09. Januar 2008
aktualisiert: 11.04.12, 09:40 Uhr
Der Senior unter Österreichs Bergrettern
Die Laufbahn des Bergretters Adolf Englacher begann als Jugendlicher mit zwei Schlüsselerlebnissen in seiner Heimatgemeinde Kaprun. Gleich zweimal wurde der begeisterte und ausgezeichnete Skifahrer von Lawinen erfasst bzw. verschüttet, zweimal waren es Hunde, die für eine rasche Rettung sorgten. „Ich werde sicher einmal Hundeführer“, schwor er sich als Dank. Die Jahre vergingen, Tierfreund Englacher verschlug es nach Kitzbühel. Da spielte der Zufall eine Rolle. Ein Wahlkitzbüheler zog zurück in seine Heimat Deutschland. Die Übersiedelung wäre kein Problem gewesen, wenn es da nicht einen jungen Hund gegeben hätte. Einen langhaarigen Schäferrüden, der auf den Namen Assat hörte.
Es kam, wie es kommen musste: Assat zog bei den Englachers ein. „Es hat damals in Kitzbühel keinen Lawinenhund gegeben“, erinnert er sich, „wir haben Assat dank der Unterstützung dreier St. Johanner Hundeführer ausgebildet.“ Es begann mit einem Fehlstart: Nach dem ersten Kurs im Sellraintal schnitt er bei einer Skifahrt mit einer Stahlkante Assat eine Sehne ab. Nach einer Operation gesundete der Hund, steckte das Erlebnis weg und wurde zu einem der besten Suchhunde.
Nach 40 Jahren kann sich der Bergretter an seinen ersten Einsatz gar nicht mehr erinnern. In seinem Gedächtnis hingegen unauslöschlich haften blieb ihm das große Lawinenunglück 1974 auf dem Hahnenkamm, bei dem neun Menschen ums Leben kamen.
Aufgeben gibt es nicht
Das Leben eines Bergretters hat Höhen und Tiefen: Höhen, wenn es gelingt, einen Vermissten oder Verschütteten lebend zu retten, Tiefen, wenn alle Anstrengungen vergeblich waren. „Ich komme im Laufe der Jahre auf 700 Einsätze“, bilanziert Englacher. „Leider führe ich in der Statistik bei den Totbergungen.“ Dies ist auf seine Zähigkeit zurückzuführen. „Ich suche auch weiter, wenn es nach menschlichem Ermessen keine Chancen mehr gibt.“ So etwa machte er sich in der Wildschönau tagelang auf den Weg und fand dank seines Hundes einen Vermissten. Das gleiche gilt auch für einen Fall in Osttirol, wo eine Rodlerin unter eine Lawine kam und erst Wochen später von Englacher gefunden werden konnte. „Man ist das den Angehörigen schuldig, die sich auch dafür besonders bedankten.“ Nicht selten endet ein Einsatz aus einer Mischung von Ärger und Erleichterung. Ärger, wenn bei Nacht, Kälte und Schneefall stundenlang gesucht wird, der Vermisste aber dann, oft dank Alkohol gut aufgelegt, in einem Gasthaus gefunden wird. Nur die Tatsache, dass er oder sie leben, sorgt für Aufatmen. Kurios aber auch die nächtliche Suche nach zwei kleinen Kindern. Sie hatten im Freien gespielt und waren plötzlich wie vom Erdboden verschluckt. Stunden später wurden sie entdeckt: Im Hotel, friedlich schlafend. Allerdings in einem fremden Zimmer.
Suche nach der eigenen Tochter
Der 18. Oktober 2001 bleibt Englacher bis an sein Lebensende in Erinnerung: Die Suche nach der eigenen Tochter. „Ich war am Kitzbüheler Horn auf einer Liftbaustelle beschäftigt, als sie mich besuchte“, schildert er. „Sie verabschiedete sich dann, um nach Hause zu gehen.“ Nach der Rückkehr von der Arbeit fragte die zweite Tochter, wann denn die Eva nach Hause kommen wird. „Sie müsste doch schon längst da sein, da muss etwas passiert sein“, schoss es dem besorgten Vater durch den Kopf. „Ich habe mich dann auf den Weg gemacht, konnte sie aber nicht finden. Deshalb habe ich Bergrettungschef Hugo Haidegger verständigt, der eine Großaktion auslöste. Erst um 4 Uhr früh kam die Erlösung: Bergrettungskollegen hörten Hilferufe einer Frau, die im so genannten Zugloch abgestürzt war. Stark unterkühlt wurde sie aus dem unwegsamen Gelände geborgen und ins Krankenhaus Kitzbühel gebracht. „Sie hatte auf dem Nachhauseweg noch eine Rast eingelegt. Als sie aufstand, hörte sei ein Geräusch, dem sie aber keine Beachtung schenkte. Unterwegs stellte sich heraus, dass sie den Schlüsselbund verloren hatte. Sie machte sich auf den Rückweg zum Rastplatz. Zwar fand sie den Bund, beim Weg ins Tal geriet sie aber wegen der Verspätung in die Dunkelheit.“ Weil Nebel und Regen einsetzten, sah sie kaum noch die Hand vor den Augen – sie kam vom Weg ab, das Unglück nahm seinen Lauf.
Die Kondition stimmt
Mit 71 Jahren ist Adolf Englacher der älteste Hundeführer Österreichs, mit 40 Jahren Mitgliedschaft der am längsten dienende Hundeführer Tirols. Auch in diesem Winter steht Adolf Englacher erneut auf jener Liste der Bergretter, die im Notfall verständigt werden. „Ich kann mit meiner Kondition durchaus mit jüngeren Kollegen mithalten“, sagt Englacher. Auch die zu absolvierenden Kurse, die verpflichtend sind, stellen für den 71-Jährigen alles andere als eine Plage dar.
Die Haltung eines Vierbeiners hat ihren Preis: „Ein Hund kostet mit der Versicherung sicher so viel wie ein Kind“, vergleicht der dreifache Urgroßvater. „Allein an Futterkosten fallen pro Monat an die 100 Euro an.“ Bis ein Hund voll ausgebildet ist, gehen gut 15.000 Euro auf. Schon aus diesem Grund muss auf seine Gesundheit besonders geachtet werden. „Die Kreuzbandoperation eines meiner Hunde kostete 1000 Euro.“ Neun Vierbeiner hatte und hat Englacher gehalten. Derzeit sind es der viereinhalb Jahre alte, voll einsetzbare „Baldo“ und der 17 Monate alte „Nero“.
Die Anerkennung im Dienst für den Nächsten hält sich in Grenzen. Von Zeit zu Zeit spendet jemand einen Sack Futter, vom Land Tirol kommen alljährlich 200 Euro als Zuschuss für den Tierarzt. Einmal wurde er groß vor den Vorhang gebeten. Vor fünf Jahren stand das Jahr bundesweit im Zeichen der Freiwilligen. Für die Bergretter durfte Englacher samt Hund nach Wien reisen. Bei einem großen Festakt wurden ihm stellvertretend für alle Hundeführer Österreichs vom damaligen Sozialminister Herbert Haupt eine Urkunde und eine Glasvase als Dank und Anerkennung überreicht.
Zu mehr als 400 Senioren im Bezirk Kitzbühel kommt Adolf Englacher auch ins Haus. Für das Rote Kreuz betreut er jene Hausnot-Einrichtung, mit der alleinstehende Personen rund um die Uhr um Hilfe rufen können.
Es kam, wie es kommen musste: Assat zog bei den Englachers ein. „Es hat damals in Kitzbühel keinen Lawinenhund gegeben“, erinnert er sich, „wir haben Assat dank der Unterstützung dreier St. Johanner Hundeführer ausgebildet.“ Es begann mit einem Fehlstart: Nach dem ersten Kurs im Sellraintal schnitt er bei einer Skifahrt mit einer Stahlkante Assat eine Sehne ab. Nach einer Operation gesundete der Hund, steckte das Erlebnis weg und wurde zu einem der besten Suchhunde.
Nach 40 Jahren kann sich der Bergretter an seinen ersten Einsatz gar nicht mehr erinnern. In seinem Gedächtnis hingegen unauslöschlich haften blieb ihm das große Lawinenunglück 1974 auf dem Hahnenkamm, bei dem neun Menschen ums Leben kamen.
Aufgeben gibt es nicht
Das Leben eines Bergretters hat Höhen und Tiefen: Höhen, wenn es gelingt, einen Vermissten oder Verschütteten lebend zu retten, Tiefen, wenn alle Anstrengungen vergeblich waren. „Ich komme im Laufe der Jahre auf 700 Einsätze“, bilanziert Englacher. „Leider führe ich in der Statistik bei den Totbergungen.“ Dies ist auf seine Zähigkeit zurückzuführen. „Ich suche auch weiter, wenn es nach menschlichem Ermessen keine Chancen mehr gibt.“ So etwa machte er sich in der Wildschönau tagelang auf den Weg und fand dank seines Hundes einen Vermissten. Das gleiche gilt auch für einen Fall in Osttirol, wo eine Rodlerin unter eine Lawine kam und erst Wochen später von Englacher gefunden werden konnte. „Man ist das den Angehörigen schuldig, die sich auch dafür besonders bedankten.“ Nicht selten endet ein Einsatz aus einer Mischung von Ärger und Erleichterung. Ärger, wenn bei Nacht, Kälte und Schneefall stundenlang gesucht wird, der Vermisste aber dann, oft dank Alkohol gut aufgelegt, in einem Gasthaus gefunden wird. Nur die Tatsache, dass er oder sie leben, sorgt für Aufatmen. Kurios aber auch die nächtliche Suche nach zwei kleinen Kindern. Sie hatten im Freien gespielt und waren plötzlich wie vom Erdboden verschluckt. Stunden später wurden sie entdeckt: Im Hotel, friedlich schlafend. Allerdings in einem fremden Zimmer.
Suche nach der eigenen Tochter
Der 18. Oktober 2001 bleibt Englacher bis an sein Lebensende in Erinnerung: Die Suche nach der eigenen Tochter. „Ich war am Kitzbüheler Horn auf einer Liftbaustelle beschäftigt, als sie mich besuchte“, schildert er. „Sie verabschiedete sich dann, um nach Hause zu gehen.“ Nach der Rückkehr von der Arbeit fragte die zweite Tochter, wann denn die Eva nach Hause kommen wird. „Sie müsste doch schon längst da sein, da muss etwas passiert sein“, schoss es dem besorgten Vater durch den Kopf. „Ich habe mich dann auf den Weg gemacht, konnte sie aber nicht finden. Deshalb habe ich Bergrettungschef Hugo Haidegger verständigt, der eine Großaktion auslöste. Erst um 4 Uhr früh kam die Erlösung: Bergrettungskollegen hörten Hilferufe einer Frau, die im so genannten Zugloch abgestürzt war. Stark unterkühlt wurde sie aus dem unwegsamen Gelände geborgen und ins Krankenhaus Kitzbühel gebracht. „Sie hatte auf dem Nachhauseweg noch eine Rast eingelegt. Als sie aufstand, hörte sei ein Geräusch, dem sie aber keine Beachtung schenkte. Unterwegs stellte sich heraus, dass sie den Schlüsselbund verloren hatte. Sie machte sich auf den Rückweg zum Rastplatz. Zwar fand sie den Bund, beim Weg ins Tal geriet sie aber wegen der Verspätung in die Dunkelheit.“ Weil Nebel und Regen einsetzten, sah sie kaum noch die Hand vor den Augen – sie kam vom Weg ab, das Unglück nahm seinen Lauf.
Die Kondition stimmt
Mit 71 Jahren ist Adolf Englacher der älteste Hundeführer Österreichs, mit 40 Jahren Mitgliedschaft der am längsten dienende Hundeführer Tirols. Auch in diesem Winter steht Adolf Englacher erneut auf jener Liste der Bergretter, die im Notfall verständigt werden. „Ich kann mit meiner Kondition durchaus mit jüngeren Kollegen mithalten“, sagt Englacher. Auch die zu absolvierenden Kurse, die verpflichtend sind, stellen für den 71-Jährigen alles andere als eine Plage dar.
Die Haltung eines Vierbeiners hat ihren Preis: „Ein Hund kostet mit der Versicherung sicher so viel wie ein Kind“, vergleicht der dreifache Urgroßvater. „Allein an Futterkosten fallen pro Monat an die 100 Euro an.“ Bis ein Hund voll ausgebildet ist, gehen gut 15.000 Euro auf. Schon aus diesem Grund muss auf seine Gesundheit besonders geachtet werden. „Die Kreuzbandoperation eines meiner Hunde kostete 1000 Euro.“ Neun Vierbeiner hatte und hat Englacher gehalten. Derzeit sind es der viereinhalb Jahre alte, voll einsetzbare „Baldo“ und der 17 Monate alte „Nero“.
Die Anerkennung im Dienst für den Nächsten hält sich in Grenzen. Von Zeit zu Zeit spendet jemand einen Sack Futter, vom Land Tirol kommen alljährlich 200 Euro als Zuschuss für den Tierarzt. Einmal wurde er groß vor den Vorhang gebeten. Vor fünf Jahren stand das Jahr bundesweit im Zeichen der Freiwilligen. Für die Bergretter durfte Englacher samt Hund nach Wien reisen. Bei einem großen Festakt wurden ihm stellvertretend für alle Hundeführer Österreichs vom damaligen Sozialminister Herbert Haupt eine Urkunde und eine Glasvase als Dank und Anerkennung überreicht.
Zu mehr als 400 Senioren im Bezirk Kitzbühel kommt Adolf Englacher auch ins Haus. Für das Rote Kreuz betreut er jene Hausnot-Einrichtung, mit der alleinstehende Personen rund um die Uhr um Hilfe rufen können.