ließ uns über die geschichtsträchtigen Maitage vor 75 Jahren folgende Erinnerungen zukommen: Dekan Johann Feiersinger schreibt am 10. 6. 1945 in der Pfarrchronik:
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