Kitzbüheler Anzeiger
23.10.2015
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Wie ist die Teufelsgasse entstanden?

Die Teufelsgasse im Gemeindegebiet von Kirchdorf ist ein außergewöhnliches Gebiet faszinierender geologischer Phänomene, das zu den interessantesten Naturschönheiten unseres Bezirks zählt.

Kirchdorf | Auf rund 1200 m Seehöhe, im Ortsteil Hinterberg gelegen, finden sich dramatische Felspartien mit tiefen, schattigen und begehbaren Klüften, die sich im Zick-Zack entlang einer locker bewaldeten Bergkante erstrecken. Hin und wieder öffnen sich die breiten Klüfte nach Süden und bieten ungewöhnliche und freie Blicke auf das Kaisergebirge und über das Großachental zu den Tauern im Süden. Breite Spalten, Leitersteige, labyrinthische Hohlwege und Sackgassen, beschauliche Aussichtsplätze, sonnige Flecken zum Rasten und vielfältiges Natur(er)leben machen die Teufelsgasse zu einem ganzjährig attraktiven Ziel für Wanderer. Wie ist dieses Naturkleinod entstanden? Darum geht es im heutigen Narrotibi.

Der Volksmund weiß natürlich schon seit Jahrhunderten, wie die Teufelsgasse geformt wurde: „Vor langer Zeit lebten die Bewohner des Tals in Frieden und Gelassenheit. Man ging dem Tageswerk gottesfürchtig nach und vergaß auch den wöchentlichen Kirchgang nicht. Doch wie überall, gab es auch in Kirchdorf neidige und sündige Erdenbürger; gleichwohl waren sie deutlich in der Minderheit. So wurde deren Fehlverhalten von den tugendhaften Mitmenschen wohlmeinend übersehen und man betete für ihre Seelen. Dem Teufel höchstpersönlich war das ein Dorn im Auge. „Mir gehören diese Frevelhaften, nur mir“, dachte er bei sich und ersann eine List, um diese Seelen für ewige Höllenqualen aus ihrem Leben zu pflücken. - Es ergab sich, dass auf den flachen und sonnigen Almen ein frohes Fest stattfinden sollte. Der Weg auf die Bergweide führte über die Bergkante oberhalb des lieblichen Tals von Hintereben. Am Abend vor dem Feste schlug nun der Teufel den gassenähnlichen Irrgarten in den Fels und belegte ihn mit einem Fluch. Während gute Menschen unbeschadet durch das Labyrinth fanden, wurden die Sündigen und ihre Seelen in die Irre geleitet, bis sie vor Verzweiflung ihr Leben aushauchten. Viele seiner armen Opfer haben ihre Namen in höchster Not in die Felswände geritzt, um ihren Hinterbliebenen von ihrem Schicksal zu berichten. Aufmerksame Wanderer können noch heute manchmal die verlorenen Seelen in der Teufelsgasse spüren und selten sogar deren Klagen und Weinen hören.“



Die Wissenschaft weiß anderes zu berichten: Die faszinierenden Geländeformen der Teufelsgasse entstanden durch eine so genannte Bergzerreißung. Obwohl es viele verschiedene Erscheinungsformen von Bergzerreißungen gibt, haben sie alle etwas gemeinsam: das Gestein stand durch Erosion (Abtrag durch Wind und Wetter) und entsprechend gerichtete Kluftsysteme stark unter Druck. Bei der Teufelsgasse kommt ein weiterer Sachverhalt zum Tragen: Eine spröde und steife Felsplatte, die aus hartem Kalkgestein besteht, liegt flach auf weichem Tonschiefer. Auf der Felsplatte dehnen sich die ebenen Weiden der Marcher- und Prostalm aus. Während der letzten Eiszeit lag ein viele hunderte Meter mächtiger Eiskörper über dem Land. Der weiche Tonschiefer konnte leicht vom Gletscher abgetragen werden. Dies ließ das sanft geformte Hochtal von Hintereben entstehen, während der harte Kalk oberhalb, auch wegen seiner flachen Lagerung, kaum Angriffsflächen bot. Zusätzlich erlebte die Kalkplatte durch das Eis einen enormen Druckeintrag. Nach dem Abschmelzen des Eiskörpers strebt nun die Felsplatte einen Druckausgleich an und hebt sich. Wegen des verformbaren Untergrundgesteins kommt es an der Plattenkante, entlang von Klüften und Rissen im harten Kalkstein, zu Auflösungserscheinungen. Zuerst zerreißt die spröde Felsplatte in Einzelblöcke, gleichzeitig gibt der weiche Tonschiefer entlang von Setzungsbahnen im Gestein nach; dadurch „wandern“ die Einzelblöcke nach vorne und lösen sich dabei in immer kleinere Felstürme auf. Dann kippen die vordersten Blöcke und Türme schließlich um, zerbrechen in Folge und formen einen Hang- und Blockschuttschleier am Fuß der Felswände. Dieser Vorgang hält übrigens immer noch an.

Da das Kluftsystem mehr oder weniger rechtwinklig ausgeformt ist, entsteht durch die Bergzerreißung die charakteristische Zick-Zack-Form des Irrgartens, wodurch die Teufelsgasse so geheimnisvoll und faszinierend wird. Sollten Sie noch nie durch die Teufelsgasse gewandert sein, so hoffe ich, Sie mit diesem Artikel dazu angeregt zu haben. Ich verspreche Ihnen, dass das Entdeckerherz von Kindern und Erwachsenen gleichermaßen höher schlagen wird.

Auf www.narrotibi.com erhalten Sie weiterführende Informationen über die Bergzerreißung der Teufelsgasse,  Informationen, wie man hin findet, Tipps zum Wandern und viele Fotos. Mag. Andreas Pflügler

 
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