Die Glocke zum Senner
Es war in den 50-er Jahren, oder gegen Ende 40. Da hatten sie auf der Rettenwand-alm einen jungen, lustigen und einfallsreichen Senner.
Die Rettenwandalm steht am Anfang vom Trattenbach. So wie bei vielen Almen, kommen auch hier sehr oft Wanderer vorbei, gewöhnlich um die Mittagszeit. Und meistens klopfen sie dann an der Hüttentüre, oder sie schreien sogar recht laut nach dem Senner. Weil die Senner schon sehr früh aufstehen, machen sie dann öfters auch ein Mittagsschläfchen. Wenn sie dabei geweckt werden, kann es vorkommen, dass sie nicht unbedingt sehr gut gelaunt sind.
Auch den Sennern auf der Rettenwandalm ist es so ergangen und sie haben sich dann etwas einfallen lassen, damit diese Störungen aufhören.
Gleich neben der Hüttentüre wurde dazu ein sehr schönes Bild, mit Brandmalerei und der Aufschrift „Glocke zum Senner“ angebracht. Daneben ein schöner runder Griff (Knauf), welcher an einem Strick (Seil) oder einer Kette befestigt bis unters Dach reichte. Dort oben war eine Holzrinne und an dieser ein großer Wasserkübel befestigt. Wenn jemand nun an dem Griff zog – und glaubte damit dem Senner ein Zeichen geben zu können – löste eine Mechanik aus, der Kübel kippte um und das Wasser ergoss sich direkt auf die darunter stehende Person, d. h. den Wanderer. Ja so kam dann statt dem Senner ein Wasserschwall.
Jene Wanderer, die diese „nasse“ Bekanntschaft machen mussten, fluchten dann natürlich und waren von oben bis unten nass. Die Hüttentüre blieb trotzdem versperrt, die Senner hatten ihre Ruhe und die Wanderer mussten wohl oder übel weiter gehen.
„Brauch“ mit der Zeit vergessen
Anfangs warteten die Senner noch auf die ersten Wanderer und deren oft nicht sehr sanften Ausdrücke. Und sie mussten sogar den Kübel mehrmals täglich nachfüllen, was natürlich eine riesige Gaudi für die drei war. Später – es dürfte sich ein wenig herumgesprochen haben – war dies dann nicht mehr so oft der Fall, oder es kam ihnen selber etwas zu stark vor und sie montierten diesen „nassen“ Einfall wieder ab.
Schild erinnerte noch an die Glocke
Das schöne, gemalte Schild, so wurde mir erzählt, war viele Jahre später noch immer an der Rettenwandalm zu sehen, aber nur die „Eingeweichten“ und jene, denen davon erzählt wurde, wussten um die Zusammenhänge.
Georg Jöchl,
Jochberger Ortschronist