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Anton Flecksberger

Das Leben des Anton Flecksberger begann mit einer denkbar schlechten Ausgangsposition und einem Fehlstart: Zum einen mit dem Jahr 1914 in einem Jahr geboren, in dem sich die Völker Europas bis aufs Blut bekriegten und in dem das Habsburger-Reich zerfallen sollte, zum anderen erkrankte er mit drei Jahren an Diphtherie – die Folge war ein Herzleiden. Wegen der Krankheit konnte er nur sechs Klassen Volksschule besuchen.

Ironie Nummer eins: Trotz geschädigten Herzens feiert er dieser Tage seinen 95. Geburtstag.

Ironie Nummer zwei: Er lernte kaum lesen und schreiben - dank Selbststudium kann er heute als einer der ganz wenigen die im Mittelalter ausgestellten Schriftstücke, wie Urkunden und Briefe, lesen.  Die Kurrentschrift ist seine Stärke, die nunmehr übliche Lateinschrift seine Schwäche.

Die ersten Bücher

Doch der Reihe nach: Nach der Schulzeit musste der gesundheitlich geschwächte Toni am elterlichen Hof am Rande der Fleckalm fest zupacken. An Land und Leuten war er schon zu dieser Zeit interessiert - der Kauf etwa eines Geschichtsbuches aus finanziellen Gründen eine Unmöglichkeit. 1939 musste er zum Militär - mit dem ersten Sold kaufte er sich - Bücher. Zwei Jahre später fiel sein einziger Bruder. Der Tod war Startschuss für die erste  Ahnenforschung: „Ich wollte wissen, woher meine Familie stammt und wie lange sie schon in Kirchberg angesiedelt ist.“
Nach drei Jahren wusste er Bescheid. Nicht nur über seine Eltern oder Großeltern, sondern über die Vorfahren zurück bis zum Jahr 1333!

Übrigens: Die Flecksberger stammen vom Flechsberghof in Mühlbach am Hochkönig (Land Salzburg) ab.

Einmal auf den Geschmack gekommen, dehnte er seine Nachforschungen auf die Nachbarhöfe aus. Dann ging es  Schlag auf Schlag: Es folgte ganz Kirchberg, wo er eine Liste aller Hausbesitzer zwischen 1384 und 1850 erstellte, danach das gesamte Brixental. Anschließend folgte das bäuerliche Sölllandl. Danach wandte sich Flecksberger den Knappenhäusern in und um Kirchberg zu - bekanntlich war der Bezirk Kitzbühel bis ins späte 19. Jahrhundert ein Bergbaugebiet ersten Ranges.

Seine Vorgangsweise war über Jahrzehnte die gleiche: Im Sommer begutachtete er an Ort und Stelle die Objekte seiner Nachforschungen, im Winter archivierte er seine Ergebnisse. Er durchforstete Archiv um Archiv, schrieb unzählige Stellen um Fotokopien  von Dokumenten an. So an die 300 Mal war er in den Landesarchiven in Innsbruck, Salzburg und München. Seine älteste Aufzeichnung ist eine Urkunde, die die Schenkung des Brixentals von einem königlichen Ministeriale an die Bischöfe von Regensburg dokumentiert. Geschehen im Jahre 902.

Keinen Schlüssel mehr

Zur Gegenwart: 1977 übergab Anton Flecksberger den Hof an seinen Großneffen. Vor zwölf Jahren ereilte ihn ein schwerer Schicksalsschlag: Seine acht Jahre zuvor erblindete Frau verunglückte tödlich. Flecksberger lebt nun alleinstehend in einer Wohnung in Kirchberg.

Einen Teil seines aus tausenden Kartons bestehenden Archivs hat er der Gemeinde Kirchberg für die Gestaltung eines Heimatbuches überlassen. Als das Werk fertig war, folgte eine bis heute nicht überwundene Enttäuschung: Flecksberger wurde der Schlüssel zu jenem Raum in der Gemeinde, in dem sich seine Unterlagen befinden, weggenommen.

Was wünscht er sich zum 95. Geburtstag? „Dass meine Sammlung über die Herzog-urbane veröffentlicht wird.“Alexander Rußegger
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