Kitzbüheler Anzeiger

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Aktuell 20. Oktober 2022 3 Ein Autolenker drehte um, geriet dabei unwissentlich auf Privatgrund, wurde fotografiert und in weite- rer Folge zur Kasse gebe- ten. Ein Vorfall, der sich an Ort und Stelle offenbar wiederholte, wie sich im Zuge der Recherchen her- ausgestellt hat. Kitzbühel | Es ist eine Situation, wie sie tagtäglich zigmal p as- siert: Man verfährt sich, wen- det den Wagen und fährt zu- rück. Diese V orgehensweise praktizierte vor wenigen Wo- chen auch ein Autolenker im Zentrum von Kitzbühel. M it dem einzigen Unterschied, dass dem Urlaubsgast Tage später das Schreiben eines deutschen An- walts ins Haus flatterte. Seit- her versteht der Mann die Welt nicht mehr: „Ich soll jetzt 345 Euro zahlen, nur weil ich kurz umgedreht habe. Wie hätte ich denn wissen sollen, dass ich da- bei mit der Front meines Wa- gens auf Privatgrund geraten bin?“, fragt er fassungslos. Konkret wird ihm in dem Schreiben des deutschen An- walts, das dem Kitzbüheler Anzeiger vorliegt, eine Besitz- störungsklage angedroht und gleichzeitig ein Vergleichsan- gebot unterbreitet. Der betref- fende Pkw-Lenker habe „un- befugt das Grundstück s eines Mandanten befahren, indem auf dem Grundstück g ewen- det wurde“, lautet der Tatvor- wurf des deutschen Anwalts (Name und Anschrift der Re- daktion bekannt). „Dies ist generell eine Störung des r u- higen Besitzes meines Man- daten, darüber hinaus wird auf einem Schild ausdrücklich da- rauf hingewiesen, dass Unbe- fugten das Betreten und Befah- ren untersagt ist“. Drei Fotos in der Anlage sollen den Tatvor- wurf untermauern. Sein Mandant werde Besitz- störungsklage erheben, sofern das Vergleichsangebot bis Ab- lauf der gesetzten Frist nicht angenommen würde, heißt es weiter in dem Schreiben. Gleichzeitig müsse die b eige- fügte U nterlassungserklärung unterschrieben werden. Beim betroffenen Pkw-Lenker stößt die Vorgehensweise natur- gemäß auf Empörung: „ Als ich das Auto gewendet habe, war weder eine böse Absicht dahin- ter, noch war für mich P rivat- grund erkennbar. Ein Hinweis- schild habe ich nicht gesehen“, bekräftigt er erschüttert. Sechs weitere Lenker mit dem selben Problem Im Zuge von Recherchen wurde allerdings augenscheinlich, dass es sich bei dieser Causa in Kitzbühel o ffenbar um kei- nen Einzelfall handelt. Auch die Kitzbüheler Anwaltskanz- lei Dr. Wendling und Partner hat mit der offensichtlich schon mehrmals praktizierten Vorge- hensweise des vermeintlichen Kitzbüheler H auseigentümers bereits Bekanntschaft gemacht: „Sechs Pkw-Lenker, die an der selben Stelle ihren Wagen um- gedreht und dabei geringfügig das Grundstück b efahren ha- ben, haben uns um Rechtsaus- kunft ersucht“, schildert Horst Wendling. Es sei davon auszu- gehen, dass sich noch weitere ansässige Kanzleien mit der Causa befassen. Aus seiner Sicht liege keine Besitzstörung vor, hält Wendling weiters fest. „Bei einem kurzen Wendemanöver handelt es sich um einen geringfügigen Ein- griff. Der Grad und die zeitli- che Intensität der Nutzungsbe- einträchtigung geht gegen Null und stellt daher keine Störung im Rechtssinn vor.“ Die gericht- liche Geltendmachung derar- tiger Eingriffe verstoße g egen das Schikaneverbot. In dem konkreten Fall sei außerdem nicht k lar erkennt- lich, wo das öffentliche G ut endet und das private Gut be- ginnt, argumentiert Wend- ling nach einem Lokalaugen- schein, da der gesamte Bereich – Gemeindestraße und P rivat- grundstück – gep flastert seien. „Eine ins Auge fallende Grenz- ziehung, etwa durch Einzäun- ung, Schranken, Blumentröge oder große S teine, gibt es hier nicht“, stellt der Anwalt fest. Wendling: „Abgrenzung muss deutlich sein“ Das an der Hausmauer ange- brachte Hinweisschild, mit dem das Betreten und Befahren des Grundstückes untersagt wird, sei auf den ersten Blick gar nicht erkennbar. Fragwürdig, so Wendling, sei außerdem die Tatsache, dass direkt vor der be- treffenden Liegenschaft auf der Eisenstange eines Verkehrszei- chens (Park- und Halteverbot) der Stadtgemeinde ein privates Schild angebracht wurde, auf dem eine Besitzstörungsklage bei Wenden auf Privatgrund hingewiesen wird. Darüber hinaus w eiß Anwalt Horst Wendling mit weiteren pikanten Details aufzuwarten: „Aus dem Grundbuchauszug gehe hervor, dass der vermeint- liche Kitzbüheler H ausbesitzer gar nicht Eigentümer der L ie- genschaft ist und unter dieser Adresse auch keinen Haupt- wohnsitz gemeldet hat.“ Das sei durch eine Abfrage im zen- tralen Melderegister zum Vor- schein gekommen. Dass eine Besitzstörungs- klage im Fall des Falles vor ei- nem österreichischen G ericht erhoben werden würde, stößt dem Kitzbüheler Anwalt sauer auf: „Das dafür zuständige Be- zirksgericht Kitzbühel hat mei- ner Ansicht nach andere, not- wendigere Angelegenheiten zu lösen. A ußerdem g eht für mich nicht klar hervor, ob der deut- sche Anwalt überhaupt eine Zulassung für Österreich hat.“ Alexandra Fusser Mehrere Fälle von vermeintlicher Besitzstörung in Kitzbühel sorgen für A ufsehen 345 Euro für das W enden des Pkw Neben dem Pfarraubach steht das Verkehrszeichen (Park- und Haltever- bot) der Stadtgemeinde Kitzbühel. D arunter wurde eine private Hinweistafel angebracht. Foto: Fusser
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