„Den Toten eine Stimme geben“
Karl Markovics kommt nach St. Johann um die Lesung „Stahlgewitter “ zu halten. Dem Kitzbüheler Anzeiger hat er vorab von seinem Opa erzählt, der im 1. Weltkrieg kämpfte, und wie wichtig es ist, dass wir den Krieg nicht vergessen.
Kitzbüheler Anzeiger: Waren Sie schon einmal in unserer Region oder ist die Lesung in St. Johann für Sie eine Premiere?
Karl Markovics: Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass sich meine Tirolaufenthalte auf wenige Male beschränken. Lienz/Schulschikurs, Axamer Lizum/Bundesheer-Alpinausbildung, Innsbruck/Dreharbeiten und Präsentation meines ersten Films „Atmen“. In der Kitzbüheler Gegend war ich überhaupt noch nie. Nicht zuletzt deshalb freue ich mich, dass ich endlich einmal die Gelegenheit bekomme. Zum Anschauen wird die Zeit aber leider kaum reichen, da ich gleich am nächsten Morgen mit dem Zug nach Wien zurückfahre, wo ich gerade meinen neuen Film schneide.
Sie sind mit der Lesung „Stahlgewitter - Erinnerungen an das Ende der Welt“, die vom 1. Weltkrieg handelt, in ganz Österreich unterwegs. Wie sind Sie zu dem Projekt gekommen?
Peter Gillmayr, der Leiter des Streichquartetts „Die Salonisten“, fragte mich, ob ich mir ein gemeinsames Programm zu dem Thema vorstellen könnte. Ich fand es eine spannende Herausforderung. Der Erste Weltkrieg war die erste, große Kultur- und Menschheitskatastrophe der Moderne. Hier knüpft etwas direkt an unsere heutige Existenz an, weil es unsere Großväter waren, die diesen Krieg ausfechten mussten. Er ist nur deshalb in den Hintergrund gerückt, weil er durch den Zweiten in vieler Hinsicht „überboten“ wurde. Das macht den Ersten Weltkrieg aber deshalb um nichts weniger katastrophal.
Haben Ihnen Ihre Großeltern vom Krieg erzählt?
Mein Großvater hat am Ersten Weltkrieg teilgenommen. Er war bei den Sturmtrupps, die in der Dunkelheit zu den feindlichen Linien nach vor krochen, um die Stacheldrahtverhaue zu durchschneiden, damit die vorstürmenden Truppen im Morgengrauen eine freie Bahn hatten. Kurz vor seinem Tod nahm er mich plötzlich auf die Seite und erzählte mir davon, als müsste er noch etwas Schweres, Drückendes loswerden. Und so war es ja auch. Niemand, der aus diesem Krieg kam, oder aus irgendeinem Krieg, lebte ohne Wunde weiter. Selbst diejenigen, die körperlich unversehrt geblieben waren, waren doch in ihrer Seele zerstört.
Was ist Ihnen wichtig an diesem Projekt?
Dass es den Toten eine Stimme und eine Erinnerung gibt. Das ist das einzige, was wir tun können. Einen Sinn gibt es nicht. Schon gar nicht nachträglich. Wir können bestenfalls versuchen unser Bewusstsein zu schärfen für das, was Menschen einander antun können, wenn sie einander als Massen gegenüberstehen.
Glauben Sie, dass es eine Welt ohne Krieg in Zukunft einmal geben wird/kann?
Ja. Sobald es keine Menschen mehr auf diesem Planeten gibt.
Neben der Lesung haben Sie in diesem Sommer auch wieder Regie geführt. Auf was dürfen sich unsere Leser in ihrem neuesten Streifen „Superwelt“ freuen?
Das kann ich noch nicht sagen. Ich schneide den Film gerade und weiß selbst noch nicht so recht, was für eine Art Geschichte das werden wird. Im Grunde geht es um eine absolute Beziehung. Eine einfache Frau, Kassierin in einem Supermarkt, hat eine Begegnung mit Gott. Das verändert ihr Leben und das ihrer Familie.
Sehen wir Sie auch wieder einmal vor der Kamera?
Das weiß ich noch nicht. Im Augenblick ist Filmemachen das Zentrum meiner Arbeit. Aber es wird bestimmt wieder eine Zeit geben, wo ich die Seite wieder wechsle.
Das Interview führte Johanna Monitzer
Am Freitag, 17. Oktober, findet die Lesung „Stahlgewitter - Erinnerungen an das Ende der Welt“ statt. Musikalische Begleitung: Streichquartett Sonare aus Linz. Beginn 19.30 Uhr, Kaisersaal. VVK: Kaisersaal, Raiffeisen, Sparkasse, Libro, oeticket.com. Foto: C. Newman