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Digitalisierung gegen Verkehrschaos

Verkehr ist unser Ding – darüber sind sich Stefan Brandtner, Alexander Hronek und Andreas Franze einig. In den vergangenen fünf Jahren haben sie sich intensiv mit dem stetig zunehmenden Verkehr in St. Johann auseinandergesetzt – bis zu 30.000 Fahrzeuge fahren täglich auf der Loferer Bundesstraße durch die Gemeinde.

Um die Parkplatzsuche für Einheimische und Besucher einfacher zu machen, tüftelten die drei Experten lange an einer Lösung. Herausgekommen ist dabei ein KI unterstütztes Verkehrsoptimierungs- und -leitsystem, das in Österreich bisher einzigartig ist. „Unser Ziel ist es, unnötigen Verkehr, etwa bei Parkplatzsuche, zu vermeiden und die Sicherheit auf den Straßen der Marktgemeinde zu erhöhen“, betont Andreas Franze, Projektmanager bei Regio Tech, der die St. Johanner begleitet.

Der zuständige Digitalbeauftragte der Gemeinde, Stefan Brandtner, sowie der für Straßen zuständige Alexander Hronek setzen sich schon seit Jahren mit der Verkehrsproblematik in St. Johann auseinander. Vor fünf Jahren starteten sie mit der Evaluierung des Verkehrs. „Es gibt zwei Lösungen – entweder bauliche Veränderungen, die natürlich sehr teuer sind oder die Digitalisierung, die wir als große Chance gesehen haben“, schildert Brandtner die Entwicklung. „Als wir vor rund 20 Jahren eine Verkehrszählung gemacht haben, haben wir noch 30 Leute gebraucht“, erinnert sich Alexander Hronek.

25 Kameras zeichnen Verkehr auf
Heute erledigen diese Aufgaben Kameras – insgesamt 25 solcher Geräte, die mit KI-Erkennungssoftware ausgestattet sind, wurden im Ortsgebiet installiert und zeichnen den Verkehr auf. Die „intelligenten“ Kameras erkennen, um welches Fahrzeug es sich handelt – ob Auto, Rad, E-Scooter oder Fußgänger. Datenschutzrechtliche Bedenken kann Stefan Brandtner ausschließen: Die Kameras erfassen zwar das Geschehen (Fußgänger, Radfahrer, Auto etc.), diese werden jedoch lediglich als Daten bzw. Zahlen gespeichert.

Endlich konnten die St. Johanner Verkehrsplaner mit Zahlen arbeiten, die dem realen Verkehrsaufkommen entsprachen – die künstliche Intelligenz (KI) macht es möglich.

„Es gibt zwei Lösungen – entweder bauliche Veränderungen, die natürlich sehr teuer sind oder die Digitalisierung, die wir als große Chance gesehen haben. Ein Ziel ist es, unnötigen Verkehr, etwa bei der Parkplatzsuche, zu vermeiden.“ Stefan Brandtner

Gerade rund um die Schulen am Neubauweg kam es vor allem in der Früh immer wieder zu massiven Problemen. „Um herauszufinden, welche Lösungen es dafür gibt, haben wir einen digitalen Zwilling über die Kreuzung Neubauweg erstellt. Auf Grundlage von echten Daten konnten wir simulieren, welche Auswirkungen etwa ein Kreisverkehr oder überhaupt eine ganz andere Verkehrsregelung hätte“, schildert Brandtner.

Das Ergebnis dieser Simulationen und „Beinaheunfall“-Analyse legte eine Entzerrung des Frühverkehrs nahe, um die Sicherheit der Schulkinder zu erhöhen: Die morgendlichen Schulzeiten wurden angepasst – der Unterricht in der Volksschule beginnt seit zwei Jahren um acht Uhr, die Gymnasiasten starten um 7:30 Uhr.

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Stefan Brandtner, Alexander Hronek und Andreas Franze (von links) haben das Konzept auf KI-Basis entwickelt und schauen sich regelmäßig die Verkehrsflüsse an.

Entflechtung in der Kaiserstraße notwendig

„Eine weitere Entflechtung war in der Kaiserstraße notwendig. Wir haben gesehen, dass rund 70 Prozent der Autofahrer an der Ecke Cafe Rainer rechts abbiegen und nur wenige Meter weiter links in Richtung Bahnhof einbiegen“, erzählt Hronek. Da es immer wieder zu brenzligen Situationen kam, wurde das Rechtsabbiegen inzwischen verboten. Nicht nur die dort ansässigen Geschäftsleute freuen sich darüber. Um noch genauer in die Materie einzutauchen, wurde mit Hilfe der KI ein „Knotenstrombelastungsplan“ erstellt. „Wir können dank dieser Daten etwa die Einfahrt vom Recyclinghof genau beobachten, sehen welche und wie viele Fahrzeuge wann zufahren und sind damit in der Lage, die Öffnungszeiten so anzupassen, dass es zu weniger Staus kommt“, so Hronek.

„Mit dem dynamischen Verkehrsoptimierungssystem wurde ein Innovationsprojekt von regionaler und überregionaler Bedeutung initiiert, das Leuchtturmcharakter für viele andere Gemeinden mit ähnlichen Problemstellungen hat.“ LR Mario Gerber

Das Trio konnte sich während der Entwicklung auf weitere Spezialisten verlassen – so lieferte die Firma Bernard das Kamerasystem, die „kufgem“ unterstützte bei der Datenverarbeitung und auch die Firma Swarco half mit der Beschilderung, die Grundlage für das österreichweit einzigartige System zu legen. Seit über einem Jahr stehen an vier Schlüsselstellen digitale Anzeigentafeln – gefüttert werden diese dank der von den 25 Kameras gesammelten Daten.

Digitale Tafeln erleichtern Suche
„Die Kameras reden sozusagen mit den Tafeln“, erklärt Brandtner anschaulich und fügt hinzu: „Generell muss man die KI trainieren wie eine Fußballmannschaft“. Vor fünf Jahren lag die Erkennungsquote bei rund 90 Prozent, inzwischen erkennt das System 99 Prozent der Fahrzeuge. Auf den Tafeln sind nicht nur freie Parkplätze aufgeführt, es gibt auch Infos zu Straßensperren oder über die Verkehrslage, etwa bei Veranstaltungen oder auch bei Schulbeginn. Ein erstes Update des Systems wurde bereits durchgeführt und einige Kinderkrankheiten – etwa die Lesbarkeit der Tafeln – ausgemerzt. Unter anderem, so Alexander Hronek, hat die Gemeinde unter Begutachtung der gewonnenen Daten Änderungen bei Tagesparkplätzen und Kurzparkzonen durchgeführt.

„Die Umsetzung des Projektes war nur möglich, weil es gute Fördermöglichkeiten des Landes gab. Es ist – sofern es das Budget zulässt – geplant, das Projekt zu erweitern.“ Andreas Franze

Dass Potential des KI-Systems ist noch lange nicht ausgeschöpft, ist das Trio überzeugt. Sie arbeiten nach wie vor an dessen Weiterentwicklung und sammeln unermüdlich Daten. Daten, die jeder Interessierte jederzeit dank der immer aktuellen „Storymap“ über die Webseite der Gemeinde abrufen kann (www.st.johann.tirol).

„Für die Entwicklung eines solchen Projekts hat St. Johann eine gute Größe. In einer Großstadt wird es dann schon schwieriger“, sagt Andreas Franze. Er, Stefan Brandtner und Alexander Hronek sind sich dessen bewusst, „dass die Umsetzung des Projektes nur möglich war, weil es gute Fördermöglichkeiten auch seitens des Landes gibt.“ Es sei daher auch geplant – „sofern das Budget es zulässt“ – das Projekt zu erweitern.

Beim Land Tirol sind die KI-Erfolge der St. Johanner nicht unbemerkt geblieben: Als Leuchtturmprojekt Digitalisierung wurde das Projekt durch die Landesregierung gefördert. „Mit dem dynamischen Verkehrsoptimierungssystem wurde ein Innovationsprojekt von regionaler und überregionaler Bedeutung initiiert, das Leuchtturmcharakter für viele andere Gemeinden mit ähnlichen Problemstellungen hat“, erkennt auch Wirtschafts-Landesrat Mario Gerber das Potential, das in diesem Verkehrsleitsystem steckt.

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Eine jener Simulationen, dank denen das St. Johanner Trio den Verkehr - wie hier in der Meranerstraße – genau analysieren kann.

Fotos: Adobe Stock, Klausner, Grafik: Gemeinde St. Johann

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