
Eure Geschichten. Unsere Geschichte.
Gerade mal fünf Jahre sind seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs vergangen. Kein Fernsehen, kaum Telefon und Radio nur mit Glück. Jetzt eine Zeitung gründen? In einer Zeit voller Hunger, Mangel und Ungewissheit? – Mutig! Damals wie heute.
Viele waren noch nicht aus dem Krieg heimgekehrt. Kitzbühel stand unter französischer Besatzung, es herrschte Wohnungsnot, das Geld war knapp, das Essen rationiert. Statt dem Supermarkt gab’s am heutigen Aquarena-Areal das „Krautgaschtl“ – kleine Gärten für Kohl, Kartoffeln und ... für Hoffnung!
„Der Heimat zum Nutzen, den Lesern zur Freud, der Geschäftswelt zur Hilfe und den Fremden als Wegweiser.“
Aus dem Geleit der 1. Ausgabe, erschienen am 15. Juli 1950.
Denn es begann sich was zu regen. Hotels, die jahrelang als Lazarette dienten, empfingen erstmals wieder Gäste. Lebensfreude, Tiroler Abende, lebendige Musik – all das kehrte Schritt für Schritt in die Gassen der Gamsstadt zurück. Beim 5-Uhr-Tee in der Tenne tanzte man gegen die eigene Vergangenheit an. Das Kitzbüheler Skiwunderteam rund um Christian Pravda, Toni Sailer & Co. wurde bejubelt. Der Nationalstolz erblühte neu. Und mittendrin?
Eine Idee, geboren im Gasthof Straßhofer.
Fünf Männer – Peter Sieberer, Max Werner, Karl Planer, August Höbarth und Toni Praxmair – saßen am 23. Juni 1950 beim Gasthof Straßhofer zusammen und beschlossen etwas zu tun, was mit nüchterner Vernunft kaum erklärbar war: Sie gründeten eine Zeitung! „Der Heimat zum Nutzen, den Lesern zur Freud, der Geschäftswelt zur Hilfe und den Fremden als Wegweißer“ (aus dem Geleit der 1. Ausgabe, Anmerkung der Redaktion).
Die erste Ausgabe erschien am 15. Juli 1950, bestand aus vier Seiten, kostete 30 Groschen und war der Beginn einer neuen Ära in der lokalen Berichterstattung. Maßgeblich verantwortlich für den Erfolg: der legendäre „Chefreporter“ Martin Wörgötter und seine Frau Elsa, die Redaktion, Anzeigen und Buchhaltung nahezu alleine stemmten. Wenn Not am Mann war, half die Verwandtschaft.
Und der Schriftzug mit der Gams? – Entworfen vom Kitzbüheler Architekten Valentin Kerschbaumer. Ein Markenzeichen, das bis heute Bestand hat.
Blick auf die Zeit – und darüber hinaus
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk, wie wir ihn heute kennen, existierte damals (noch) nicht: Der ORF wurde erst 1955 offiziell gegründet, der Fernsehdienst nahm 1958 seinen Regelbetrieb auf. Bis dahin dominierten Printmedien. Zeitungen wie die „Tiroler Volkszeitung“, die „Tiroler Nachrichten“ oder die „Heimatblätter“ waren parteigebunden und mussten – wie alle Blätter jener Zeit – von der französischen Besatzungsmacht lizenziert werden. Eine freie, regionale Zeitung wie der Kitzbüheler Anzeiger war ein seltenes Gut – und ein kraftvolles Signal: Wir erzählen unsere eigenen Geschichten.

Woche für Woche.
Wort für Wort.
Von Beginn an war der Kitzbüheler Anzeiger mehr als ein Informationsblatt. Er war Chronist und Kommentator, Nachbar und Wegbegleiter. Berichtete von Geburten, Hochzeiten und Begräbnissen, von Schachklubtreffen, Geschäftseröffnungen, aber auch vom Leben dazwischen.
Heute nennt man das Lokalkolorit – damals war das einfach „unsere Zeitung“. Und die ist sie bis heute geblieben:
Keine Woche ist vergangen, in der der Kitzbüheler Anzeiger nicht erschienen ist. Trotz Ölkrise, Finanzkrise, Pandemie.
„Keine Woche ist vergangen, in der der Kitzbüheler Anzeiger nicht erschienen ist. Trotz Ölkrise, Finanzkrise, Pandemie.“
Stefan Pletzer und Peter Höbarth.
Ein Stück Kitzbüheler Geschichte
Der Kitzbüheler Anzeiger wuchs mit seiner Region: Er war da, als Toni Sailer Skigeschichte schrieb, als die Hornbahn feierlich eingeweiht wurde oder das Hahnenkammrennen zur Institution wurde ... Und: er ist es bis heute – mit 13 fixen und ein paar freien Mitarbeitern, 4.500 Abonnenten im In- und Ausland, 20.000 Lesern pro Ausgabe und einem wachsenden digitalen Angebot.
Was 1950 als Genossenschaft begann, wurde 1958 zur GmbH – mit der vertraglich festgelegten Besonderheit, dass Geschäftsanteile ausschließlich an Einheimische weitergegeben werden dürfen. Medienkonzerne, Großverlage oder Investoren? –Fehlanzeige. Diese regionale Eigentümerschaft ist kein Marketingversprechen, sondern gelebte Realität – und sichert dem Kitzbüheler Anzeiger eine Unabhängigkeit, die in der heutigen Medienwelt selten geworden ist.
Was bleibt und was kommt
Auch heute, 75 Jahre später, ist der Kitzbüheler Anzeiger mehr als eine Zeitung: Er ist Plattform, Archiv und Medienhaus. Gedruckt, geblättert, geklickt, geteilt. Auf Facebook und Instagram, mit eigenem Nachrichtenportal, Videoformaten, Kommentaren, Gastbeiträgen und reichweitenstarken Sonderpublikationen.
Und trotzdem bleibt der Kern unverändert: eine Bühne für echte Geschichten. Aus der Region. Für die Region. Oder, wie es heute heißt: So regional. So wir.
160 Exemplare wandern Woche für Woche über Grenzen und Meere zu ehemaligen Einheimischen, die ihre Wurzeln nie vergessen haben. Für sie ist der Anzeiger kein Nachrichtenblatt. Er ist ein Stück Heimat. In der Ferne. Und im Herzen.
Und was ist geblieben nach 75 Jahren?
Vielleicht vor allem das: Ein wöchentlicher Moment der Nähe. Ein Text, ein Foto, ein Gedanke. Ein Stück Papier. Oder ein Klick. Und dazwischen: eine Geschichte, die uns verbindet. Mit dem Ort. Mit der Zeit. Und miteinander.