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A futuristic electric car driving on a snowy road surrounded by mountains_stock.adobe.comvon Charoen

Mobilität ist eine Typfrage

Auch wenn es jetzt mehr Antriebsarten, Mobilitätskonzepte und Perspektiven für den öffentlichen Verkehr gibt: Individuelle Mobilität wird auch in Zukunft noch wichtig sein, ist er überzeugt.

Mobilität ist im Umbruch: Nehmen Sie eine Verunsicherung der Kunden bezüglich der verschiedenen Antriebsarten wahr?
Es ist ganz klar, dass die Verunsicherung der Gesellschaft quer durch die Generationen sehr groß ist. Das Thema polarisiert. Die Diskussion hat der Branche nicht gutgetan. Vor 2015 war die „Automotive Industry“ eine sogenannte „Wanted Industry“ bei den jungen Menschen. Jetzt ist sie ziemlich nach unten gefallen. Die individuelle Mobilität hat einen negativen Touch erfahren dahingehend, dass man quasi ein Umweltsünder ist, wenn man mit dem eigenen Auto fährt. Das ist hausverschuldet in der Europäischen Union – in Amerika und Japan ist die Situation absolut nicht so.

Welche Rolle spielen Hybridfahrzeuge?
Die Wahl der individuellen Mobilität sollte technologieoffen sein. Die Hybrid-Mobilität ist z.B. ein Übergangsprodukt. Wenn ich im urbanen Bereich fahre, macht das Sinn, aber man darf nicht vergessen – ich habe einen Verbrennermotor und eine schwere Batterie, die ich mitnehmen muss. Wenn ich also im städtischen Bereich 50 bis 60 Kilometer elektrisch und damit emissionsfrei fahre, ist das sinnvoll. Wenn man lange Überlandfahrten zu bewältigen hat, fährt man im Fall von Hybrid meistens mit einem unterdimensionierten Verbrenner, der über den Zyklus mehr ausstößt, als wenn ich einen reinen Verbrenner hätte. Hybride haben also zwei Seiten: Im urbanen Bereich durchaus mit Berechtigung; wenn ich lange Überlandfahrten mache, stellt das zusätzliche Gewicht wie erwähnt ein Problem dar.

Welche Technologien machen für eine Region wie Kitzbühel Sinn?
Das sollte man jedem individuell überlassen. Was E-Mobilität betrifft, ist im ländlichen Bereich unter Umständen die Infrastruktur der Ladesäulen ein Thema. Nicht jeder hat sein eigenes Haus, wo man das installieren kann. Dann habe ich noch die Frage der Reichweite und was man ebenfalls nicht vergessen sollte: das Thema des Wiederverkaufswertes. Die Technologie ist so schnell fortgeschritten, dass vor allem die älteren Elektroautos praktisch keinen Wert mehr haben. Die Technologie wird weiter voranschreiten und noch mehr Reichweiten und höhere Effizienz erzielen. Gleichzeitig muss die EU meiner Meinung darüber nachdenken, ob sie sich mit dem Verbrennerverbot wirklich etwas Gutes tut. Ich glaube, sie müssen das aufweichen, weil sehr viele Jobs in Europa verloren gehen, die von den chinesischen Mobilbauern, die in Europa Fuß fassen wollen, aufgesaugt werden. Hier sollte man schon Augenmaß und Hausverstand walten lassen.

Die Verbrenner-Motoren wurden in den vergangenen Jahren optimiert.
Das ist wirklich gewaltig. Wenn z.B. ein Diesel in den 1970er-Jahren 15 bis 16 Liter verbraucht hat, mit einer kleineren Maschine, liege ich jetzt mit einer sauberen Verbrennung auch mit Katalysator bei Werten von 4 bis 6 Litern pro 100 Kilometer.

„Das Auto ist ein Investitionsgut. Die größte Investition für die Menschen ist ein Haus oder eine Wohnung. Das zweite ist das Auto.“ Günther Apfalter

Der Europäischen Autoindustrie wird nachgesagt, dass sie zu sehr auf die Optimierung der Verbrenner gesetzt hat. Kann sie es sich leisten, sich umzustellen? Ist eine Umstellung auf reine E-Autos überhaupt notwendig?
BMW hat es eindeutig richtig gemacht, die haben gesagt: Wir bauen das, was der Kunde will. Sowohl reine Elektrofahrzeuge, als auch Hybride bzw. Verbrenner-Fahrzeuge. Wenn man sich die Absatz-Zahlen anschaut, ist dieser Ansatz gut gewählt und auch die richtige Strategie. Bei neuen Produkten gibt es grundsätzlich die Gruppe der „Early Adopters“, die am Anfang alles Neue kaufen. Das ist so eine Kurve nach oben, dann geht die Kurve nach unten, schließlich pendelt sie sich auf einen gewissen Wert ein. Derzeit ist die Take-Rate bei E-Autos der Neukäufe in Deutschland und Europa auf unter 12 Prozent gefallen. Wir waren schon auf 30 Prozent. Das wird sich, schätze ich, zwischen 15 und 20 Prozent einpendeln.

Ist die Elektromobilität im ländlichen Bereich angekommen oder hat man den Einstieg verpasst?
Im urbanen Bereich wird sie sicher schneller ankommen – aus den vorher genannten Gründen. Sie wird auch im ländlichen Bereich ankommen, das wird natürlich von der Infrastruktur abhängen. Der Mensch ist ja bequem. Wenn ich einmal tanke und ich habe eine Reichweite von über 1.000 Kilometern bei Fahrzeugen der Mittelklasse, dann ist das etwas anderes, als wenn ich – vor allem im Winter dann 250 bis 300 Kilometer habe und mit Verbrauchern im Fahrzeug, wie Sitzheizung und ähnlichem, sparsam haushalten muss.

Ist absehbar, dass sich die Reichweite verbessert?
Das wird sich sicherlich verbessern, das ist eine natürliche Evolution. Man spricht immer vom Wandel in der Automobilindustrie. Das Automobil wurde vor über 100 Jahren von Carl Benz erfunden, seitdem ist ein ständiger Wandel. Beispiel Autonomes Fahren: 2018 wurde gesagt, dass wir alle bald nur noch auf der Rückbank des Autos sitzen werden. Das ist bekanntlich absolut nicht der Fall. Du musst es als Fahrer wollen, dass du dich 100-prozentig auf ein System verlässt.

Bleibt der Trend zum Individualverkehr auch künftig bestehen?
Ich glaube schon und das lässt sich auch statistisch belegen: In einer Großstadt habe ich ein stetiges Verkehrsaufkommen – zwar mit einer Rush Hour in der Früh und am Abend aber dennoch sind die öffentlichen Verkehrsmittel durchgehend belegt. Im ländlichen Bereich habe ich das in der Früh und am Abend. Regionale Bus- und Bahnlinien sind oftmals nicht kostendeckend. Eine Kombination der beiden Bereiche wie Park & Ride sind eine gute Lösung.

Ist das Auto als Besitzgut nach wie vor gefragt?
Ja, es ist ein Wanted Product, wegen der individuellen Freiheit, die es mit sich bringt. Das Auto ist kein Konsumgut, sondern nach wie vor ein Investitionsgut. Die größte Investition für die Menschen ist ein Haus oder eine Wohnung. Das zweite ist das Auto.

Wann wird duchschnittlich ein Auto angeschafft?
Das ist eine interessante Statistik: In meiner Generation – ich werde jetzt 65 – ist das erste Auto im Durchschnitt mit 22 Jahren angeschafft worden. Jetzt ist es so, dass es mit 27 Jahren gekauft wird, aber dann gleich ein größeres, weil ich mit Familie, Hund und Gepäck in Urlaub fahre. Ich glaube schon, dass die Familie mitentscheidet, da gibt es viele Statistiken darüber.

Welche Bedeutung hat die deutsche Autoindustrie für Österreich? Sie steht gerade unter Druck, welche Auswirkung hat das auf uns?
Ganz einfache Antwort: Das schlägt eins zu eins durch. Wir stellen selbst keine eigenen Autos her. Wir haben viele Zulieferbetriebe und die hängen zu 96 Prozent von den deutschen Automobilherstellern ab. Das heißt. wenn sie weniger verkaufen, produzieren wir auch weniger.

Wie wird die Mobilität in 20 Jahren ausschauen?
Autonom wird, wie erwähnt, sicher weiterentwickelt werden. Beispiel Elch-Test: Dieser führte zur Entwicklung von Fahrassistenten, die es zuvor nicht gegeben hat. Das wird sich weiterentwickeln, wie es ohnehin eine technische und wirtschaftliche Evolution in der Automobilbranche gibt.
Carsharing wurde probiert, hat sich aber nicht durchgesetzt. Das Teure ist die Reinigung des Autos – also in welchem Zustand es zurückgegeben wird.

Es gibt dennoch öffentliche Anbieter – z.B. in St. Johann in Tirol – die Carsharing anbieten.
Im kleinen geografischen Bereich, wo es auch nicht so anonym zugeht wie in einer großen Stadt, ist es sicherlich einfacher.

„Das autonome Fahren auf Schneefahrbahn ist derzeit nicht möglich, weil die Fahrassistenzsysteme da nicht funktionieren.“ Günther Apfalter

Wie schaut es mit dem autonomen Fahren aus?
Beim Autonomen Fahren gibt es insgesamt 6 Levels – von 0 bis 5. Wir sind jetzt bei einigen Modellen bei Level 3 angelangt. Das heißt ich kann auf der Autobahn das Lenkrad loslassen, muss aber alle 30 Sekunden das Lenkrad berühren, um zu zeigen, dass ich da bin. Auch hier wird es Weiterentwicklungen geben. Die Umstellung ist das Problem: Wenn also nur ein Auto autonom fährt und 99 nicht. Das 100-prozentige selbständige Fahren in sogenannten „geofenced areas“ (geografisch abgegrenzte Zonen, Anm. d. Red.) ist sicher auch möglich, würde aber eine komplette Umstellung bzw. Neuordnung des Straßenverkehrs in den Städten bedingen.

Funktioniert autonomes Fahren in exponierten Lagen mit Schneefahrbahn etc. überhaupt?
Nein, auf Schneefahrbahn funktionieren die Fahrassistenzsysteme, wie zum Beispiel Lane Assist Warning, nicht.

Wird Mobilität sich verändern?
Die jüngere Generation entwickelt sich weiter, aber nach wie vor bin ich der Meinung, dass die individuelle Mobilität ihre Berechtigung hat.

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Günther Apfalter war über 20 Jahre lang in leitenden Positionen bei Magna tätig und zählt zu den bekanntesten Automobilmanagern Österreichs. Der studierte Agrarökonom war Mitglied des Konzernvorstands und zeichnete als Präsident für das Europa- und Asiengeschäft verantwortlich. Von 2007 bis 2020 leitete er darüber hinaus die Geschicke von Magna Steyr.

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