Kitzbüheler Anzeiger
09.09.2022
News  
 

Beratungen sprunghaft angestiegen

Die Gewalt an Frauen steigt auch im Bezirk Kitzbühel kontinuierlich an, wie die Zahlen des Mädchen- und Frauenberatungszentrums zeigen. Bei so manchem Bürgermeister scheint die Botschaft jedoch nicht angekommen zu sein, viele Subventionsanfragen landen in der Schublade.

St. Johann | Die Zahlen sind ernüchternd: Im Bezirk Kitzbühel wurden heuer bis Mitte vergangener Woche 72 Betretungs- und Annäherungsverbote ausgesprochen, im ganzen Jahr 2021 waren es 47. Im Mädchen- und Frauenberatungszentrum Bezirk Kitzbühel in St. Johann herrscht Hochkonjunktur. Bereits jetzt wurden über 2.000 Beratungen durchgeführt. Bis zum Ende des Jahres werden es rund 3.500 sein.
Obfrau Renate Magerle lud daher vergangenen Freitag zu einer Podiumsdiskussion in den Medicubus in St. Johann. Mit dabei Eva Pawlata vom Gewaltschutzzentrum Tirol, MuFBZ-Beraterin Melanie Pumberger, Verena Hauser von der  Opferschutzgruppe des Krankenhauses St. Johann, Marianne Hörl von der Kinder- und Jugendhilfe der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel sowie Bezirkspolizeikommandant Martin Reisenzein.
Und ihre Berichte waren schockierend – die Spirale an Gewalt gegen Frauen und Kinder dreht sich immer schneller.

Bei mehr als der Hälfte Suchtmittel im Spiel
Wenn die Polizei einschreiten muss, so habe es bereits viel Gewalt in der Familie gegeben, weiß Polizeichef Martin Reisenzein. Jedoch sei die Hemmschwelle, die Polizei zu rufen, nach wie vor sehr hoch. Bei mehr als der Hälfte der Delikte waren im Vorjahr Suchtmittel im Spiel. Ziel sei es, in jeder Polizeiinspektion einen Präventionsmitarbeiter zu installieren, so Reisenzein.
Die ländliche Struktur schütze keinesfalls vor häuslicher Gewalt, betonte Marianne Hörl von der BH Kitzbühel. „Wir haben heuer bis Ende August bereits über 100 Gefährdungsmeldungen bearbeitet. 2018 waren es im ganzen Jahr 45.“

Erschreckend auch die Erfahrung von Verena Hauser: Über 85 Prozent der Betroffenen kommen im Schnitt bis zu fünf Mal ins Krankenhaus.„Die Verletzungen werden immer schwerer. Hier reden wir nicht nur vom Nasenbeinbruch“, so Hauser. Eva Pawlata bestätigte die massive Zunahme an Gewalt, betonte jedoch, dass das Gewaltschutzzentrum von der öffentlichen Hand ausfinanziert ist.
Darum kämpft auch Renate Magerle. Das Mädchen- und Frauenberatungszentrum hat einen Finanzierungsbedarf von rund 100.000 Euro im Jahr.  Vom Bund kommen gerade einmal 5.950 Euro und das Land steuert 17.000 Euro bei. Im Vergleich: Der Verein Evita in Kufstein bekommt jährlich vom Land Tirol fast 90.000 Euro. Warum das so ist, kann Magerle nicht beantworten. Ihre Nachfragen blieben unbeantwortet. Im Gegenteil: Nachdem sie sich an den Landeshauptmann gewandt hat, erhielt sie von LR Gabriele Fischer auch noch einen Rüffel.

Mehrere Gemeinden zahlen überhaupt nicht
Doch es sind vor allem die Gemeinden, die sich augenscheinlich vor ihrer Verantwortung drücken. Heuer sind gerade einmal 18.700 Euro von Seiten der Kommunen geflossen,wobei
St. Johann mit 10.000 Euro deutlich hervorsticht. Aurach, Brixen, Reith und Schwendt waren erst gar nicht bereit, den Verein zu unterstützen, auch St. Ulrich und Westendorf, wo zur Zeit der Antragstellung Frauen am Ruder waren, halfen nicht bei der Finanzierung.Von den meisten anderen Gemeinden fließen meist nur kleine Beträge. Hier beißt sich Renate Magerle bisher buchstäblich die Zähne aus. „Wenn die Gemeinden des Bezirks pro Einwohner einen Euro finanzieren, wäre der Bedarf gedeckt“, betont Magerle, die noch an einer zweiten Front zu kämpfen hat: Der Kampf um die Anerkennung als Frauenservicestelle, um auch mehr Geld lukrieren zu können. „Wir erfüllen alle Kriterien bis auf eines: Wir bräuchten gleich viel Förderung einer Gebietskörperschaft, wie die zu erwartende Förderung des Bundes. Hier beißt sich die Katze in den Schwanz“, ärgert sich REante Magerle, die den Kampf aber nicht aufgeben will. Margret Klausner

Bild: Eva Pawlata, Beraterin Melanie Pumberger, Obfrau Renate Magerle, Denitsa Vusheva, Verena Elvira Hauser, Marianne Hörl sowie Martin Reisenzein präsentierten erschreckende Zahlen (v.l.). Foto: Egger

Die Geschichte - Das Zentrum in Zahlen
Das Mädchen- und Frauenberatungszentrum Bezirk Kitzbühel wurde vom Soroptimist Club Kitzbühel initiiert. Die Beratungsstelle wurde eim Oktober 2010 eröffnet.  Bereits im Mai 2011 war die erste Notwohnung bezugsfertig. Derzeit können acht Frauen mit ihren Kindern für begrenzte Zeit untergebracht werden. Vier angestellte Beraterinnen sowie vier Ehrenamtliche kümmern sich derzeit um die Frauen.

 
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