Grunderwerbs(s)teuer beschlossen
Fast ein halbes Jahr ist vergangen, seit die junge Kitzbühelerin Christina Feiersinger in einem Artikel im „Kitzbüheler Anzeiger“ ihre Bedenken zur geplanten Grunderwerbssteuer geäußert hat. Seither wandten sich viele Einheimische mit ähnlichen Sorgen an sie. Die Grunderwerbssteuer ist nun beschlossene Sache - für Kitzbüheler bringt dieser Nationalratsbeschluss weitreichende Konsequenzen mit sich.
Kitzbühel | Eine Witwe im Zwiespalt, in den sie die neue Grunderwerbssteuer drängt: Sie und ihr Mann haben vor Jahrzehnten ein Haus in wundervoller Lage mit Blick auf Kitzbühel gebaut, nichtsahnend, welche Schwierigkeiten diese Lage irgendwann bringen würde. Die Eltern wollten imstande sein, ihren beiden Kindern etwas Wertvolles zu hinterlassen. Warum die Witwe den Besitz noch nicht einfach an ihre Kinder vererbt hat?
Die familiäre Situation machte eine Übergabe bis dato unmöglich, nun muss sie sich unter Zeitdruck eine Entscheidung abringen - dafür kann sie unter einigen schlechten Optionen wählen. Natürlich möchte die Witwe zum einen keines ihrer Kinder übergehen und zum anderen würde eine gleichmäßige Aufteilung des Hauses auf beide Kinder schlimmstenfalls Familienzwist bedeuten. So oder so - beide Varianten könnten die Nachkommen dazu zwingen, ihre größte Sorge Realität werden zu lassen, nämlich den Familienbesitz zu verkaufen.
Darüber hinaus bleibt noch eine dritte, ebenso schlechte Möglichkeit: Nichts zu tun. Ab 2016 wird dieses Nichtstun zur teuren Angelegenheit für die Kinder, welche das Schicksal des Familienbesitzes ebenfalls besiegeln dürfte.
Durch die neue Grunderwerbssteuer müssen die Erben ab Jahresbeginn in etwa 100.000 Euro zahlen, um das Haus der Eltern zu übernehmen. Ein Alleinerbe müsste dafür 20 Jahre lang 400 Euro im Monat auf die Seite legen, um das, was seine Eltern aufgebaut haben, irgendwann übernehmen zu dürfen. Abstriche von einigen hundert Euro im Monat machen zu müssen, bedeutet für Normalverdiener zahlreiche Entbehrungen sowie eine womöglich drastische Verminderung der Lebensqualität, die viele junge Erben nicht imstande sein werden, auf sich zu nehmen. Die neue Grunderwerbssteuer trifft nicht nur reiche Erben, sondern vor allem auch normale Familien, die seit Generationen in Kitzbühel leben; letztere mit umso größerer Wucht.
Viele Einheimische „dürfen“ wählen: Zwischen der schleichenden Teilenteignung, die den Erben zwar Geld aber den Verlust der Heimat bringt und einem entbehrungsreichen Leben - beides per Gesetz. Die Wertigkeit des Familienerbes wird angesichts der finanziellen Hürde, welche den jungen Menschen gestellt wird, herabgewürdigt.
Zum Verkauf gezwungen
Auch wenn seitens des Finanzministeriums in einer schriftlichen Korrespondenz versichert wurde, Härtefälle wie in Kitzbühel zu vermeiden, hält der Staat durch die Grunderwerbssteuer in Gegenden mit solch horrenden Grundstückspreisen derart gierig die Hand auf, dass die Erben regelrecht zum Verkauf gezwungen werden. Sie erhalten dafür Millionen, die sie unter sich aufteilen können - eine Summe, welche Außenstehenden mehr als tröstlich erscheinen mag. Doch was bedeutet das für Kitzbühel? Wenn die meisten Nachkommen das schwere Erbe nicht mehr auf sich nehmen können, wenn noch mehr Häuser als jetzt schon verkauft werden und ein Großteil der Einheimischen wegziehen muss? Und was bedeutet es für die Witwe, die sich nichts sehnlicher wünscht, als ihr Eigenheim, ihr „Familienjuwel“, in dem die Kinder groß geworden sind, in den Händen der Familie zu wissen?
Uns Kitzbühelern wird für die zwiespältige Lage, in welche uns die Beschlüsse der Regierung bezüglich der Grunderwerbssteuer bringen, zuweilen recht wenig Mitleid entgegengebracht, denn schließlich könnten wir auf den Wert unserer Grundstücke in begehrter Lage notfalls irgendwann zurückgreifen - ja, die „reichen Kitzbüheler“ sind beileibe nicht zu bedauern, schließlich ist die Gamsstadt für ihre Luxusimmobilien bekannt. Doch leider können wir von unseren durch den Immobilienmarkt verteuerten Grundstücken nicht einfach eine Scheibe abschneiden, um den darauf befindlichen, alles andere als luxuriösen Familienbesitz zu retten.
Die Witwe muss sich wohl mit einer bitteren Zukunftsvision auseinandersetzen: Die neue Grunderwerbssteuer wird dazu beitragen, dass ihre Kinder das von der Familie Geschaffene verkaufen müssen - von den Spuren der Familie wird in Kitzbühel auf längere Sicht nichts bleiben.
Das Haus verkauft, das Familienerbe abgegeben, die Träume der Ahnen, aber auch jene der Nachkommen zerschlagen. Die Konsequenzen der neuen Grunderwerbssteuer betreffen viele Kitzbüheler Familien. Mangels finanzieller Mittel werden die jungen Menschen Kitzbühel wohl schon bald nicht mehr ihre Heimat nennen können.
Christina Feiersinger
(Christina.Feiersinger@gmx.at)