Kitzbüheler Anzeiger
12.07.2020
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Wenn das Geld nicht mehr reicht

Armut – alleine das Wort klingt schon unangenehm. Niemand will als armutsgefährdet gelten, dennoch gibt es rund 41.000 Menschen, die sich ihr Leben nicht leisten können, obwohl sie regelmäßig arbeiten gehen. Das Projekt „Inbus“ bietet Unterstützung für Betroffene.

Kitzbühel, Bezirk | Der Bezirk Kitzbühel zählt zu den Pilotregionen für „Inbus“ – nicht von ungefähr, wie der Ansprechpartner für die Region, Herbert Gasser, ausführt. Hohe Lebenshaltungskosten z.B. fürs Wohnen stehen einem relativ geringen Durchschnittseinkommen gegenüber. Das Phänomen des „Working Poor“, also arbeiten gehen und trotzdem zu wenig zum Leben zu haben, gewann durch Covid-19 noch zusätzlich an Dimension. „Im Zuge der Coronakrise haben viele Menschen entweder ihre Arbeit verloren oder befinden sich in Kurzarbeit. Wenn sie als Folge niedrigere Löhne bekommen, könnten sie in die Gruppe der ‚Working Poor“ abgleiten“, unterstreicht Landesrätin Beate Palfrader. Daher kündigte sie an, dass das Projekt Inbus nach dem Probebetrieb in den Bezirken Kitzbühel, Landeck, Imst und Lienz ab kommendem Jahr auf ganz Tirol ausgeweitet wird.

„Einnahmensituation verbessern“
Herbert Gasser betreut die Klienten in Kitzbühel. Bei „Inbus“ wird individuell auf die Situation der Betroffenen eingegangen. „Wir schauen dabei nicht wie ein Schuldnerberater, wo die Ausgaben gekürzt werden können, sondern wir wollen konkret die Einnahmensituation verbessern“, schildert Gasser. In einem ersten Schritt prüft der Experte daher, welche Förderungen für die Person infrage kommen. Ein starker Einkommenssprung nach oben lässt sich auch z.B. mit entsprechender Aus- und Weiterbildung erreichen. Bei „Inbus“ geht man dabei über reine Beratung hinaus. „Wir begleiten die Menschen, z.B. bei Anträgen im Amt“, schildert Gasser.

Die Betreuungszeit beträgt bis zu einem Jahr. Aber niemand werde einfach so „fallen gelassen“, unterstreicht der Inbus-Berater. „Der Klient steht im Mittelpunkt, jeder ist uns ein Anliegen“. Das Angebot ist selbstverständlich kostenlos und unverbindlich. Durch die persönliche Begleitung lasse sich relativ viel erreichen. Dennoch ist es schwer, die Zielgruppe zu erwischen: „Die Hemmschwelle, sich zu melden, ist groß. Nach außen hin will niemand zu dieser Gruppe dazugehören“, sagt Gasser. Dabei ist Armutsgefährdung für mehr Menschen Thema, als allgemein vermutet wird: Die aktuelle Schwelle beträgt 1.286 Euro für einen Ein-Personen-Haushalt. Dieser Wert erhöht sich nochmals um den Faktor 0,5, wenn ein weiterer Erwachsener im Haushalt lebt bzw. um 0,3 für Kinder unter 14 Jahren. Herbert Gasser skizziert den „typischen Fall“: „Armut ist weiblich, alleinerziehend und mit geringer formaler Bildung.“ In die Armutsfalle rutschen besonders oft Menschen, die zu niedrigen Lohn beziehen, in atypischen Beschäftigungsverhältnissen stecken und keine adäquate Berufsausbildung haben. „Für solche Menschen wird es zum unüberwindbaren Problem, wenn die Waschmaschine kaputt geht.“ Oder sie können beispielsweise im Winter nicht zur Arbeitsstelle fahren, weil sie sich die Winterreifen nicht leisten können. Laut aktueller Erhebung der Armutskonferenz sind 16,9 Prozent der Österreicher armuts- oder ausgrenzungsgefährdet.

Alle Hürden, die sich in dieser Situation stellen, bleiben oft für Außenstehende unbemerkt. Aus Scham schweigen die Betroffenen: „Armut ist zunächst unsichtbar“, so Gasser. Der Berater unterstreicht, dass bei Inbus selbstverständlich der Datenschutz streng gesichert ist. Der wichtigste Schritt sei, „sich zu sagen: ‚Ich nehme Hilfe in Anspruch‘. Das ist nie verkehrt, man geht ja schließlich auch zum Arzt, wenn man krank ist“, sagt Herbert Gasser abschließend. Elisabeth Galehr

Foto: Wenn das Geld trotz Arbeit vorne und hinten nicht reicht, hilft „Inbus“ weiter: nicht nur mit Beratung, sondern mit individueller Begleitung.

Daten&Fakten - Über das Projekt Inbus
Inbus wurde im Oktober 2019 unter anderem im Bezirk Kitzbühel gestartet, weil hier laut entsprechender Studien die Gefahr besonders groß ist, trotz Arbeit von Armut betroffen zu sein. Inbus bietet Beratung zu einem höheren Einkommen, Unterstützung beim Beantragen von Förderungen sowie Informationen über Weiterbildungsmöglichkeiten.  Die Beratung ist kostenlos und anonym, sie geht jeweils auf die individuelle Situation ein. Inbus ist ein Projekt von innovia, das vom Land Tirol ins Leben gerufen wurde und finanziert wird, mit Unterstützung des Europäischen Sozialfonds. Wer pro Monat nicht mehr als 1.286 Euro zur Verfügung hat gilt in Österreich als armutsgefährdet. Knapp 17 Prozent der Erwerbstätigen in Tirol sind von Armut betroffen. Ansprechpartner für den Bezirk Kitzbühel ist Herbert Gasser, Gesundheitszentrum Hornweg 28 in Kitzbühel, Tel. 0676/ 843 843 13 bzw. herbert.gasser@innovia.at. Weitere Infos: www.inbus.tirol

 
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