Kitzbüheler Anzeiger

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Samstag, 24. Juli 1954 KitzbÜheler Anzeiger Seite Überlegungen über Öle it3büeIer Oommerfnifon Im Jahre. 1951 schrieb ich im „Kitz- üheier Anzeiger" einen Artikel, bei- telt ‚Fremdenverkehr am Scheidewege'. Er war danialsi auf die Tatsache der Senkung der englischen Devise afrei gabe gemünzt und zeigte Wege auf, diesem Schlage zu parieren. Indessen bekommen die Engländer längst schon wieder, was sie brauchen, der allgemeine Lebensstandard des Sommerreiseverkehrs bei uns hat sich aber indessen so sehr gesenkt, daß die damals für jenglische Gäste zutreffenden Anregungen heute ganz allgemeingülti - ge llgemeingülti- ge geworden sind. Wenn auch die ganz ungewöhnlichen Wetterkatastrophen des heurigen Som- mers ihr Teil zu der tagnation im Juli beigetragen haben mögen, so bleibt den- noch der Allgemeineindruck bestehen, daß die finanzielle Qualität unseres Sommerpublikums dauernd sinkt und daß auch da Interesse an Kitzbühel im Sommer bedeutend nachläßt. s wäre sehr 'berfiächlich gedacht, wollte man die Schuld darauf' schieben, daß etwa Kitzbühel für den Sommer zu wenig wirbt. In früheren Jahren wurde überhaupt nicht geworben und trotzdem hatte Kitzbühel ganz ausge- zeichnete Som mersaisonen, wie zum Bei- spiel in den Jahren 1929 und 1930 mit je über 130.000 Ü bernachtungen (1953: 106.000 lJbernachtungen.) Hin- gegen hatte der Winter 1930/31 90.000 tbernachtungen gegen 147.000 im Win- ter 1953/54. Also kann es nicht an der Werbung liegen, sondern an anderen Gründen, denen nachzuspüren interessant wäre. Ich will Ihnen hier meine Gedanken hiezu darlegen und es wäre fruchtbar, wenn daraus eine Diskussion entsprän- ge, welche Entschlüsse zur Reife brin- gen würde, weiche Kitzbühel dringend nötig hat. 1. Der Soinnierreiseveikehr ist seit einer Reihe von Jahren in einem Uni- begriffen. Die Klasse der wohlhabenden Leute, welche wäh- rend der Sommerferien samt Kind tind Kegel auf Wochen auf Sommerfrische gehen, ist im Aussterben begriffen. Der Gastwirt, welcher heute noch auf die Wiederkehr solcher Gäste wartet, ist ebenfalls im Aussterben begriffen, so- ferne er sch nicht baldigst, umstellt.. Die Reisenden haben sich etwa wie £oigt verteilt: 20 0/0 gehen noch als anhängliche Stammgäste auf etwa 14 Tage in einen ihnen bekannten Som- merfrisclien'ort;. 40 0/ø reisen im Wege der von Reisebüros ausgeschriebenen Sommerreisen, Aufenthalt meist minde- stens 7 Tage lüs 3 Wochen in, solchen Orten, wo die betreffenden Reisebüros Direktabschlüsse mit Gastbetrieben ge- macht haben, und die restlichen 40 07° reisen per Auto oder Motorrad und blei- ben, wo immer momentane Laune sie zu bleiben bewegt und so lange, als es ihnen paßt. Diese letzte Gruppe sind die sogenannten Passanten. A.nders ist es bei den Heilbadeorten. da, dort; nicht das Reisebüro, sondern der Arzt zu Hause die Kur vorschreibt und meist auch den Ort oder eine Aus-, wahl von Orten dazu. $s ist demnach aus dieser durch Er- fahrung r- falirung erhärteten Aufgliederung zu beweisen, daß ein Ort, dessen Hotelle- ne aus Gründen der Preispolitik oder irgend Welchen anderen Gründen es tb ,- lehnt, mit Reisehliros enge zusammen- zuarbeiten, bewußt darauf verzichten muß, zu 100 0/0 voll zu werden, da die 40 /o Reisebürogäste durch nichts anderes auf die Dauer ersetzt werden können, es sei denn, durch verstärkten Passantenverkehr während weniger Hochsaison tage. Der Reisebürogast hat noch einen zweiten Vorteil, welcher gerade in den letzten Tagen der Hochwasserkatastro- phen ochwasserkatastro- phen so recht ersichtlih ist. Er ha meist schon wochenlang vorher ge- bucht und kann nicht so leicht aus momentaner Laune absagen, wie der unabhängig reisende Gast. Während al- so zum Beispiel in Kitzbühel allgemein geklagt; wurde, daß Gäste. mit Rück- sicht auf die Zeitungsmeldungen absag- ten, oder überhaupt nicht eintrafen, war der Ausfall bei Reisebürogruppen nur unwesentlich. Leider sind es nur we- nige Kitzbüheler Betriebe, welche sich schon seit Jahren und daher rechtzeitig umgestellt haben. Sie sind es, die heu- te das Staunen und den eid der übri- gen hervorrufen. Der Einwand, 'daß Reisebürocihischlüsse meist nur bei be- deutenden Preiskonzessionen zustande kommen, ist richtig. Es ist auch jeder- manns eigene Sache, ob er lieber gut besetzt bei geringerer Verdienstspanne oder schlecht besetzt. bei größerer Ver- clienstspanne sein will. Vor, dieser Ent- scheidung kann -„ich keiiierinelii' her- unidr ucke n. 2. Der bessere oder schlechtere Be- such eines Ortes hängt ab davon, was dieser Ort Ulil (las (leid, das man; aus- geben muß, bietet. Die Höhe des Gel- des spielt dabei nicht einmal so einei wichtige Rolle als das, was man 'dafür eintauscht. So sehr der Kitzbüheler auf seinen Schwarzsee stolz ist, so müßig wäre es, zu glauben, daß Menschen aus Län- dern, welche selber über prachtvolle Seebäder verfügen, ausgerechnet wegen des Wassersports flach Kitzbühel kom- men. Sie kommen auch nicht; wegen des Tennis, welches sie überall daheim besser haben. Sie kommen, um in schö- ner, friedvoller und reizvoller Land- schaft der nötigen Ruhe zu pflegen, welche allerdings nicht so weit gehen soll, daß ihnen außer Fliegen fangen keine Zerstreuung bleibt, welche aber doch mit. ein Hauptgrund ihrer Orts- wahl bleibt. Wie sieht es da in Ritz-; hühel a;us? Von dem ehemals so ruhigen und friedlichen Bergstädtchen ist nicht mehr viel übrig: den ganzen Tag wälzt sich eine nicht abreißende Kette von Autobussen, Lastwagen, Motorrädern, Traktoren, mit infernalischem Lärm, Getöse und Gestank durch die Haupt- straße. Das Überqueren derselben ist beinahe in i t; Lebensgefahr, verbunden, im ganzen St;a.dtl gibt es keinen Qua- dratmeter mehr, auf dein man ruhig stehen kann, ohne Gefahr zu laufen, über den Haufen gefahren zu werden. Ja., selbst auf Spazierwegen, welhö der diesen Rummel entfliehende Gast eilends aufsucht, ist er nicht davor si- cher, von Autos entweder mit Kot be- spritzt oder eingestaubt zu werden, so- ferne er sich nicht mit kühnem Sprun- go in das Feld oder in die Wiese rettet. l. Kitzbühel bietet auch bei Regen vielerlei Möglichkeiten, sicn zu zei- streuen und dabei sein Geld los zu wer- den. Man kann jeden Pag sich die Jazz- kapellen von mehreren LokalenAnhö- ren und mehrmals gibt es die beliebten Tirolerabende. Aber der Sommergast hat entweder nicht das Geld, an den vielen Regentagen mehr für, 5 - 'Uhr - Tees auszugehen, als die Pension aus- macht., oder er will das nicht. Dgl an Regentagen auch die Platzkonzerte der braven Kitzbüheler Stadtmusik ausfal- len, welche fast; 100 °jo des kulturellen Dienstes am Gast bestreitet, so bleibt nichts übrig, um die zeit zu kürzen. Ein Musikp avillon, wo nicht Jazzmusik, sondern Musik fürs Ohr ohne Konsu- rnationszwang täglich nachmittags ge- boten wird, wäre etwas, was im Ver- hältnis zu dem kurortemäßigen Preis- gefüge Kitzbühels im Sommer stünde. Dazu müßte allerdings; die Frage der Stadthalle einmal gelöst werden, wel- che sich immer nur in Sta,mi-i tischgesprächen durch die Jahre windet. Auch andere kulturelle Genüsse könnten dann dem Gast geboten wer- den, wenn einmal eine solche Halle be- stünde. Ob sie für den Fremdenverkehr nicht wichtiger. gewesen wäre, als manch anderer Bau in Kitzbühel, vage ich nicht zu entscheiden! 4. Letzten Endes wird Kitzbühel,auch wenn es endlich einmal die Lastver- ke'hr-Umfahrungsst;raße baut - und es wird sie selber bauen müssen, pder es wird sie nie bekommen -‚ und wenn auch die neue Kitzbühiejer-Horn-Bahn steht iiiul vielleicht auch einmal eine Stadthalle, auch wenn, Was für einen Ort mt dem Range Kitzb'ühels eine Selbstverständlichkeit ist, das neue Krankenhaus eingerichtet sein wird, trotzdem im Sommer nur ein Ort sein wie viele andere, welcher eb'ensov iel0 Gäste in seinen Mauern sehen wird, wieviele ihm die anderen Ortei übrig- lassen. Maßgeblich wird der Sommerbetrieb Kitzbühels erst sich umgestalten, wenn
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