Kitzbüheler Anzeiger
26.12.2019
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Er war seiner Zeit voraus

In der heutigen städtischen Architektur ist das „Altern“ als optisch interessantes Phänomen nicht immer willkommen. Die Materialien sind glatt, gebürstet, glänzend. Beton, Glas, Stein und Metall sind in der Vorreiterrolle, das Holz wird hauptsächlich im ländlichen Bereich eingesetzt. Dabei machen gerade Materialien, die ihren Alterungsprozess zeigen und die offen sind für Zeitspuren ein Gebäude erst richtig interessant.

Kitzbühel | Wenn man sich heutzutage den Baustil in unserer Region ansieht, so erkennt man das enorme Bemühen der Architekten und Bauträger, die Architektur auf Biegen und Brechen der Alpenregion  anzupassen – manchmal leider nur mit mäßigem Erfolg.
Bereits vor 90 Jahren entwarf der Tiroler Architekt Clemens Holzmeister (1886–1993) ein Haus, das damals innovativ und vielleicht auch abgehoben wirkte. Und trotzdem schaffte es der Architekt, zwischen der wertvollen traditionellen architektonischen Kunst der damaligen Zeit und den manchmal kühnen Auswüchsen der modernen Bewegung, ein gutes Mittelmaß zu finden.

Das Berghaus am Hahnenkamm
Eines seiner herausragenden Bauwerke ist das Berghaus Holzmeister am Hahnenkamm aus den 1930er Jahren. Das Haus galt damals wahrlich als kühnes Bauprojekt. Die Eckdaten lassen sich auf wenige Schlagzeilen zusammenfassen: Ein auf einem gemauerten Sockel stehender, verschindelter Holzbau mit Pultdach, auf 1800 m Höhe gebaut. Sonne, Schnee, Sturmsturm und Wetter berücksichtigte der Architekt, es sollte zu allen Jahreszeiten ein Ort der familiären und freundschaftlichen Begegnung werden.
In unmittelbarer Nachbarschaft liegt das Haus des Kitzbüheler Malers und Architekten Alfons Walde, der seinem Freund und Kollegen das Grundstück verkauft hatte. Holzmeister plante und projektierte dieses Haus, 1930 wurde dort das erste Mal Weihnachten gefeiert.

Ein leidenschaftlicher Gastgeber
Holzmeister war als Mensch überaus kommunikativ und ein leidenschaftlicher Gastgeber. Sein Berghaus bildete für viele Jahre den optimalen Ort, Gäste zu empfangen, Feste zu feiern, mit Familie und Freunden gesellige Tage und Abende zu verbringen, sich in Ruhe seinen Projekten zu widmen und auch dort zu arbeiten.
Im Holzmeister Berghaus herrschte vor allem in den 1930er Jahren reges Leben. Die zahlreichen Gästebücher mit Einträgen, Zeichnungen und Gedichten von Freunden, Politikern und Künstlern geben Zeugnis dieser Zeit. Ab der Emigration 1938 und während der NS-Zeit stand das Haus leer.
Als architektonischer Wurf wurde das Haus nicht nur vielfach gewürdigt, es nimmt auch, wie Holzmeister es selbst beschrieb, eine modell- und beispielhafte Stellung in seinem Schaffen ein. Dem Architekten gelang eine einzigartige Raum-
ökonomie. Die Abfolge der Räume gestaltete er in einem Wechselspiel von funktional genau definierten und doch flexibel nutzbaren Bereichen. Beheizbarer Wohnraum und die Sonnenzugewandte Terrasse gehen förmlich ineinander über und je nach Wetter und Stimmung wechseln sich Geborgenheit und Offenheit einfach ab. Schiebewände im großen Wohnbereich ermöglichen eine flexible Nutzung des Raumes.

Tiroler Bauernstube als Inbegriff des Wohnens
Für Holzmeister war die Tiroler Bauernstube der Inbegriff der Wohnlichkeit, nicht aber für seine Frau Judith. Sie regte Holzmeister mit ihren Wünschen zu einer modernen Gestaltung und flexiblen Nutzung an. Besonderheiten, wie die elegante Ausstattung des Zimmers im 1. Stock durch großflächige „Beach-Pine“- Paneele gehen auf ihren Einfluss zurück.
Das Haus selbst befindet sich weitgehend im Originalzustand, wurde es doch wegen seiner künstlerischen und kulturellen Bedeutung und als Markstein moderner alpiner Architektur bereits 1994 unter Denkmalschutz gestellt. Das Prädikat Denkmal verdient das Haus allemal – es ist ein wunderbares Beispiel für funktionales und ökonomisches Raumplanen und Naturnähe mit modifizierten Elementen lokaler Bautradition.
Holzmeister hat sich in Kitzbühel architektonisch 30 Jahre später noch einmal verewigt. Nach Plänen von Clemens Holzmeister erfolgte 1960 an einem sehr malerischen Platz die Grundsteinlegung für die Evangelische Christuskirche, 1962 wurde die Kirche schließlich eingeweiht.

Bedeutend und bekannt
Clemens Holzmeister gehört zu den bedeutendsten und international bekanntesten österreichischen Architekten des 20. Jahrhunderts. Darüber hinaus ist sein Œuvre, das rund siebenhundert Objekte umfasst, infolge seiner immensen Schaffenskraft und seiner rund sechzig Jahre währenden Tätigkeit von einer praktisch unüberschaubaren Fülle geprägt. Damals bestachen seine Bauwerke durch die unverwechselbare Note und durch ihre Einzigartigkeit. Diesen Charme haben sie bis heute keineswegs verloren.

Das Berghaus von Clemens Holzmeister, erbaut 1930.

 
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