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Kitzbüheler Anzeiger

Verschollen auf der Alm

Zwei Sommer lang war ich Kühbub (Kiahbua) auf der Winkleralm im Jochberger Trattbach. Wir hatten auch acht Stück Ziegen auf der Alm; und über diese muss ich einfach ein nettes G‘schichterl schreiben.

Es war an einem Nachmittag so gegen 16 Uhr, wir waren gerade mit dem Melken fertig und alle Tiere wurden aus dem Stall getrieben. Jetzt begann meine Arbeit als „Mister“! Es war der „Hag“ (Stall) zum Saubermachen.
Das war sehr viel Arbeit, denn der Boden war ausgetreten und an jenem Tag war es noch dazu sehr heiß. Vorher mussten die Ziegen gemolken werden. Ich war gerade mit meiner Stallarbeit beschäftigt, da kamen die Ziegen bei der offenen Stalltüre herein und ich konnte nicht so schnell schauen, da waren sie schon über die Futterstiege hinauf gekraxlet auf die „Hoss“, das ist der Raum oberhalb des Stalles. Dort oben stand eine alte Bauerntruhe und drinnen waren die trockenen Futtermittel; Salz und Kleie gab es damals.

Ich nahm den Ochsenfiesel vom Haken und musste rauf zu den Ziegen um diese diebischen Geister zu vertreiben. Es packte mich ein kleines „Zörndl“, denn ausgerechnet die Glockenziege war die Anführerin der Herde. Sie bekam natürlich ein paar ordentliche Hiebe über den Rücken und darauf hin verschwanden sie, schneller als sie gekommen waren. Ich habe dann meine Arbeit fertig gemacht und alles war in Ordnung, so hatte ich es zumindest geglaubt.

Auch Ziegen können beleidigt sein

Denn am späten Abend hätten die Ziegen alle in ihrem Stall sein sollen, doch sie kamen die ganze Nacht nicht. Auch noch am nächsten Vormittag war keine von ihnen in Hüttennähe spürbar. Dann begann natürlich die Suche nach den Tieren. Überall wurde geschaut, nirgends waren sie, die Ziegen. Und wieder geschaut und wieder nichts gesehen. „O Schreck“ – plötzlich konnte ich sie erkennen, sie waren halbs am Kleinen Rettenstein, mitten im steilsten Berg- und Felsgelände; genau auf halber Höhe zwischen der Hochalm und dem Gipfelgrat.

Schwierige Rettungsaktion

Wie sie dort hinaufgekommen waren, weiß ich auch nicht und kann es nicht verstehen. Sie stehen einer „Gams“ (Gemse) wohl nicht viel nach und können wie diese auch ein wenig klettern. So sind sie nun dort hoch oben, alle acht auf einem schmalen Felsband und kommen scheinbar nicht mehr herunter.

Ich habe sie wohl (mit dem Schlagen auf der Hoss) derart beleidigt, dass sie einfach auf und davon sind und nun zum Trotz nicht mehr heimgehen. So blieb mir nichts anderes übrig, als die Tiere aus ihrer Not zu befreien. Ich stieg hinauf in dieses schwierige Gelände und kam bis zu den Tieren hin. Jede einzelne hob ich nun von dieser abschüssigen Stelle hinweg zu einem leichteren Felsband, von wo sie dann selber wieder talwärts sprangen.

Während dieses Rettungsversuches kam aber der Winklerbauer auf die Alm und sah nach dem Rechten. Er fragte ob alles in Ordnung sei und der Melker sagte: „Ja!“ - „Und wo ist der Kühbub?“, fragte der Bauer. „Der Örg, ja der ist zum Rettenstein hinauf, denn die Goaß haben sich verstiegen“, war die Antwort des Melkers. Da nahm der Bauer das Fernglas und beobachtete meine nicht ungefährliche Rettungsaktion.

Und sein Kommentar war: „Wenn der des no amoi tuat, dann schiaß i eam mit samt de Goaß oba!“ Er mochte nämlich nicht, dass sich ein Mensch (seine Dienstboten und Knechte) wegen einem Tier in eine solche Gefahr begibt. Als die Ziegen dann wieder alle in ihrem Stall waren, bekamen sie von mir Streicheleinheiten und Lob und a „guats Gleck“ (Stärke-Futter).

Innerlich aber war mir noch nicht ganz danach, denn erst jetzt wurde auch mir bewusst, in welche Gefahr ich mich begeben hatte. Und so schossen viele Gedanken durch meinen Kopf und hinsichtlich der Tiere war „Sauviecha“ vielleicht nur einer der geringeren Ausdrücke; aber das möchte ich jetzt hier nicht mehr weiter ausführen.
Georg Jöchl,
Jochberger Ortschronist

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