Das heimliche Steckenpferd des Michael Horn
Kitzbühel | Wer kennt ihn nicht, den Michael Horn? Als Chef der Aquarena, als Vizebürgermeister und Sportreferent, als Obmann des Tourismusverbandes, als Vizepräsident des Kitzbüheler Ski Clubs, als Platzsprecher des Hahnenkammrennens, als Nationalrat - um einiges aufzuzählen. Wenig bekannt ist seine Liebe zu Schallplatten, wie seine mehr als 3000 Tonträger zählende Sammlung zeigt.
Wo hat es in Kitzbühel die erste Discothek gegeben? Im Prax? Im Alt Wien? Im Drop In? In der Goldenen Gams? Falsch, die erste, wenn auch sehr bescheidene Disco war Mitte der Fünfzigerjahre in der ausgedienten Waschküche im „Ganzer-Haus“ (Vorderstadt 27) eingerichtet. Der Zugang befand sich (stadtauswärts gesehen) unmittelbar nach dem Luggeischluf. Die Platten legte ein gerade 16-jähriger Kitzbüheler auf, der vor allem an amerikanischen Rhythmen Gefallen gefunden hat: Michael Horn. Auch einen Namen hatten die eher einem Jugendtreff als einem Lokal im herkömmlichen Sinne gleichenden Räume - „Jazzpool“. Aufgelegt wurden Jazz- und Swingplatten von Glenn Miller, Harry James, Lionel „Hamp“ Hampton und dergleichen, später kamen die Größen wie Bill Haley und Elvis Presley dazu. Fast selbstverständlich wurde dazu auch getanzt. Gründungsmitglieder waren unter anderem Toni Praxmair, Klaus Perger, Mandi Unterberger und Fritz „Fifi“ Monitzer.
„Ich habe schon in der frühesten Jugend gerne den US-amerikanischen Sender AFN gehört“, erinnert sich der nun 70 Jahre alt gewordene Horn. Beim Radio-hören blieb es nicht: Als die ersten Platten auf den Markt kamen, war Horn einer der ersten Käufer. „Es gab zu dieser Zeit die schwarzen Scheiben mit 33 und mit 45 Umdrehungen“, erzählt Horn, „die Tonqualität war im Vergleich zu heute sehr bescheiden. Nach mehrmaligem Abspielen waren kratzende Geräusche nicht zu überhören.“ Tonabnehmer waren spezielle Saphire, die immer wieder ausgetauscht werden mussten. Wiedergegeben wurden die Scheiben mit einem Plattenspieler, der sich in einer Schachtel befand, und einem eigenen Lautsprecher.
Bei der Eröffnung ging das Jazzpool vor Besucher über. „Sogar ältere Kitzbüheler waren gekommen.“ Gut aufbewahrt unter den vielen Tonträgern hält Horn auch heute noch das bei der Eröffnung aufgelegte Gästebuch. In und um Kitzbühel kochte über den Jazzpool die Gerüchteküche. Wie überhaupt zu dieser Zeit amerikanische Klänge gerne abwertend als „Negermusik“ bezeichnet wurden.
Interesse auch an Klassik
Die Wege zwischen Jazzpool und Michael Horn trennten sich. „Ich übersiedelte aus Studiengründen nach Wien, wo ich die Liebe zur Klassik entdeckte“, schildert er. „Ich habe dann sehr viele Opernaufführungen besucht.“ Ohne aber auf seine ursprüngliche Musikliebe zu vergessen. „Ich bin auf Jazz- und Musikfestivals gefahren“, sagt er, „ich habe als Kitzbüheler Tourismusobmann ein Jazzfestival massiv unterstützt. „Swingin Kitzbühel“ hieß die Veranstaltung, die mehrere Jahre im März stattgefunden hat und die regen Zuspruch fand, später aber aus mehr oder minder politischen Gründen eingeschlafen ist.
Schallplatten digitalisiert
Zurück zu Michael Horns Sammlung: „Im Laufe der Jahre hat sich die Technik gewandelt. Waren es anfangs Schellacks und danach Vinylplatten, kamen dann die ersten Tonband-Kassettenrekorder. Der nächste Schritt waren die CD. „Ich habe x-Schallplatten auf CD überspielt.“ Mittlerweile ist der Ex-Vizebürgermeister noch einen Schritt weiter: Heute spielt die Musik vom Computer. „Ich kaufe laufend Lieder über das Internet, ich bin aber auch Stammgast im Kitzbüheler Musikladen.“ In Musikkreisen blieb seine Sammelleidenschaft kein Geheimnis: „Ich habe sogar aus Verlassenschaften ganze Plattensammlungen erhalten.“
Begegnung mit Sinatra
Einer, der von seinem Steckenpferd wusste, war der Eigentümer der Hotels Bayrischer Hof in München und Zur Tenne in Kitzbühel, Falk Volkhart. „Ich wurde von Volkhart eingeladen, den ersten Auftritt von Benny Goodman im Bayrischen Hof zu moderieren.“ Ein Jahr später gastierte Harry James in München - ebenfalls angesagt von Michael Horn. Fest in seinen Erinnerungen verankert ist Frank Sinatra. „Als er in Wien auftrat, konnte ich ihn dank einer Einladung der US-Botschafterin Helene van Damm persönlich kennen lernen.“
Beliebter Fünf-Uhr-Tee
Zumindest einmal im Jahr kommt sein Steckenpferd den Kitzbühelern zugute: Wenn der „Mich“ im Café Praxmair bei einem Fünf-Uhr-Tee seine Platten auflegt. Oder genauer seinen Laptop startet, auf dem er seine Kostbarkeiten abspielbereit gespeichert hat. Dann quillt das Lokal dank der musikalischen Oldies vor menschlichen Oldies über.