Unterbürg: Entscheidung liegt beim Gemeinderat
Das Thema Unterbürg und die Ablehnung einer Volksbefragung erhitzt nach wie vor die Gemüter. St. Johanns Bürgermeister Stefan Seiwald informiert über den aktuellen Stand der Dinge.
St. Johann | Seit bereits vier Jahren laufen die Vorbereitungen für das interkommunale Gewerbegebiet Unterbürg. Unternehmen aus St.Johann , Going und Reith sollen sich dort ansiedeln können. Im Gespräch mit dem Anzeiger informiert er über den Stand der Dinge:
Nach dem Informationsabend und der Ablehnung der Volksbefragung scheint die Causa Unterbürg derzeit stillzustehen. Wie ist der Stand der Dinge?
Es liegen unzählige Gutachten von Sachverständigen aus allen Bereichen vor, die bestätigen, dass Unterbürg die beste Wahl ist und die grundlegenden Fragen abgeklärt sind. Derzeit werden jedoch keine weiteren operativen Schritte gesetzt, also Bestellungen oder Aufträge vergeben. Im Klartext heißt das, dass seitens der Gemeinde auch kein Geld aufgewendet wird.
Hat diese stockende Entwicklung nur etwas mit der derzeitigen politischen Diskussion zu tun oder auch mit der herrschenden Rezession?
Es war immer klar, dass Unterbürg nicht innerhalb kürzester Zeit zugepflastert werden soll, sondern unsere Grundreserven für die nächsten 20 bis 30 Jahre darstellt. Auch wenn wir derzeit eine Rezession haben, können wir davon ausgehen, dass es danach wieder einen Aufschwung geben wird. Wenn der Druck derzeit also nicht so groß ist, ist das für die Umsetzung eher positiv.
Ein Argument für das Gewerbegebiet ist die drohende Abwanderung von Unternehmen. Ist die Lage wirklich so prekär?
Derzeit haben wir bereits fünf oder sechs Unternehmen, die nicht mehr lange warten können. Die Verantwortlichen machen mir Druck. Einige sind auch dabei, bereits konkrete Schritte zur Abwanderung zu setzen. Es wäre uns natürlich wichtig, diese Firmen zu halten und ihnen entsprechende Möglichkeiten zur Verfügung zu stellen, damit sie weiterhin in St. Johann bleiben können. Daran hängen Arbeitsplätze, die sonst verloren sind.
Es wird auch immer wieder mit den Auswirkungen auf den Gemeindehaushalt argumentiert, sollte das Gewerbegebiet nicht kommen. Gibt es hier konkrete Zahlen?
Fakt ist, dass es Auswirkungen auf den Gemeindehaushalt geben wird. Hierfür gibt es bereits einige Beispielbetriebe mit exakt verfügbaren Zahlen, was die Gemeinde verliert, wenn diese woanders hin siedeln. Wenn man die derzeitige Situation der Gemeindefinanzen betrachtet, geht es um jeden Cent. Die Kosten für Kinderbetreuung, für Seniorenbetreuung, für Schulen und Gesundheit explodieren buchstäblich. Für die Gemeinde sind die Einnahmen die von Arbeitsplätzen im Ort kommen, überlebensnotwendig.
Die Bacherkreuzung und auch die Fernwärme müssen für das Gewerbegebiet ausgebaut werden. Sind diese Projekte vom Tisch, wenn Unterbürg nicht kommt?
Fest steht, dass der Umbau der Bacherkreuzung unabhängig vom Gewerbegebiet umgesetzt werden muss. Es handelt sich hier um eine äußerst unfallträchtige Stelle, die entschärft werden muss. Der Ausbau der Fernwärme, die derzeit schon läuft, ist ohne Unterbürg ein Verlustgeschäft. Es rechnet sich erst, wenn Abnehmer aus dem Gewerbegebiet dazukommen.
Es gibt auch zahlreiche Kritiker des Projektes – etwa die „Freunde des Niederkaiser“, die rund 1.400 Unterschriften gesammelt haben, um eine Volksbefragung zu erzwingen. Wie sehen Sie das?
Ich möchte klarstellen, dass die Initiative immer von 1.100 Stimmen gesprochen hat, die es für den Volksbefragungs-Antrag braucht. Das stimmt so nicht – St. Johann hat über 8.000 Wahlberechtigte. Das wären über 1.300 Unterschriften, die nötig sind. Das haben wir den Initiatoren auch mehrfach mitgeteilt. Die Unterschriftsprüfung ist inzwischen positiv abgeschlossen – die Stimmenanzahl reicht knapp aus.
Die Unterschriften wurden geprüft, sind ausreichend und gültig. Der Antrag auf eine Volksbefragung wurde trotzdem abgelehnt. Warum?
Der negative Bescheid der Marktgemeinde musste leider ausgestellt werden, weil aus Sicht der Juristen maßgebliche Parameter der von der Tiroler Gemeindeordnung geforderten Voraussetzungen für eine Volksbefragung, nicht erfüllt, nicht enthalten waren bzw. negiert wurden.
Die Kritik über die Ablehnung ist groß. Man wirft der Gemeinde mangelnde Schneid vor. Wie sehen Sie das?
Die Initiatoren wurden nachweislich und freundschaftlich bereits Wochen vor Einbringung mehrmals darauf aufmerksam gemacht, dass Auswirkungen auf den Gemeindehaushalt bei einer Volksbefragung behandelt werden und Bestandteil dieser sein müssen. Auch in einer öffentlichen Gemeinderatssitzung wurde darauf hingewiesen. Diese Hinweise wurden nie aufgegriffen oder reflektiert. Im Gegenteil: Dieses Argument wurde von den Initiatoren unter dem Titel „nicht genau berechenbar“ – deshalb „Keine Auswirkung auf den Gemeindehaushalt“ abgetan. Es mag sein, dass die Auswirkungen auf den Gemeindehaushalt nicht ganz exakt berechnet werden können, weil viele davon in der Zukunft liegen, aber in jedem Fall hat es Auswirkungen in Millionenhöhe. Äußerst realistische Berechnungen wurden den Initiatoren durch die Finanzabteilung der Marktgemeinde zur Verfügung gestellt.
Die Initiatoren betonen, dass eine ähnliche Fragestellung bei der Volksbefragung im Pitztal zum Thema Gletscherskigebiete sehr wohl zugelassen wurde.
Bei der Volksbefragung im Pitztal standen Seilbahnunternehmen im Fokus, bei uns geht es um die Gemeinde – also die öffentliche Hand und den Gemeindehaushalt. Das ist ein großer Unterschied.
Es wird Ihnen vorgeworfen, undemokratisch zu agieren. Wie sehen Sie das?
Nicht ich als Stefan Seiwald habe die Volksbefragung abgelehnt, es war eine juristisch notwendige Entscheidung. Ich kann das ja gar nicht einfach so entscheiden und das Recht beugen. Außerdem ist das Thema Volksbefragung nicht vom Tisch.
Das heißt also, diese könnte doch noch stattfinden?
Selbstverständlich. Neben der juristischen Komponente gibt es auch eine politische. Im Gemeinderat wird das Thema Unterbürg in jedem Fall wieder auf der Tagesordnung stehen.
Die Abstimmungen zu Unterbürg waren meist einstimmig. Obwohl Sie selbst ja bei vielen Beschlüssen gar nicht dabei waren. Wie kommt`s?
Das Areal wurde schon vor vier Jahren vom Bodenfonds angekauft – zu diesem Zeitpunkt war ich nicht im Gemeinderat, geschweige denn Bürgermeister. Ich war damals also gar nicht involviert, als die ersten Beschlüsse über das geplante Areal gefasst wurden. Bei der Wahl 2022 war Unterbürg großes Thema. Es wurde auch betont, dass wir es dringend brauchen. Damals hat jeder, der den Gemeinderat gewählt hat, gewusst, dass Unterbürg geplant ist. Keine der Parteien hat sich im Wahlkampf gegen Unterbürg engagiert – auch nicht die Grünen. Der Großteil der Abstimmungen wurde vom Gemeinderat einstimmig beschlossen. Wenn es jetzt wieder im Gemeinderat diskutiert werden wird, ist das bestimmt auch ein Thema.
Das Gespräch führte Margret Klausner