Kitzbüheler Anzeiger
01.10.2020
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„Duale Ausbildung ist krisensicher“

Das Präsidium der Tiroler Wirtschaftskammer wurde vor Kurzem komplettiert. Neben Manfred Pletzer, Martina Entner und Barbara Thaler stehen nun auch Martin Wetscher und Anton Rieder Präsident Christoph Walser zur Seite. Franz Hörl scheidet als Vizepräsident aus. Die neue Funktionsperiode startet unter schwierigen Vorzeichen. Der Kitzbüheler Anzeiger bat Manfred Pletzer dazu zum Interview.

Hopfgarten, BezirkWelche strategischen Akzente will die Wirtschaftskammer Tirol setzen, um ihre Mitglieder bestmöglich zu unterstützen?
Die besondere Lage spiegelt sich in allen drei Kernbereichen der Wirtschaftskammer - Interessenvertretung, Service und Bildung - wider. In der Interessenvertretung drängen wir auf Rahmenbedingungen, die dieser besonderen Herausforderung gerecht werden. Bei den Corona-Regeln selbst kommt es darauf an, dass diese klar, rechtzeitig und praxistauglich sind. Wir gehen aktiv mit Vorschlägen auf die Politik zu, wie aktuell gerade beim Konzept für die Wintersaison. Ebenso setzen wir uns für effektive Unterstützungen der Betriebe ein und schließen Förderlücken mit einem eigenen Fonds. Im Bereich Service versorgen wir unsere Mitglieder mit den neuesten Informationen und bieten umfassende Beratungsprodukte an. Und im Bildungsbereich haben wir das Online-Lernen massiv ausgebaut. Das stellt Aus- und Weiterbildung unter diesen besonderen Umständen sicher.

Wie „fit“ ist die heimische Wirtschaft, einen innovativen Weg zu beschreiten?
Innovation und Digitalisierung sind Anforderungen, an denen die heimischen Betriebe nicht vorbeikommen – mit und ohne Corona. Die von der Politik gesetzten Anreize, etwa in Form der Investitionsprämie, unterstützen die Tiroler Unternehmen dabei. In Bezug auf die Fitness der Firmen ist in vielen Fällen die geringe Eigenkapitalquote ein Problem. Hier braucht es dringend Entlastungen bei der Abgabenquote sowie steuerliche Anreize, damit sich Unternehmen Reserven aufbauen können.

Wie gestaltet sich die Gründerszene im Lande?
Im ersten Halbjahr 2020 konnten in Tirol 1.296 Neugründungen verzeichnet werden. Das sind nur um rund fünf Prozent weniger als im Vorjahr – obwohl wir mitten in der Corona-Krise stecken. Das zeigt, dass wir in Tirol starke Jungunternehmer und mutige Neugründer haben, die positiv und motiviert in die Zukunft blicken. In der aktuellen Situation setzen wir uns für wirksame Unterstützungen ein und stehen mit Beratungen zur Seite. Die wichtigsten Servicestellen für den Unternehmensstart sind der Gründerservice und die WK-Bezirksstellen. Im letzten Jahr hat die Tiroler Wirtschafskammer mehr als 6.000 Beratungen mit Neugründern durchgeführt.

Auf europäischer Ebene setzt man darauf, die Coronahilfe mit Nachhaltigkeit zu verquicken. Ist dies auch die Strategie für Tirol?
Umwelt und Nachhaltigkeit sind wichtige Facetten bei vielen Förderungen. Häufig geht es derzeit aber ums nackte Überleben und wir müssen darauf schauen, dass gesunde Betriebe diesen tiefen Einschnitt überstehen und nach der Krise wieder rasch durchstarten können.

Ganz unabhängig von Corona steuert die Gesellschaft auf den digitalen Wandel zu: Gibt es hier Aufholbedarf?
Die Wirtschaftskammer Tirol hat schon vor der Krise zahlreiche Initiativen im Bereich Digitalisierung gesetzt. Die aktuelle Situation wirkt wie ein Katalysator und beschleunigt diese Entwicklung. Home-Office, Reisebeschränkungen und Weiterbildungen auf Online-Basis haben bei vielen Tiroler Firmen einen regelrechten Schub in Richtung Digitalisierung ausgelöst. Das wird auch nach Corona Bestand haben. Auf lange Sicht werden digitale Kanäle eine wichtige Ergänzung darstellen, aber sicher nicht komplett die persönliche Kommunikation ablösen. Es kommt auf eine ausgewogene Mischung an.

Wie sieht es mit dem Fachkräftemangel aus?
Es mag auf den ersten Blick paradox erscheinen, dass viele Betriebe auch in Zeiten hoher Arbeitslosenzahlen Fachkräfte suchen. Die Erklärung liegt darin, dass häufig das Matching nicht passt – also die Anforderungen einer bestimmten Stelle und die Kompetenzen der verfügbaren Bewerber. Das trifft vor allem in Branchen wie IT, Tourismus, der Pflege, aber auch im Gewerbe und Handwerk zu. Das Gegenmittel ist vor, während und nach Corona dasselbe geblieben: Qualifikation. Deswegen setzt die Wirtschaftskammer Tirol mit ihrem WIFI intensiv auf hochwertige berufliche Aus– und Weiterbildung.

Welchen Stellenwert nimmt die Lehre ein?
Die duale Ausbildung hat sich bereits in der Vergangenheit als krisensicher bewährt. Die Kombination aus Berufsschule und Ausbildungsbetrieb bietet jene Qualifikation, mit der sich die Anforderungen des Marktes bewältigen lassen. Wenn man sich die hervorragenden Ergebnisse unserer Lehrlinge bei internationalen Berufswettbewerben ansieht, erkennt man sofort, wie hoch das Niveau bei uns ist. Die WK Tirol ist österreichweiter Vorreiter für die Aufwertung der Lehre, was seitens der Bundesregierung in vielen Teilbereichen ja bereits umgesetzt wurde. Vorausschauende Firmen investieren auch jetzt in die Ausbildung ihres Fachkräfte- und Führungsnachwuchses. Das wird am Lehrstellenüberhang deutlich, der in Tirol nach wie vor gegeben ist. Elisabeth Galehr

Bild: Der Hopfgartener Unternehmer Manfred Pletzer ist WK-Vizepräsident von Tirol.

 
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