
Landwirtschaft in Tirol - ein starker Pfeiler der Regionalwirtschaft
Die Tiroler Landwirtschaft ist weit mehr als ein romantisiertes Bild von Almen und Kühen. Sie ist ein zentraler Bestandteil der regionalen Wirtschaft und trägt entscheidend zur Versorgung mit hochwertigen Lebensmitteln bei. Der Produktionswert der Landwirtschaft in Österreich liegt immerhin bei 10,3 Milliarden Euro, jener der Forstwirtschaft bei 2,9 Milliarden Euro (Quelle: Grüner Bericht 2023). Hinzu kommen landwirtschaftliche Dienstleistungen sowie die vor- und nachgelagerten Wirtschaftsbereiche – etwa Saatgut, Futtermittel, Geräte und Fahrzeuge. Zu den nachgelagerten Bereichen zählen alle, die Lebensmittel verarbeiten.
„Man muss klar sagen, dass wir die Landwirtschaft nicht nur auf diese ein bis drei Prozent beschränken können – es geht um viel mehr“, betont Helga Brunschmid. „Die Leistung für die Gesellschaft ist unbezahlbar.“ Brunschmid stammt ursprünglich aus Langkampfen, lebt aber seit fast 40 Jahren in Kirchdorf. Die Binderhofbäuerin ist nicht nur Landesbäuerin, sondern auch Vize-Präsidentin der Landeslandwirtschaftskammer. In den letzten vier Jahrzehnten hat sich die Landwirtschaft massiv gewandelt, sagt auch sie. Waren im Bezirk damals Milchviehbetriebe vorherrschend, ist die Angebotspalette der heimischen Landwirtschaft heute breit gefächert.
Direktvermarktung vor40 Jahren kaum Thema
„Damals war die Direktvermarktung kaum ein Thema. Die bäuerliche Vermietung ist aber damals wie heute für viele Bäuerinnen wie mich eine wichtige Einkommensquelle. Als Bäuerin kann ich dadurch meinen Arbeitsplatz finanziell absichern“, klärt Brunschmid auf. Heute sind etwa unter der Marke „Urlaub am Bauernhof“ 340 bäuerlicher Vermieter unter einem Dach vereint. „Der einzelne Betrieb muss ein Wirtschaftsfaktor sein“, betont die Landesbäuerin.
Erste Hofläden in den 1980er-Jahren
Von 1983 bis 1989 war sie als Beraterin in der Landwirtschaftskammer tätig. In dieser Zeit starteten erste Projekte wie Hofläden und Bauernmärkte. Dann kam die große Zeit der Globalisierung – viele hörten wieder auf. In den 2000er-Jahren erkannte man erneut das Potenzial und die Nachfrage stieg wieder. Mittlerweile gibt es in der Kammer eine eigene Abteilung für Direktvermarktung. Vor zwei Jahren wurde ein eigener Verein gegründet, der inzwischen 500 Mitglieder zählt.
In Tirol gibt es rund 4.000 Direktvermarkter – für etwa 100 Betriebe ist es ein unverzichtbarer Bestandteil des Einkommens. Man habe erkannt, dass nur der Verkauf des Urprodukts nicht reicht bei einer durchschnittlichen Betriebsgröße von 12 Kühen. „So hoch kann der Milchpreis gar nicht sein, dass davon ein ausreichendes Einkommen bleibt“, erklärt Brunschmid.
Vor allem im Bezirk Kitzbühel, wo Betriebe aufgrund der geografischen Gegebenheiten oft größer sind, haben sich manche auf Milch spezialisiert, andere haben extensiviert und auf die Produktion von Qualitätsfleisch umgestellt. Projekte wie „Almrind“ in Zusammenarbeit mit Spar zeigen, wie gut regionale Schwerpunkte funktionieren können. Voraussetzung: Die Tiere müssen mindestens einmal auf die Alm. Die Marke „Tiroler Jahrling“ fällt ebenfalls in diese Kategorie.

Hofläden, Märkte und Kooperation
Gab es in den 1980er-Jahren nur wenige Hofläden oder Bauernmärkte, sind diese heute auch im Bezirk nicht mehr wegzudenken. „Wer nur ein paar Gläser Marmelade produziert, wird aber langfristig nicht bestehen können“, ist die Landwirtin überzeugt. Wichtig sei die Zusammenarbeit: „Es geht nur miteinander. Das wird in Zukunft entscheidend sein.“ Infrastruktur wie Kühlanlagen ist teuer – Zusammenschlüsse erleichtern Investitionen.
Der Wochenmarkt in St. Johann ist ein positives Beispiel. Selbst im Gemüseanbau – lange galt er hier als unmöglich – zeigt sich: Wenn das Interesse da ist und die Familie dahintersteht, geht vieles. Das „Hüttschader Bio-Gemüse“ geht an den Freitagen weg wie die buchstäblich „warmen Semmeln“. Doch auch die Bäuerinnen haben gemerkt, dass sie dann am meisten Erfolg haben, wenn sie zusammenarbeiten. An ihrem Stand gibt es die unterschiedlichen regionale Produkte zu kaufen – von der Marmelade über Brot bis hin zu Wurstwaren. Diese stammen von unterschiedlichen Höfen und die Bäuerinnen wechseln sich am Stand ab. Musterbeispiele für erfolgreiche Projekte sind unter anderem „Die Kiste“ in Kitzbühel und der „Neuwirts Hofladen“ in Kirchberg, die hochwertige heimische Produkte anbieten.
Eine Entwicklung allerdings macht Brunschmid Sorgen: „Es ist erschreckend, dass die Leute beim Essen zu sparen beginnen.“ Die Teuerung infolge des Ukraine-Krieges wurde zum Problem für den regional orientierten Handel. „Es kann nicht sein, dass wir in Krisenzeiten gebraucht werden, ansonsten werden günstige Waren gekauft, die von weit her kommen“, kritisiert die Kammerfunktionärin. Die Produktion sei durch die kleinen Einheiten teurer, und oft sind es die Bäuerinnen, die Direktvermarktung und Vermietung gleichzeitig stemmen. „Standortangepasste Landwirtschaft in großem Stil können wir hier nicht betreiben“, stellt sie klar. Während der Coronapandemie hätten die Konsumenten gerne zu heimischen Produkten gegriffen, jetzt seien sie vielen zu teuer.
Absatzwege und Kennzeichnung
Supermärkte sind wichtige Partner geworden. Dafür braucht es Zusammenschlüsse, die regelmäßig liefern können. Vermarktung über Viehhandelsorganisationen oder Zuchtverbände ist eine Option. Wichtig ist auch Ausbildung und Unterstützung, um die Kennzeichnungsrichtlinien einzuhalten.
Jede Bezirkslandwirtschaftskammer bietet inzwischen Beratung zu Themen wie Tierwohlstandards oder Stallumbauten (z. B. Laufstallpflicht). „Das wird nicht jeder schaffen können“, meint Brunschmid. Ihre Vision: Menschen, die andere Berufe gelernt haben, sollen dieses Wissen am Hof einsetzen – z. B. in der Pferdewirtschaft oder im Bereich Green Care. Ein Potenzial sieht sie in Photovoltaik – die großen Dachflächen der Höfe bieten sich naturgemäß an. „Das wäre das Sinnvollste überhaupt,“ ist sie überzeugt. Allerdings schwankten die Einspeistarife stark. Ohne Speicherkraftwerke lohne sich die Investition oft nicht.

Ein weiteres Thema wäre die ganzjährige Vermietung von Ferienwohnungen – aus raumordnerischer Sicht jedoch nicht immer möglich, was bedauerlich ist, vor allem dort, wo
Wochenvermietung schwierig ist.
Auch Seminarbäuerinnen sind ein Beispiel für bezahlte Leistungen – sie besuchen Schulen oder empfangen Klassen auf ihren Höfen.
Landwirtschaft und Tourismus
„Oft meint man, die Landwirtschaft sei langsam – aber wir sind modern und entwickeln uns stets weiter“, stellt sie klar. Die Almbewirtschaftung und die Pflege der Landschaft bilden die Grundlage für den Tourismus. „Alle profitieren – die Landwirtschaft ist der Motor.“ Gute Produkte und gepflegte Landschaft sind dabei zentral oder anders ausgedrückt: Eine gepflegte Landschaft ohne Viehhaltung ist nicht möglich.
In diesem Zusammenhang hat sie noch einen großen Wunsch: die Herkunftsbezeichnung. Diese schreibt vor, dass bestimmte Informationen auf Lebensmitteln angegeben werden müssen, um Verbraucher zu informieren.
Für Konsumenten bedeutet es mehr Informationen über die Herkunft der Lebensmittel, während Bauern von der Wertschätzung ihrer Produkte durch die transparente Darstellung profitieren können.

„Weil‘s uns ned egal ist“ – ein Erfolgskonzept
Wie Direktvermarktung funktionieren kann, zeigt das Projekt „Unsere Kiste“. Den Selbstbedienungs-Hofladen am Griesparkplatz in Kitzbühel, „Unsere Kiste“, gibt es bereits seit vier Jahren.
Initiatorin Elisabeth Obermoser – Bäuerin am Maurachhof in Kitzbühel – steht für Regionalität, Nachhaltigkeit und Einkaufen rund um die Uhr.
Hinter jedem Produkt stehen engagierte regionale Partnerbetriebe mit Liebe zum Handwerk, zur Region und zur Qualität. „Es ist mir eine Herzensangelegenheit, zu zeigen, wie viele großartige Produzenten es bei uns gibt. Viele Menschen wissen gar nicht, wie einfach man hier 24 Stunden am Tag regionale Produkte einkaufen kann – ganz ohne App, einfach kontaktlos mit Bankomat- oder Kreditkarte“, betont Elisabeth Obermoser. Mit einem Einkauf unterstützen die Kunden lokale Betriebe und fördern unter dem Motto „Weil’s uns ned egal ist“ die heimische Wirtschaft.
Die Bäuerin will aber noch einen Schritt weitergehen – die „Kiste“ soll nicht nur auf Kitzbühel beschränkt bleiben, sie bietet inzwischen Franchisevereinbarungen an. Die „Kiste“ kann in Kitzbühel bestellt werden und an jedem beliebigen Ort aufgestellt werden – mehr als einen Stromanschluss und eine entsprechende Netzabdeckung braucht es nicht. Weitere Infos unter: www.unserekiste.at

Bedeutung für die Wirtschaft
Die Tiroler Landwirtschaft ist weit mehr als ein romantisiertes Bild von Almen und Kühen. Sie ist ein zentraler Bestandteil der regionalen Wirtschaft und trägt entscheidend zur Versorgung mit hochwertigen Lebensmitteln bei.
- 2020 waren in Tirol 14.215 land- und forstwirtschaftliche Betriebe registriert.
- 38.852 Personen waren in diesem Sektor beschäftigt, der überwiegende Teil in Familienbetrieben.
- Die Landwirtschaft sichert Einkommen, Arbeitsplätze und regionale Wertschöpfung – oft in kleinstrukturierten Betrieben, viele davon im Nebenerwerb.
Diversifizierung und neue Einkommensquellen
- Green Care: Soziale Dienstleistungen am Hof, neue Arbeitsplätze und Kooperationen mit Gemeinden und Sozialträgern
- Direktvermarktung: Rund 4.000 Betriebe in Tirol – davon 1.000 mit Direktvermarktung als Hauptstandbein
- Urlaub am Bauernhof: Seit 1984, aktuell ca. 350 Mitgliedsbetriebe mit insgesamt 4.860 Gästebetten
- Schule am Bauernhof: Seit 1998 – Sensibilisierung von Kindern für Natur, Tierschutz und Lebensmittelqualität
- Energieprojekte: Biogasanlagen, Photovoltaik, Biomasseheizungen
