
Eine Flut der Hilfe nach der Katastrophe
Auch über zehn Jahre nach der verheerenden Hochwasser-Katastrophe sind die traumatischen Ereignisse in Kössen noch präsent. Vor allem für Alt-Bürgermeister Stefan Mühlberger war die Bewältigung der Katastrophe die größte Herausforderung seiner Karriere. Im Gespräch mit dem Anzeiger denkt er an die intensiven Wochen im Juni 2013 zurück.
„Es hat damals bereits tagelang geregnet, als ich an diesem 1. Juni knapp vor Mitternacht von der Feuerwehr alarmiert wurde, dass es am Loferbach eine Brücke weggerissen hat“, erinnert er sich. Rasch sei klar gewesen, dass vor allem der Ortsteil „Erlau“ evakuiert werden muss. „Mittels Lautsprecher-Durchsagen haben wir die Leute noch in der Nacht aufgefordert, ihre Häuser zu verlassen. Im Altenwohnheim haben wir Notunterkünfte eingerichtet“, schildert Mühlberger die dramatischen Minuten. Alle die ihnen zuerst einen Vogel gezeigt hatten, „haben ihre Häuser dann nur wenige Stunden später, vom ersten Stock aus, mit dem Boot verlassen.“
„So schnell es gekommen ist, ist das Wasser auch wieder weggegangen“, erzählt der heutige Gemeindechronist.
„Die, die uns zuerst einen Vogel gezeigt haben, haben das Haus mit dem Boot verlassen.“
Stefan Mühlberger, damals Bürgermeister
Doch dann war das Ausmaß der Katastrophe erst richtig ersichtlich, die Menschen verzweifelt. „Da sind die Emotionen schon hochgekocht.“ Die Leute hätten dann dauernd bei ihm angerufen, wo denn die Hilfe bliebe. „Ich hatte ja mit so etwas keine Erfahrung und musste es doch gleich regeln“, sei er panisch gewesen.
Was sich Mühlberger auch nicht vorstellen konnte, „dass wirklich alles was in den betroffenen Häusern war, total kaputt ist. Die Müllberge – wir haben diese dann am Bergbahnparkplatz zwischengelagert – waren unvorstellbar.“
400 Objekte betroffen, 50 Mio. Euro Schaden
Über 400 Objekte waren betroffen, viele vorerst gar nicht mehr bewohnbar. Die Schadenshöhe, die erst Wochen später feststand, lag bei 50 Millionen Euro.
Auf Kössen rollte eine Welle der Solidarität zu, die ihresgleichen suchte und die Mühlberger heute noch überrascht. „Ich wusste vorerst gar nicht,wie ich damit umgehen soll.“
Doch er bekam unverhofft Unterstützung. „Der damalige Bürgermeister von Pfunds war unter den Helfern, die aus ganz Tirol gekommen sind, um uns unter die Arme zu greifen.“ Dieser hatte ein Jahr zuvor eine ähnliche Katastrophe zu bewältigen und teilte mit Mühlberger seine Erfahrungen. Erste Hilfsgelder gingen da schon in der Gemeinde ein. „Er hat uns damals Tipps gegeben, wie wir das mit den Spendengeldern organisieren sollen.“
Die Spendenbereitschaft sei enorm gewesen – in Millionenhöhe gingen die Gelder ein. Da kamen Spendenaufrufe sogar von Adi Werner (Hospiz am Arlberg), Schlagerstar Semino Rossi sang für die Kössener und auch der Anzeiger half. „Wir haben ein Spendengremium mit zehn Leuten zusammengestellt, die anhand der Daten des Katastrophenfonds des Landes, die Spenden verteilt haben.“ Ein großes Fest für die Helfer gab es ebenfalls. „Es war einfach phänomenal“, erinnert sich der Alt-Dorfchef. Er und sein damaliger Vize Herbert Exenberger waren dauernd auf Achse, um sich bei den Spendern persönlich zu bedanken.
Dass es einigen Leuten zu langsam ging – vor allem die mit den notwendigen Hochwasserschutzmaßnahmen – ist für Mühlberger, der sich so für „seine“ Kössener eingesetzt hat, noch immer ein Wermutstropfen. Denn dank ihm und seiner Initiative wurde der Hochwasserschutz in Kössen deutlich beschleunigt – ganze acht Jahre früher als geplant, waren die Arbeiten abgeschlossen.
In der „Erlau“ indes erinnert nichts mehr an die Katastrophe, die vor zwölf Jahren das Leben so vieler verändert hat.