Kitzbüheler Anzeiger
08.11.2015
News  
 

„Wie in einer normalen WG“

40 Personen aus den verschiedensten Nationen und unterschiedlichsten Konfessionen leben gemeinsam wie eine große Wohngemeinschaft in einem Haus. Was verbindet, ist die Hoffnung auf Frieden, Gerechtigkeit in ihrer Heimat und jene, die hier bleiben wollen, erwarten ein neues Leben in Österreich.

Kitzbühel | Das Haus ist ein offenes und soll auch die Möglichkeit für Begegnung bieten. Denn wo Begegnung stattfindet, können Brücken gebaut werden. Es ist eine Möglichkeit vorgefasste Bilder/Einstellungen, denen wir ja alle unterliegen, zu überdenken und dann auch abzubauen.  Dabei ist man  bedacht, Rücksichtnahme auf die ganz persönliche Privatsphäre der einzelnen Bewohnerinnen und Bewohner zu gewährleisten.

Helfen braucht Ordnung und Struktur

Sowohl ehrenamtliche Helfer als auch die Betreuer und die Bewohner selbst, lernen hier täglich dazu. So muss zum Beispiel der Umgang mit den zahlreichen Sachspenden straff organisiert werden, damit sich niemand benachteiligt fühlen muss. Manchmal kommen auch beschädigte Dinge, die nicht mehr repariert werden können.

Hoffnung und Verzweiflung

Die Bewohner müssen lernen sich in Geduld zu üben und zu warten und zudem sich unseren Sitten und Gewohnheiten anzupassen. Leider geht die Bearbeitung der Asylanträge schleppend vor sich. Dieses Warten, die Ungewissheit, ob man bleiben kann oder doch wieder in die unsichere Heimat zurückreisen muss, kann schon mürbe machen. Freud und Leid liegen nah beieinander. Während sich kürzlich zwei Bewohner über das Bleiberecht freuen konnten und bereits Arbeit und eine kleine Wohnung gefunden haben, wurde für zwei weitere Personen die Angst vor der Abschiebung Realität.

So unterschiedlich wie die Nationalitäten, Kulturen und Religionen im Seehof sind, so unterschiedlich ist auch der Umgang mit dem Erlebten, die Verarbeitung der schrecklichen Bilder und das Entdecken der neuen Umgebung. Während sich einige mit verschiedensten Tätigkeiten Ablenkung verschaffen, brauchen andere Schutz und Ruhe, um die schrecklichen Erlebnisse von Krieg und Folter zu verarbeiten. Eine Initiative der Künstlergilde konnte hier Gelegenheit bieten, Erlebtes in Form von Bildern zu verarbeiten. Auch die positive  Kooperation mit dem städtischen Fußballclub und anderen Vereinen sowie  wöchentliche Lauftreffs und andere Veranstaltungen lenken vom Alltag ab.

Vielen Bürgern ist es ein großes Anliegen, dass sich die Bewohner des Seehofs möglichst wohl fühlen können. Verständnis bittet die Heimleitung dafür, dass nicht alle Angebote aus organisatorischen Gründen angenommen werden können, aber jedes Wohlwollen dankbar aufgenommen wird.

Einige der Bewohnerinnen und Bewohner können für dreiEuro pro Stunde im städtischen Bereich arbeiten. Die Stadtgemeinde und die angrenzenden Gemeinden sind bei der Arbeitsbeschaffung sehr hilfreich. Einige der Kinder besuchen die Schulen und den Kindergarten in Kitzbühel, wobei hier viel wichtige Integrationsarbeit geleistet wird.

Es gibt wohl noch viel zu tun im Seehof, aber wenn Menschen, die guten Willens sind sich zusammentun, kann so manche noch so große Hürde gemeinsam gut genommen werden. Helfen und Unterstützen ist nie eine Einbahnstraße. Es kommt ganz viel an neuer, wertvoller Erfahrung, an Freude und Angenommensein zurück.   

Wie in einer ganz normalen Familie

Das Leben am Seehof kann man sich wie in einer Großfamilie oder einer großen Wohngemeinschaft vorstellen. So wie es in jeder Familie zu Konflikten kommt, gibt es auch im Seehof mal Kontroversen und kleinere Streitereien. Dann gilt es lebbare Kompromisse für beide Seiten zu finden.

Streitereien kommen auch schon Mal wegen dem unterschiedlichen Zugang zu Themen wie Sauberkeit und Müll auf. Dafür gibt es aber Hausregeln und daran müssen sich alle halten.

„So wie wir alle auch“

Die beiden Leiter des Seehofes und Vertreter der Flüchtlingsinitiative sind sich einig: Die Gruppe der Schutzsuchenden in Kitzbühel spiegelt genau die Gesellschaft wider, in der wir leben. Es sind alle Charakteren vertreten. Eines wollen die drei aber nicht: die Schwierigkeiten übersehen, auch wenn das Positive überwiegt. Mitgefühl für die Bewohner ist erwünscht, Mitleid ist hingegen keine Hilfe, denn nur auf Augenhöhe kann ein Miteinander und die Inte­gration stattfinden. Die Einbindung dieser Menschen in unsere Gesellschaft geschieht nicht von heute auf morgen, sondern sie braucht Zeit. Elisabeth M. Pöll

 
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