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Kitzbüheler Anzeiger

Ein „alter König“, der berührte

St. Johann  | „Der König in seinem Exil“: Einblicke in die Geschichte (s)einer Familie, der die Demenz das Vaterbild verrückte und ein völlig neues davon schenkte.

Für Werner Gantschnigg, Obmann des rührigen Literaturvereines in St. Johann war die Lesung von Arno Geiger ein langgehegter Wunsch, der nun in Erfüllung ging. Der Literaturverein, der in der Alten Gerberei immer Raum für interessante Veranstaltungen findet, war nicht allein mit dieser Vorfreude, rund 130 Sitzplätze waren vorgesehen, sie waren alle belegt.

Mit Brita Steinwendtner (selbst Schriftstellerin und Leiterin der Rauriser Literaturtage) lud man sich eine Freundin als Moderatorin auf die Bühne. Unüberhörbar hat sie Freude an den Texten Arno Geigers.

Am Anfang des Buches und seiner Lesung steht das Eingestehen: die Familie gesteht sich ein, dass der Vater „nicht“ ist. Nicht depressiv, nicht faul, nicht langweilig, nicht (nur) eigensinnig, nicht (nur) einsam, sondern krank. Die Krankheit heißt Demenz und ist ein Schreckensszenario. Es werden die letzten Jahre rekonstruiert: Verhaltensauffälligkeiten werden analysiert, in einen neuen Kontext gestellt, vieles wird klarer und bekommt eine neue Bedeutung. Mit der Gewissheit kommt die Scham, mit dem Bedürfnis Verzeihung zu erlangen, die Aufarbeitung: das Buch, ein Geschenk, ein Text, den man Stückchen für Stückchen lesen möchte, um den Genuss daran zu verlängern.

Der Familie gelingt es immer wieder aufs Neue, die Vorstellung des Krankheitsverlaufes abzulegen und den Vater dort abzuholen, wo er sich gerade befindet. Nebenbei wird die Lebensgeschichte von Vater August erzählt und das alleine wäre ein Roman, der interessiert. Arno Geiger hat einen Text geschrieben, der berührt. Er liest ihn mit Herz, mit Körper, so, dass der Verstand begreift: diese Krankheit schält dem Menschen das Alltägliche ab. Sie demütigt, sie entblößt, sie lässt verzweifeln, sie hat Humor, sie hat viele Facetten. Immer aber bleibt der Kern des Menschseins über, der heil ist und ihn ausmacht. Wer das zu sehen vermag, ist reich beschenkt. B.A.
 

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