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Kitzbüheler Anzeiger
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Vor einigen Wochen wurde die neue Kaufkraftanalyse in der Wirtschaftskammer Kitzbühel vorgestellt. Im Bild von links: Elfriede Klingler (GF Regionalmanagement Kitzbüheler Alpen), Stefan Niedermoser (GF Regionalmanagement Regio3), Bgm. Stefan Jöchl (Obmann Regio3), Studienautor Roland Murauer (CIMA) und Wirtschaftskammerobmann Hermann Huber.

Wie geht’s unserem Einzelhandel?

Das Erscheinen einer Studie ist normalerweise keine sehr bedeutende Wegmarke. Die umfassende Kaufkraftanalyse unserer Region jedoch schon, denn bereits die erste Auflage setzte vor sieben Jahren einen nachhaltigen Veränderungsprozess in Gang, der bis heute anhält. Es lohnt sich daher, sich die frischen Ergebnisse genau anzusehen, denn sie sagen nicht „nur“ etwas über unseren Einkaufsstandort aus, sondern geben auch Einblick in die wirtschaftliche Befindlichkeit unseres Bezirks.

Das fängt bereits bei den Faktoren an, die unsere Kaufkraft beeinflussen. Ein Beispiel: Während das Bundesland Tirol bis zum Jahr 2040 einen Bevölkerungszuwachs von 4,6 Prozent erwartet, zeigt die Prognose für den Bezirk Kitzbühel ein Minus von 3,1 Prozent an. Die einfache Rechnung: Weniger Menschen im Bezirk, weniger Kaufkraftvolumen. Die Studie warf ebenso einen Blick auf die Entwicklung der Arbeitsstätten im Untersuchungsgebiet: „Eine hohe Anzahl von Beschäftigten vor Ort stellt für die lokale Wirtschaft, insbesondere den Einzelhandel, die konsumnahen Dienstleister sowie Gastronomiebetriebe ein interessantes Kundenpotenzial dar“, heißt es dazu von Studienautor CIMA. Zwischen 2012 und 2022 zeigt die Datenlage für die Regio 3 ein Plus von über 17 Prozent bei den Arbeitsstätten an, auch die beteiligten Brixentalgemeinden Kirchberg, Brixen und Westendorf legten in diesem Zeitraum diesbezüglich um 8,7 Prozent zu. Die touristische Intensität gibt ebenso Aufschluss über den Standort – es dürfte nicht verwundern, dass sie ein bedeutender Wirtschaftsfaktor in der Region ist. Somit darf das als Aktivposten für den Standort angeführt werden.

Kaufkraft je Einwohner – das Marktpotenzial
Der regionale Kaufkraftindex setzt die örtliche Kaufkraft in Relation zum Österreich-Schnitt. Der tirolweite Kaufkraftindex je Einwohner beläuft sich z.B. auf 93 Prozent vom österreichischen Durchschnittswert. Die meisten Gemeinden im untersuchten Gebiet liegen darunter – mit Ausnahme von Kitzbühel und Kirchberg die mit 116,1 Prozent bzw. 101,9 Prozent zum Teil deutlich darüber rangieren. Die absolute Kaufkraft pro Einwohner der Regio 3 in Zahlen ausgedrückt: 25.499 Euro. Insgesamt verfügen die rund 43.500 Einwohner des Regio3-Gebietes im Jahr 2024 über 265,8 Millionen Euro an Kaufkraftvolumen, das für den Einzelhandel relevant ist. „Das entspricht einem deutlichen Zuwachs von 29 Prozent gegenüber 2018“, heißt es dazu. Die drei beteiligten Brixental-Gemeinden verfügen zusammen über ein entsprechendes Volumen von 72,4 Millionen Euro – ein Plus von 21 Prozent gegenüber dem Jahr 2018.

Kaufkraft

Wie gut gelingt es unserer Region, die Kaufkraft zu halten? Die kurze Antwort lautet: Immer schlechter. Die Einkaufstreue der Kunden nahm deutlich ab, der größte Konkurrent sitzt dabei nicht unter den Nachbarn, sondern weit entfernt: Es sind die internationalen Online-Riesen, die die Sahne abschöpfen. Die gesamte Eigenbindung der Kaufkraft liegt für die Regio 3 bei 75 Prozent. Das klingt auf den ersten Blick nicht schlecht, der Wert ist gegenüber der letzten Betrachtung aber um vier Prozent geschrumpft. Immerhin: Waren des kurzfristigen Bedarfs – insbesondere Lebensmittel – werden zu 91 Prozent vor Ort gekauft. Das ist in den vergangenen Jahren in der Regio 3 nahezu gleichgeblieben, in den Brixentalgemeinden stieg dieser Wert sogar von 61 auf 79 Prozent. Bei Waren des mittelfristigen Bedarfs – wie z.B. Mode, Bücher oder Elektrogeräte – „beginnt das Match, ob ich ein attraktiver Einkaufsstandort bin“, sagt Studienautor Roland Murauer von der CIMA. Und hier sieht es schon schlechter aus. Der Standort bindet in diesem Bereich 59 Prozent der eigenen Kaufkraft – um fünf Prozent weniger als noch bei der ersten Studie aus dem Jahr 2018.

Kaufkraftbindung in der Regio3 nahm ab
Die Kaufkraftbindung in der Region Regio3 liegt aktuell bei 75 Prozent – das entspricht einem Rückgang um vier Prozent im Vergleich zu 2018. In den drei beteiligten Gemeinden des Brixentals beträgt der Wert 47 Prozent, ebenfalls ein Minus von vier Prozent.

St. Johann weiterhin führend
St. Johann behauptet sich als einer der zentralen Einkaufsstandorte im Bezirk Kitzbühel: Bereits 2018 lag die Kaufkraftbindung bei 73 Prozent, aktuell bei 72 Prozent – ein Rückgang von lediglich einem Prozentpunkt. Die Stadt Kitzbühel weist eine Kaufkraftbindung von 54 Prozent auf (minus drei Prozent), Fieberbrunn hält mit 53 Prozent exakt das Niveau von vor sieben Jahren.

Kaufkraftzuflüsse rückläufig
Die Kaufkraftzuflüsse aus externen Kundengruppen summieren sich derzeit auf 149,5 Millionen Euro – ein Rückgang um 13 Prozent seit 2018. Besonders betroffen ist der touristische Anteil am Handelsumsatz: In der Stadt Kitzbühel sank dieser von 63 auf 53 Prozent, in St. Johann von 20 auf acht Prozent. Auch im Brixental ist ein Rückgang zu verzeichnen – von 48 auf 44 Prozent.

Kaufflüsse

Mehr Abflüsse – besonders Richtung Online
Die Region verlor im Beobachtungszeitraum Teile ihres Einzugsgebiets, etwa aus dem angrenzenden Bundesland Salzburg. Insgesamt beträgt der Kaufkraftabfluss in der Regio3 rund 25 Prozent des Gesamtvolumens, konkret 63,4 Millionen Euro. Der größte Abflusskanal ist der Online-Handel mit 39,9 Millionen Euro – ein Anstieg von 153 Prozent gegenüber 2018. Im Brixental liegt der Kaufkraftverlust bei 35,1 Millionen Euro (53 Prozent des Gesamtvolumens), wovon 12 Millionen Euro auf den Online-Handel entfallen (plus 144 Prozent).

Einzelhandelsumsatz mit gemischter Entwicklung
Der Einzelhandelsumsatz in der Regio3 stieg insgesamt um ein Prozent. St. Johann verzeichnete ein Plus von drei Prozent auf 121,7 Millionen Euro, Fieberbrunn konnte um 22 Prozent auf 35 Millionen Euro zulegen. In Kitzbühel hingegen sank der Umsatz um zehn Prozent auf 126,6 Millionen Euro. Im Brixental ergibt sich in Summe ein Rückgang um sieben Prozent.

Bruttoflächenproduktivität: positive Entwicklung mit Ausnahmen
Die Bruttoflächenproduktivität – laut CIMA eine zentrale Kennzahl – stieg in der Regio3 um drei Prozent. In St. Johann wurde ein Plus von fünf Prozent verzeichnet, in Fieberbrunn sogar 17 Prozent. Kitzbühel hingegen verlor vier Prozent und liegt derzeit bei 3.980 Euro pro Quadratmeter. Im Brixental ergibt sich ein Minus von sieben Prozent.

Kaufflüsse von der Region

Kaufentscheidungen: Schnelligkeit, Preis und Produktauswahl entscheidend
Laut CIMA-Erhebung sind „schnelle Einkaufsmöglichkeiten“ das wichtigste Motiv bei der Wahl des Einkaufsstandorts – insbesondere bei der Altersgruppe der 30- bis 59-Jährigen (92 Prozent). Weitere wichtige Kriterien sind eine große Produktauswahl, eine angenehme Einkaufsatmosphäre sowie die Nähe zu weiteren Geschäften. Bei den über 60-Jährigen steht die Produktauswahl an erster Stelle, gefolgt von individueller Beratung.

Das bevorzugte Verkehrsmittel bleibt der eigene Pkw. Bei konkreten Kaufentscheidungen hat der Preis höchste Priorität – für 65 Prozent der Befragten ist er das wichtigste Kriterium. Auf Platz zwei folgen bekannte Marken, auf Platz drei persönliche Empfehlungen. Umweltfreundlichkeit liegt mit 29 Prozent auf Rang vier, Internetbewertungen spielen mit 17 Prozent eine untergeordnete Rolle.
Beim nachhaltigen Konsum legen 87 Prozent der Befragten Wert auf regionale und saisonale Produkte, 80 Prozent achten auf möglichst wenig Verpackung.

1: VERKAUFSFLÄCHEN STEIGEN LEICHT: Die Regio 3 verfügt aktuell über insgesamt 109.590 Quadratmeter Verkaufsfläche – ein leichtes Plus von einem Prozent. 34 Prozent davon liegen in den jeweiligen Ortszentren.
In den drei Brixental-Gemeinden Kirchberg, Brixen und Westendorf stehen 17.510 Quadratmeter Verkaufsfläche zur Verfügung (ebenfalls +1 Prozent), wovon 43 Prozent im Ortskern angesiedelt sind.

2: BETRIEBE SIND GUT AUFGESTELLT: Im Untersuchungsgebiet verfügt mehr als jeder zweite Handelsbetrieb über eine starke Position im Wettbewerb. In der Regio 3 erreichen beeindruckende 63 Prozent der Geschäfte einen hohen Wert in puncto Wettbewerbsfähigkeit. Auch im Brixental liegt dieser Anteil mit 55 Prozent auf einem bemerkenswerten Niveau. Am anderen Ende der Skala fällt nur ein kleiner Teil ins Hintertreffen: Lediglich neun Prozent der Betriebe weisen jeweils eine niedrige Wettbewerbsfähigkeit auf.

Studienautor Roland Murauer hatte bei den bisherigen Präsentationen nicht nur beeindruckende Zahlen dabei, sondern lieferte auch klare Handlungsempfehlungen. „In der Erhöhung des touristischen Handelsumsatzes steckt der größte Quick Win“, ist er überzeugt – denn sowohl Einheimische als auch Gäste zeigen sich derzeit aufgrund der allgemeinen Wirtschaftslage deutlich konsumzurückhaltender. Das gilt wie erwähnt für die gesamte Regio3 und das Brixental, besonders für St. Johann. Genau dort, so Murauer, habe die Marktgemeinde auch seine Hausaufgaben zu machen – ohne dass sich Handel und Tourismus gegenseitig den Schwarzen Peter an der Ist-Situation zuschieben. Als ersten Schritt regt er die Bildung einer interdisziplinären Arbeitsgruppe an, die entsprechende Strategien entwickelt. Dabei schreckt er auch vor sensiblen Debatten nicht zurück: etwa der Frage, ob die derzeitigen Öffnungszeiten wirklich an die Gäste-Bedürfnisse angepasst sind – oder die Geschäfte gerade dann geschlossen sind, wenn sich potenzielle Kundschaft im Ort befindet.

Um gegen den allgemeinen Druck auf den Handel gegenzusteuern empfiehlt das Beratungsunternehmen CIMA auf breiter Ebene und für die gesamte Region verschiedene Standortmaßnahmen: einen Einzelhandels-Masterplan 2035, eine Young-Talents-Offensive, ein Impulsprogramm zum Thema Leerstand sowie begleitende Marketingaktivitäten – vor allem im Pinzgau.

Als weitere Impulse nennt er die Erarbeitung eines Immobilien-Masterplans 2035. Ein Bereich ist hingegen bereits vorbildlich entwickelt und sollte künftig noch stärker kommuniziert werden: die hohe Servicequalität im stationären, inhabergeführten Einzelhandel – ein klarer Wettbewerbsvorteil gegenüber dem anonymen Onlinehandel, der künftig stärker „in die Auslage“ gestellt werden sollte.

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Kürzlich wurden die Detailergebnisse für die Marktgemeinde St. Johann im Rahmen einer eigenen Veranstaltung vorgestellt und analysiert. Von links: Roland Murauer (CIMA), Ortsmarketing-Geschäftsführerin Angelika Hronek, Vize-Bgm. Hubert Almberger und Bürgermeister Stefan Seiwald.
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