
Matthias Kendlinger: Ein Musikerleben
Der Komponist, Dirigent und Gründer der K&K Philharmoniker, Matthias Kendlinger, hat mit seiner Musik Millionen Menschen erreicht – und ist doch tief in seiner Tiroler Heimat verwurzelt geblieben. Sein „Komponierhäusl“ in Schwendt ist dabei weit mehr als ein Arbeitsplatz: Es ist Rückzugsort, Inspirationsquelle und Heimat zugleich.
„Schwendt ist und war immer ein wichtiger Lebensmittelpunkt für mich und meine Familie. Hier zu leben ist ein Privileg, für das ich sehr dankbar bin“, sagt Kendlinger. „Ich schätze unsere Natur, die Berge, die Luft und vor allem die offenen und ehrlichen Menschen in unserer Region.“ Wer ihn kennt, weiß, dass diese Bodenständigkeit kein Lippenbekenntnis ist – sie prägt sein gesamtes Schaffen und hat ihn auch in Zeiten großer internationaler Erfolge geerdet.
Von Schwendt auf die Weltbühne
Geboren in Walchsee, aufgewachsen in einem musikalischen Elternhaus, erlebte Kendlinger früh die Magie gemeinsamer Klänge. „Mein Vater spielte Akkordeon, meine Mutter sang mit ihrer Schwägerin – ich durfte dabei zuhören. Das war der Moment, in dem ich gespürt habe, dass Musik mein Leben bestimmen wird.“ Schon damals zeigte sich seine Faszination für Klang, Struktur und Emotion – eine Leidenschaft, die ihn nie mehr loslassen sollte.
Nach seiner Lehre zum Bürokaufmann entschied er sich mit 17 Jahren für den mutigen Schritt, Berufsmusiker zu werden. Ohne musikalische Hochschule, aber mit unbändigem Willen, startete er in eine Laufbahn, die ihn von kleinen Tiroler Bühnen über Salzburg und Wien bis in die großen Konzertsäle Europas führte. Mit der Gründung der K&K Philharmoniker und der K&K Philharmonischen Chorakademie schuf er ein Ensemble, das für musikalische Exzellenz, Leidenschaft und emotionale Tiefe steht – und längst internationale Anerkennung genießt.
Seine Konzerte führten ihn und sein Orchester in legendäre Häuser wie die Berliner Philharmonie, die Royal Albert Hall, den Musikverein Wien oder die Tonhalle Zürich. Dabei blieb Kendlinger stets seinem Anspruch treu, Musik als Erlebnis für alle Sinne zu gestalten – als Brücke zwischen Publikum und Künstler, zwischen Mensch und Mensch.
Musik als Spiegel der Menschheit
Kendlingers Werke kreisen um große Themen. In Kompositionen wie „Manipulation“ oder „Human Rights“ verleiht er seiner tiefen humanistischen Haltung Ausdruck. „Diese Werke musste ich einfach schreiben. Hunderte Millionen Menschen sind durch die Manipulation geisteskranker Führer gestorben – sie haben sich bekämpft, ohne sich zu kennen. Das ist absolut krankhaft – und leider heute noch so wie vor 2000 Jahren.“
Seine Musik ist daher immer auch eine Auseinandersetzung mit der Welt, eine Suche nach Menschlichkeit in einer Zeit der Entfremdung. Kendlinger komponiert nicht, um zu gefallen – er komponiert, um zu berühren, um Nachdenklichkeit zu wecken, um die Welt im Spiegel der Musik zu betrachten.
Viele seiner Stücke entstehen aus intensiven inneren Prozessen. Wochenlang zieht er sich zurück, schreibt, streicht, verändert, hört hinein – bis sich Form und Gefühl zu einer Einheit verbinden. Inspiration findet er dabei nicht im Trubel der Städte, sondern in der Ruhe der Tiroler Landschaft.
Die Familie als Klangraum
Besonders bewegend ist, wie eng Kendlingers Familie in seine musikalische Welt eingebunden ist. Seine Frau, seine Tochter und sein Sohn Maximilian sind Teil des künstlerischen Kosmos, der über die Jahre gewachsen ist. Maximilian Kendlinger, selbst Dirigent, tritt zunehmend in die Fußstapfen des Vaters – oder, wie Matthias es formuliert: „Er geht seinen eigenen Weg, und das ist gut so. Mit Max gemeinsam zu musizieren oder auch zu dirigieren, ist für mich immer eine Bereicherung. Wir ergänzen und beraten uns gegenseitig.“
Dieses familiäre Miteinander ist ein zentrales Element seines Lebenswerks. „Es erfüllt mich mit Stolz, dass unsere Kinder Musik nicht als Zwang, sondern als Geschenk sehen“, sagt Kendlinger.
Zwischen der Welt und Tirol
Trotz internationaler Karriere ist Kendlinger immer wieder nach Schwendt zurückgekehrt. Hier entstehen seine Kompositionen, hier findet er Ruhe, Klarheit und Kraft. „Die Werke zu den wichtigsten Themen meines Lebens konnte ich nur in dieser Umgebung schreiben“, sagt er. „Die Tiroler Berge bieten mir die Stille, um in die Tiefe zu gehen, und zugleich die Erdung, um nicht im Applaus der großen Säle zu verlieren, was wirklich zählt.“
In Schwendt liegt für ihn das, was er „musikalische Wahrhaftigkeit“ nennt – das Hineinhorchen in sich selbst, ohne Ablenkung, ohne Druck. Vielleicht ist genau das der Grund, warum seine Musik so authentisch bleibt. Sie ist frei von Künstlichkeit, aber voller Gefühl und Überzeugung.
Rat an die nächste Generation
Auf die Frage, was er jungen Musikern rät, antwortet Kendlinger ohne Zögern: „Hört auf euer inneres Gefühl, bleibt euren Werten treu. Nehmt die Ausbildung als wichtige Basis, aber nicht als Vorgabe für eure kreative Entwicklung. Als Künstler ist es sehr wichtig, sich sein eigenständiges und ständig reflektierendes Denken zu bewahren.“
Es sind Worte, die Mut machen – und zugleich Verantwortung fordern. Denn Kendlinger weiß aus eigener Erfahrung, dass künstlerische Integrität nicht der einfachste, aber der lohnendste Weg ist. „Musik darf nicht zum Produkt werden, sie muss Ausdruck bleiben“, betont er.
Ob in Wien, Kopenhagen, Leipzig oder Schwendt – Matthias Kendlinger versteht Musik als Sprache der Menschlichkeit. Seine Werke fordern auf, hinzuhören, nachzudenken und zu fühlen. Vielleicht liegt genau darin seine größte Kunst: In einer lauten Welt schafft er Räume für Stille, in der sich Musik und Mensch begegnen können.
„Musik ist mein Weg, Mensch zu bleiben“, sagt er. Und wer ihm zuhört – sei es im Konzertsaal oder in Schwendt, wenn er an neuen Stücken arbeitet – merkt, dass das keine Floskel ist, sondern gelebte Überzeugung. Kendlinger bleibt ein Künstler, der den Menschen in den Mittelpunkt stellt. Einer, der mit jeder Note daran erinnert, dass Musik weit mehr ist als Unterhaltung.