
Ein recht gutes Zeugnis und ein paar Hausaufgaben
Geht es um die Ortsentwicklung, wird in der Region und darüber hinaus gerne nach St. Johann geblickt: Die Marktgemeinde ist ein großer und sehr lebendiger Einkaufsstandort. Doch die jüngsten wirtschaftlichen Erosionsbewegungen gingen auch an dem sprichwörtlichen „gallischen Dorf“ nicht sang- und klanglos vorüber: Das zeigten die jüngsten Detailergebnisse der großen Kaufkraftanalyse, die am Donnerstag präsentiert worden sind.
Die Herausforderungen sind durchaus spürbar, auch wenn Studienautor Roland Murauer von der CIMA gleich festhält: „Im Langfristvergleich von 2009 bis 2024 konnte der St. Johanner Einzelhandel seine Position in der Region behaupten bzw. teilweise sogar ausbauen.“ Das klassische Einzugsgebiet in den für den Ortskern so wichtigen Warengruppen des mittel- bzw. langfristigen Bedarfs wurde gestärkt. Die Kaufkraftzuflüsse in diesem Bereich stiegen seit dem Jahr 2018 um 24 Prozent auf 21,1 Millionen Euro (mittelfristiger Bedarf) bzw. um sieben Prozent auf 24,5 Millionen Euro (langfristiger Bedarf).
Es gibt allerdings einen Wermutstropfen: In den vergangenen Jahren gingen St. Johann auch Marktrandgebiete verloren – vorrangig im Pinzgau. Weniger ist auch das Stichwort, wenn es um das Einkaufsverhalten der Seinihonsa Bürger selbst geht: Sie frequentierten den heimischen Einzelhandel in den letzten 15 Jahren in deutlich geringerem Ausmaß, insbesondere in den ortskernrelevanten Sortimenten.
Der passende Kennwert dazu ist die Kaufkraft-Eigenbindung: Lag sie im Jahr 2009 noch bei 83 Prozent, war sie bis 2018 schon auf 73 Prozent zurückgegangen. Das Minus seither ist vergleichsweise gering: Aktuell verzeichnet St. Johann eine Kaufkrafteigenbindung von 72 Prozent quer über alle Warengruppen hinweg.
Der eindeutige Konkurrent des St. Johanner Einzelhandels ist der Online-Sektor: Er saugt alleine von diesem Standort 9,7 Millionen Euro ab. Damit schnappt sich der Onlinehandel verglichen mit 2009 um 782 Prozent mehr vom Volumen.
Touristen shoppen deutlich weniger
In einer Tourismusregion wie dem Bezirk Kitzbühel spielen die Gäste eine wichtige Rolle für den heimischen Handel. Das ist auch in St. Johann so, aber gerade in diesem Bereich „kassierte der Ort eine Watsch‘n“, wie es Roland Murauer drastisch beschreibt. Generell zeigt sich, dass die tourismus-relevanten Kaufkraftzuflüsse seit dem Jahr 2018 rückläufig sind. Besonders trifft dieser Umstand auf die Marktgemeinde zu. Im Jahr 2018 lag der Anteil des Tourismus am Handelsumsatz in St. Johann bei 24 Prozent und einem Volumen von 28,3 Millionen Euro. Dieser Anteil ist mittlerweile auf magere acht Prozent geschrumpft – das Volumen beträgt nur noch 9,3 Millionen Euro.
Gemäß der Empfehlung von Roland Murauer ist genau das auch einer der wichtigsten Bereiche, bei dem die Seinihonsa Hausaufgaben zu erledigen haben. Gleichzeitig warnte er davor, dass Handel und Tourismus sich in diesem Punkt gegenseitig den Schwarzen Peter zuschieben: Schuld an der Entwicklung sei vielmehr die allgemeine Wirtschaftslage bzw. das gedämpfte Konsumverhalten, das die Touristen ebenso an den Tag legen wie die Einheimischen.
Murauer regte als ersten Schritt diesbezüglich eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe an, die sich darüber Gedanken machen sollte, wie man dieser Entwicklung entgegenwirken kann. Dabei scheute er sich auch nicht, ein heikles Thema in den Ring zu werfen: die Öffnungszeiten-Thematik. „Ich weiß, dass das einen Rattenschwanz an Argumenten nach sich zieht“, so Murauer. Aber man müsse durchbesprechen, ob die Geschäfte wirklich nur dann offen haben sollten, während die Gäste eigentlich am Berg sind.
Empfehlungen für die Seinihonsa
Weitere Empfehlungen für den Standort St. Johann: Die Entwicklung eines Immobilien-Masterplanes 2035, ein Impulsprogramm für Leerstands-Besitzer sowie verstärkte Marketingpräsenz im Pinzgau.
Ein weiterer Punkt lässt sich recht rasch umsetzen, denn er wird bereits in bester Manier gelebt: die starke Betonung des Service-Standortes St. Johann. Denn der stationäre, inhabergeführte Einzelhandel hat die hochwertige Dienstleistung dem großen Onlineriesen natürlich voraus. Es schadet nicht, das auch in die Auslage zu stellen.
Für Interessierte: Die gesamte Studie ist über die Regio3 beziehbar.
