
David Kreiner über einen etwas anderen Gipfelsieg
Wenn am 28. November im finnischen Ruka der Startschuss für den Weltcup der Nordischen Kombinierer fällt, beginnt für David Kreiner eine Saison, die er aus einer neuen, aber vertrauten Perspektive erlebt: Der Olympiasieger von 2010 sitzt für den ORF als Co-Kommentator am Mikrofon, analysiert die Sprünge und Läufe von Johannes Lamparter & Co – und bleibt so seiner Sportart eng verbunden. Gleichzeitig schlägt sein Herz längst für eine andere Bühne: die Berge.
Als staatlich geprüfter Berg- und Skiführer begleitet der Kitzbüheler heute Menschen durch Fels, Firn und Eis – und teilt mit ihnen eine Lebensphilosophie, die weit über den Sport hinausgeht.
Ein Privileg, hier geboren zu sein
Er ist sich bewusst, wie privilegiert sein Leben ist. „Ich sage immer: In der Geburtenlotterie haben wir das große Los gezogen“, meint er und lächelt. „Als Österreicher, noch dazu in Kitzbühel geboren – besser geht’s kaum.“
Bewegung war von Anfang an Kreiners Element. „Ich kann mich gar nicht erinnern, wann ich das erste Mal auf Skiern gestanden bin“, erzählt er. Mit sechs begann er jedenfalls mit dem Skispringen – logisch eigentlich, denn schon mit Alpinskiern fährt er am liebsten „von Schanze zu Schanze und von Buckel zu Buckel“.
Über die Skihauptschule Saalfelden führte ihn der Weg ins Skigymnasium Stams. „Mir war klar: Wenn ich gut werden will, ist das der Weg“, sagt er.
„Nach meinem Unfall wurde mir erst so richtig bewusst, welcher Luxus es ist, aufrecht gehen zu können.“
David Kreiner
Lebensuniversität Spitzensport
Danach zählte Kreiner viele Jahre zur Weltspitze. 2010 krönt er seine Karriere mit der Goldmedaille im Teambewerb bei den Olympischen Winterspielen in Vancouver. Auf dem Papier ist das der größte Erfolg – in seinem persönlichen Ranking stehen andere Erfahrungen aber mindestens gleich weit oben.
Er spricht von der „Lebensuniversität Spitzensport“. Am Anfang dominierte die pure Freude an der Bewegung. Später prägten Sprüche wie „Schmerz vergeht, Stolz besteht“ oder „Aufgeben tut man einen Brief“ sein Denken - im Rennen hilfreich, im Leben nicht immer.
„Ich war mein größter Kritiker“
Mit Anfang 20 stürzt er beim Klettern am Wilden Kaiser, bricht sich zwei Lendenwirbel. „Da wurde mir bewusst, dass es ein Luxus ist, aufrecht gehen zu können.“ Kreiner beginnt sich mit Atemtechnik und Meditation zu beschäftigen und lernt, auf den Körper zu hören. Sein damaliger Trainer Günther Chromecek stellt ihm eine Frage, die ihm im Gedächtnis blieb: „Musst du gewinnen, damit du dich magst?“ „Diese Frage stellt man sich sonst nicht“, sagt Kreiner. „Ich war mein größter Kritiker.“

Aktiv bleiben heißt nicht wettkämpfen
Seinen Rücktritt gestaltete er dann recht unkonventionell. Mitten im Winter, in Seefeld, spürte er beim Aufwärmen: Das ist es nicht mehr. „Wettkämpfe, dieses ständige Gegeneinander – das brauche ich nicht mehr.“ Er formulierte es damals als Auszeit, um sich eine Hintertür offenzuhalten. Innerlich wusste er aber: Es ist genug.
Das Umfeld reagierte überrascht: „Viele haben gefragt: ‚Bist du noch aktiv? Und ich habe gesagt: Ja natürlich. Ich hoffe ich kann noch lange aktiv sein. Es sind nur die Wettkämpfe, die mich nicht mehr interessieren.“
Nach der Karriere reift ein neuer Plan. „Ich wollte etwas Sinnvolles mit der ganzen Ausbildungszeit machen und dachte mir: Bergführer – das ist genau das, was mir gefällt.“
Seine Perspektive ändert sich und er merkt: Das Schönste ist, die eigene Passion zu teilen. „Nicht mehr der Erste oben zu sein ist das Ziel, sondern gemeinsam einen genussvollen Tag zu erleben.“
„Es geht nicht darum, um jeden Preis am Gipfel zu stehen, sondern um die Qualität des Weges.“
David Kreiner
Heute ist David Kreiner als staatlich geprüfter Berg- und Skiführer das ganze Jahr über unterwegs. Klettern ist seine große Leidenschaft: „Da bin ich am kreativsten. Ob im dritten oder achten Grad – du musst aufmerksam sein, im Moment sein. Das ist es ja, worum es im Leben geht.“ Die Seilschaft ist für ihn ein Bild für Freiheit und Verantwortung zugleich: „Gemeinsam kommt man dorthin, wo einer allein nicht hinkäme.“
Der Berg urteilt nicht
Kreiner mag klare Sätze. Geld und Status helfen in der steilen Wand nämlich nichts. „Der Berg urteilt nicht. Entweder du kannst es oder nicht.“ Die oft zitierte Floskel „Der Weg ist das Ziel“ interpretiert er anders: „Es geht nicht darum, um jeden Preis am Gipfel zu stehen, sondern um die Qualität des Weges und die Frage: Wieviel Qualität packe ich in den Weg hinein?“

Gespräche jenseits des Smalltalks
Wer mit David Kreiner unterwegs ist, bekommt oft auch Denkanstöße mit auf den Weg. Smalltalk über das Wetter liegt ihm nicht. Er versteht sich als Dienstleister – aber als einer, der Menschen ernst nimmt. „Das beste Coaching ist das, das nicht auffällt“, sagt er. Es sind die Grundtugenden, die zählen: Grüßen, Bitte, Danke, Respekt.
Auch aus seiner aktiven Zeit nimmt er viel mit: den Umgang mit Fehlern, die Akzeptanz von Niederlagen, das Wissen, dass man aus Rückschlägen wächst. „Die meisten sehen immer nur den Sieg, nicht den Weg dorthin“, meint er. „Aber ohne Niederlagen gibt es keine Entwicklung.“