
Eine, die genau hinschaut
Seit Mitte der 1990er-Jahre zählt die preisegekrönte österreichische Schriftstellerin Marlene Streeruwitz zu den Fixgrößen der Literaturszene. Auf Einladung des Literaturvereins Lesewelt St. Johann in Tirol las sie in der Alten Gerberei. Es war nicht ihr erster Auftritt in St. Johann – bereits 2011 war sie hier zu Gast.
„Marlene Streeruwitz ist eine Autorin, die genau hinschaut, die sich nicht duckt, sich nicht kleinmacht und immer ausspricht, was nicht gut ist. Ich denke, es ist ein Geschenk für die Gesellschaft, dass es Schriftstellerinnen wie sie gibt“, sagte Gabi Pinsker, stellvertretende Obfrau des Literaturvereins, in ihren einleitenden Worten.
Was macht Politik mit Menschen?
Die preisgekrönte Autorin fesselte das Publikum mit ihrem neuesten Roman „Auflösungen“, aus dem sie drei Abschnitte las. Zwischen den Lesepassagen entspann sich ein feinsinniges Gespräch mit der renommierten Literaturkritikerin Kristina Pfoser. Im Mittelpunkt der Geschichte stehen die „Auflösungen“ gesellschaftlicher Strukturen, kultureller und politischer Übereinkünfte, sozialer Gefüge, emotionaler Gewissheiten und familiärer Beziehungen – und wie Hauptfigur Nina all das in New York erlebt, kurz bevor Donald Trump wiedergewählt wird.
Nahbar und humorvoll
Marlene Streeruwitz lebte eine Zeit lang in New York, wo sie viele Freunde hat, und auch in Kitzbühel war sie schon einmal zuhause, wie sie dem Publikum verriet. „Deshalb fühle ich mich hier ein bisschen wie eine Einheimische“, schmunzelte sie. Offen sprach sie darüber, woher sie die Inspiration für ihre Figuren nimmt, und begeisterte die Besucher im gut gefüllten Saal der Alten Gerberei mit ihrer nahbaren und humorvollen Art.
Literaturkritikerin Kristina Pfoser resümierte: „‘Auflösungen‘ ist ein ruheloser Roman.“ Streeruwitz konterte augenzwinkernd: „Ja, wenn Sie zur Ruhe kommen wollen, müssen Sie etwas anderes lesen.“ Ein Abend von sprachlicher Wucht und literarischer Tiefe – faszinierend, bewegend und viel zu schnell vorbei.