Kitzbüheler Anzeiger
27.09.2020
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Jeden Tag mindestens drei Kontakte

1.369 Kontakte verzeichnete das Mädchen- und Frauenberatungszentrum in St. Johann im letzten Jahr. Das bedeutet rein rechnerisch mindestens drei Kontakte pro Tag.  Dennoch sehen einige die Notwendigkeit der Beratungsstelle auch nach zehn Jahren nicht.

St. Johann | Das Telefon läutet ständig, als wir Renate Magerle zum Gespräch treffen. Die ehrenamtliche Obfrau des Mädchen- und Frauenberatungszentrums Bezirk Kitzbühel organisiert gerade Reparaturen in einer der Notwohnungen für Frauen. Die Wohnungen für Krisenzeiten sind ständig belegt.
Mittlerweile sind zehn Jahre vergangen, seit das Mädchen-und Frauenberatungszentrum, aus einer privaten Initiative, vom Soroptimist Club, verwirklicht wurde. Die Probleme, mit denen Frauen und Mädchen in die Servicestelle kommen, haben sich kaum geändert, erzählt Magerle: „Gewalt ist kein kulturelles, sondern ein strukturelles Problem. Es kommen in erster Linie Frauen zu uns, über die Macht in verschiedensten Formen ausgeübt wird und die sich aus dieser Situation befreien wollen.“

Magerle: „Viele wollen nicht hinschauen“
Obfrau Magerle kann über Schicksale im Bezirk berichten, die einem an die Nieren gehen. Dennoch sehen einige die Notwendigkeit der Beratungsstelle nicht oder schätzen sie gering ein. „Die wollen einfach nicht hinschauen, wollen nichts davon wissen“, ärgert sich Magerle.

50 Euro Jahresförderung
Die Politiker müssten es eigentlich wissen. Die Förderungen von Bund und Land fallen jedoch nach wie vor eher mager aus. Auch die Gemeinden im Bezirk zeigen sich mit finanzieller Unterstützung für das Mädchen- und Frauenberatungszentrum teils sehr zurückhaltend.
Fünf der zwanzig Gemeinden im Bezirk unterstützen die Beratungsstelle überhaupt nicht, von einigen gibt es Jahresförderungen von 50 oder 100 Euro. „Das ist nach wie vor unverständlich.Wir betreuen Frauen aus dem ganzen Bezirk. Würden wir ihnen nicht helfen, wären die einzelnen Gemeinden gefordert“, so Magerle.

Dank an die vielen privaten Unterstützer
Dass es auch anders gehen kann, zeigt etwa die Gemeinde St. Johann, die das Mädchen- und Frauenberatungszentrum seit jeher großzügig unterstützt. Durch die Marktgemeinde wurde auch der Umzug 2019 in dringend benötigte größere Räumlichkeiten am Schwimmbadweg 9 möglich.  Auch ein paar andere Gemeinden zeigen sich großzügig.
Eine wichtige Säule für das Beratungszentrum sind aber nach wie vor die privaten Unterstützer – sie stemmen 30 Prozent der Kosten. „Ohne sie wäre ein Betrieb unmöglich. Man kann ihnen nicht genug danken“, betont Magerle.

Ein Wunsch für die Zukunft
Für die Zukunft wünscht sich Obfrau Magerle, dass das Beratungszentrum vom Bundesministerium als Frauenservicestelle anerkannt wird: „Würden wir das schaffen, dann hätten wir das nötige Budget für die Beratungen, die gebraucht werden. Es liegt an der öffentlichen Hand.“ Mit der Klassifizierung würde der Bund jährlich 50.000 Euro beisteuern.
Die Klassifizierung wurde, wie im letzten Jahr berichtet, abgelehnt, weil – und hier beißt sich die Katze in den Schwanz – als Klassifizierungs-Kriterium die Beratungsstelle schon jetzt mindestens 50.000 Euro von der öffentlichen Hand bekommen müsste. Klingt unfair, ist es auch. Johanna Monitzer

Bild: Das Mädchen- und Frauenberatungszentrum Bezirk Kitzbühel in St. Johann würde es ohne private Unterstützer nicht geben. Foto: Mädchen- und Frauenberatung

Daten & Fakten - 1.369 Kontakte im Jahr 2019
Die vier angestellten Beraterinnen und zwei ehrenamtlichen Rechtsberaterinnen im Mädchen -und Frauenberatungszentrum verzeichneten 2019 insgesamt 1.369 Kontakte.

Wer sucht warum Hilfe?
Psychische Überlastung, belastende Lebensumstände, Wohnungsprobleme, finanzielle Probleme und Gewalt sind die häufigsten Themen, zu denen kostenlos beraten wird. Die meisten Frauen sind zwischen 30 und 49 Jahre alt. Sie  kommen fast überwiegend aus Österreich.

Völkerrechtlicher Vertrag wird erfüllt
2019 fanden in den Notwohnungen des Mädchen- und Frauenberatungszentrums 15 Frauen sowie 11 Kinder kurzfristig Unterkunft. Damit wird im Bezirk Kitzbühel der „Istanbul Konvention“, einem völkerrechtlichen Vertrag, der in Österreich 2014 in Kraft getreten ist, Folge geleistet. In dessen Artikel 23/135 heißt es: „Im Abschlussbericht der Task Force des Europarats zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt wird eine sichere Unterkunft für Frauen in Frauenhäusern empfohlen, die auf alle Regionen verteilt sind und eine Familie pro 10.000 Einwohner aufnehmen können.“
Im Moment beherbergt das Mädchen -und Frauenberatungszentrum sechs Frauen mit insgesamt vier Kindern“. „Wir kommen im Bezirk Kitzbühel mit etwas mehr als 60.000 Einwohnern also dieser Empfehlung nach - und zwar aufgrund einer privaten Initiative und nicht, wie vorgesehen, als öffentliche Verpflichtung“, veranschaulicht Obfrau Renate Magerle. jomo Quelle: Jahresbericht Mädchen- und Frauenberatungszentrum

 
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