
Tourismus on Tour
Beim vorerst letzten Stopp der Dialogreihe „Tourismus on tour“ wurde u.a. über den Mitarbeitermangel und das schlechte Image diskutiert.
Diskutieren auf Augenhöhe und erfahren, wo der Schuh drückt – im Rahmen des Dialogformates „Tourismus on tour“ luden vergangene Woche LR Mario Gerber und Tirol-Werberin Karin Sailer nach Hopfgarten. Der vorerst letzte Stopp lockte mit dem Thema „Lebensraum Tirol: Arbeiten wo andere Urlaub machen“. Rund 60 Personen – vornehmlich Touristiker aus dem ganzen Bezirk – diskutierten im Sportresort Hohe Salve mit. Am Podium saßen überdies die WIFO-Expertin Anna Burton und der stellvertretende Geschäftsführer des AMS Tirol, Johannes Schranz.
Die angesprochenen Themen waren vielfältig, tourismuskritische Meldungen kamen kaum – eine Sorge allerdings stand ganz oben auf der Agenda: der Mitarbeitermangel. Auch das schlechte Image wurde angesprochen. „Wir haben vergessen, auf uns stolz zu sein“, meinte dazu Anton Pletzer, der die Pletzer Gruppe mit Hotelresorts und Bergbahnen aufgebaut hat. Einig war man sich auch darüber, dass der Tourismus als wichtigster Wirtschaftszweig in Wien nicht so wahrgenommen wird.
„Der Tourismus ist der Kernwirtschaftsbereich in Tirol. In der Hauptsaison sind in dieser Branche allein in den Sektoren Gastronomie und Beherbergung ca. 50.000 Menschen beschäftigt – ohne die Seilbahn-, Freizeit- und Sportwirtschaft mitzurechnen“, betonte WIFO-Expertin Anna Burton.
Damit sei diese Branche in Tirol doppelt so wichtig wie im restlichen Österreich. In der Nebensaison hingegen sind im Tourismus nur halb so viele Menschen beschäftigt. „Es gibt zwar Wiedereinstellungszusagen für den Sommer, aber es muss noch mehr getan werden, um die Arbeitskräfte in der Branche zu halten. Einzelbetriebe engagieren sich hier bereits, doch dieses Engagement könnte auch auf regionaler und politischer Ebene umgesetzt werden, was in Tirol schon in vielen Regionen gelingt“, so die Ökonomin am Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO).
Demografischer Wandel überstrahlt
Johannes Schranz, der stv. Landesgeschäftsführer des AMS Tirol, ging auf die Zahlenlage des Arbeitsmarktes ein: „Der demografische Wandel ist der Faktor, der alles im Arbeitsmarkt überstrahlt. Dem Tourismus geht es da wie allen anderen Branchen. Bis 2035 werden uns 30.000 Mitarbeitende fehlen. Im Durchschnitt arbeiten wir zudem zwei Stunden weniger, was weiteren 20.000 Vollzeitäquivalenten entspricht. Deswegen braucht es Strategien, wobei wir im Tourismus im internationalen Vergleich absolut konkurrenzfähig sind. Der Arbeitsmarkt lebt hier von Zuzug und Migration. Die gelebte Gastfreundschaft ist sehr wichtig, auch gegenüber den Mitarbeitenden. Hier muss der Wandel von einer Willkommenskultur zu einer Bleibekultur stattfinden.“
Pletzer: „Bürokratie ist Katastrophe“
Der Hausherr und Geschäftsführer der Pletzer Gruppe, Manfred Pletzer, betonte: „dass das Wichtigste in unseren Betrieben unsere Mitarbeiter sind.
Neben den schwierigen quantitativen Rahmenbedingungen stelle auch die Qualität eine enorme Herausforderung dar. Bei den Tourismusbetrieben der Gruppe würden sich jedes Jahr rund 1.000 Personen bewerben. „Aktuell beschäftigen wir 350 Mitarbeitende und über 40 Auszubildende. Fehlende Arbeitskräfte werden durch mehr Effizienz, beispielsweise durch Digitalisierung und Automatisierung bei der Buchungsstrecke, ausgeglichen“, klärte Pletzer auf und stellte klar: „Jeder, der qualifiziert ist, soll hier arbeiten können. Wir müssen den Arbeitsmarkt international öffnen und dürfen ihn nicht weiter kontingentieren.“ Der Arbeitsmarkt sei ausgetrocknet. In Deutschland sei das anders.
Als Voraussetzung dafür, gute Mitarbeiter gewinnen zu können, sei inzwischen ein Mitarbeiterhaus essenziell. Auch ein Betriebskindergarten mit Öffnungszeiten von sieben bis 19 Uhr sei notwendig, erklärte Pletzer. Das früher obligatorische Zwölf-Quadratmeter- Zimmer sei nicht mehr zeitgemäß.
Die Bereitschaft für Überstunden sinke – hier sei die Besteuerung ein Hemmnis. Ähnlich sieht er dies bei der Trinkgeldbesteuerung. Er fordert mehr Netto vom Brutto und betonte: „Die Bürokratie bei uns ist eine Katastrophe.“ Dass Zuverdienstgrenzen überdies die Motivation bremsen, war aus dem Publikum ebenfalls zu hören. Die sinkende Bereitschaft Einheimischer einen Job in der Gastroszene anzunehmen, wurde ebenfalls beklagt. Es gäbe so gute Tourismusschulen im Land, doch nur 20 Prozent der Absolventen würden einen Job im Hotel- und Gastgewerbe annehmen. Andere Branchen würden intensiver um die Jugend werben, hier müssten die Touristiker noch etwas lernen.
Wie Landesrat Mario Gerber betonte, „dürfen Pensionisten nicht gestraft werden, wenn sie noch arbeiten.“ Nicht nur die Rekrutierung sei wichtig, sondern auch die Imagepflege. „Von ‚Tourismusforum on Tour‘ nehme ich wichtige Impulse in meine politische Arbeit mit und versichere, dass ich weiterhin mit der Tiroler Bevölkerung in den Austausch gehen möchte.
Karin Seiler: „Ehrlicher Austausch“
Nach den heurigen vier Stopps des Dialogformats ist geplant, dieses künftig fortzuführen und weiter auszubauen“, resümiert der Landesrat für Wirtschaft, Tourismus und Digitalisierung, Mario Gerber. Zufrieden zeigte sich auch Tirol-Werberin Karin Seiler: „Auch beim vierten Halt hier in Hopfgarten fand ein ehrlicher Austausch zum Tourismus samt seinen Chancen und Herausforderungen statt. Danke an alle, die bei den vier Stationen dabei waren und so den Tourismus aktiv weiterentwickeln“ – und ergänzt zum Thema des Abends: „Mit rund 70 Prozent hat Tirol im Österreich-Vergleich den höchsten Stammgästeanteil. Die Marktforschung zeigt, dass dies auf die gelebte Gastfreundschaft in Tirol zurückzuführen ist. Der persönliche Kontakt ist die DNA unseres Tourismus.“ Sie stellte überdies klar, dass etwa auch das Tiroler Freizeitticket auf die Touristen zurückzuführen ist. Solche Zusammenhänge gelte es zu vermitteln. Für Seiler ein weiterer wichtiger Punkt für den touristischen Erfolg: der Ganzjahrestourismus.