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Kitzbüheler Anzeiger

Die Schreibmaschine wurde zum Rettungsanker

Es gibt Menschen, die in der Kindheit und in der Jugend auf die Schattenseite gefallen sind, die aber einen sonnigen Lebensabend genießen können - nicht zuletzt aber nur durch eiserne Disziplin. Dazu zählt Sebastian Haselsberger, der sich nur als „Wastl“ vorstellt. Geboren wurde er 1939, als die Welt dabei war, aus den Fugen zu geraten. Die ersten Lebensjahre waren von bitterster Armut gekennzeichnet. „Ich wuchs auf dem Bauernhof eines Onkels in Going auf“, erzählt er. Eigentlich verdiente er den Ausdruck Bauernhof nicht, denn es war ein ausgebautes Waschhäuschen. Ohne Strom, ohne Wasser. „Wir mussten das Wasser von einem Bach holen.“ Schulbus war zu dieser Zeit ein Fremdwort - täglich marschierte Wastl drei Kilometer zur Schule und drei Kilometer nach Hause. Schon mit zehn Jahren musste er mitanpacken, bei der Feldarbeit oder im Wald. Sein Berufswunsch lautete Bäcker - um nie wieder hungern zu müssen. Ironie des Schicksals: Haselsberger wurde Weinvertreter - um beinahe im Alkohol zu ertrinken.

Sozusagen an der Quelle sitzend, steigerte sich der Alkoholkonsum von Tag zu Tag: Zuerst waren es die Weinproben, der Likör und andere eher leichte Alkoholika, mit der Zeit wurde es Hochprozentiges - klare, scharfe Schnäpse, die er in Unmengen in sich hineinschüttete. Neben dem körperlichen Zwang, immer wieder zum Alkohol greifen zu müssen, kam auch der berufliche Druck: Ein Weinvertreter, der keinen Alkohol trinkt, ist genauso wenig vorstellbar wie beispielsweise ein Bäcker, der gegen Mehl allergisch ist.

Doch Haselsberger erkannte sein Problem - und wollte es auf seine Art lösen: „Ich zog mich 1965 auf eine Alm zurück, um abstinent zu leben“, schildert er.  Was ihm beim besten Willen nicht gelang: „Ich trank das Petroleum aus der Lampe und verdünnte Essigessenzen“, erinnert er sich an seine Sucht. Seine Erkenntnis: Ohne professionelle Hilfe geht es nicht.

Seit zweiter Entziehung trocken

Doch auch die nützte nichts - vorerst. In Hall unterzog er sich 1966 einer Entwöhnungskur, um schon drei Wochen danach wieder an der Flasche zu hängen. Die Wende kam, als eine Frau in sein Leben trat: 1960 lernte er in Going die aus Rottendorf stammende Wiltrud kennen und lieben. Dennoch dauerte es 13 Jahre, ehe er dem Alkohol abschwören konnte. Nach drei Jahren Ehe unterzog er sich in Bayern einer Entziehungskur - im Wissen, danach nie mehr einen Tropfen Alkohol anrühren zu dürfen. Selbst ein Bonbon, gefüllt mit Likör oder ähnlichem, ist für Haselsberger tabu.

Eine Verfilmung scheiterte

Bei seinem Weg aus der Sucht entdeckte er eine Vorliebe. „Ich begann Gedichte zu schreiben. Zuerst in Hochdeutsch, dann in der Mundart“, erzählt er. Als Therapie landeten seine Werke fürs Erste in der Schublade. Als nächster Schritt folgte der Versuch, seine heutzutage unvorstellbar harte Jugend in Going niederzuschreiben. „Der Kleinhäusler“ taufte er das Buch, für das er mit dem Innsbrucker Berenkamp-Verlag auch einen Verleger fand. Für den „Kleinhäusler“ liegt auch ein Drehbuch vor, die Verfilmung scheiterte jedoch, weil der für die Hauptrolle vorgesehene  Schauspieler überraschend aus dem Leben schied.

Ein viel beachtetes Werk, welches auch für die Nachwelt von Bedeutung ist, schaffte er mit „Festgehalten“ - einem Wörterbuch für viele vergessene bzw. fast schon vergessene Ausdrücke aus dem Raum Kufstein und Kitzbühel. Es beginnt mit „aba“ bzw. „awa“ für aber und endet mit „Zwangä“ für ein kleines Stück (vom Kuchen, von der Schokolade oder auch vom Glück).

„Die Mundart ist die eigentliche Muttersprache“, findet Haselsberger. Wie sehr er zu ihr steht, verdeutlicht er mit der Organisation bzw. der Beteiligung an Mundarttreffen in Bayern und Tirol. Schon am Freitag, dem 23. Mai, steht ab 20 Uhr beim Stanglwirt in Going die mittlerweile bereits zwölfte derartige Veranstaltung auf dem Programm. „Oiso kemps, es zoit se aus“, steht auf der Einladung.
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