Kitzbüheler Anzeiger
06.08.2018
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Visionen für den Wirtschaftsstandort Kitzbühel

Ein „Masterplan“ für die Kitzbüheler Wirtschaft ist im Zuge des Stadtentwicklungsprojektes 750 (SEP) in Ausarbeitung. Die beiden Ausschuss-Obmänner Ludwig Schlechter (Wirtschaft und Stadtentwicklung) und Florian Huber (Tourismus und Stadtmarketing) zeigen im Anzeiger-Interview auf,  welche Visionen es gibt.

Kitzbühel  | Was steckt hinter der neuen Agenda für die Kitzbüheler Wirtschaft?

Ludwig Schlechter: Der Ursprung ist ja der: Wir wollen für die Wirtschaft Zeichen setzen und die Bevölkerung informieren, was passiert. Der SEP 750 ist auf der Zielgeraden. Wir haben verschiedene Arbeitskreise. Einer davon ist „Wirtschaft“. Da wurden Schwerpunktthemen herausgearbeitet: Erstens Stärkung regionaler Wirtschaftskreisläufe – unsere Regionalität weiter entwicklen und deren Wertschöpfung in der Region erhalten. Das heißt: Arbeit ist gleich Wohnen in Kitzbühel und Basis der regionalen Kreisläufe („Kauf im Ort“). Punkt zwei: Es sollten klare, nachhaltige und beständige Rahmenbedingungen geboten werden für günstige Gewerbegebiete, Wohngebiete und eine Tiefgarage mit Innenstadtanbindung.  Das Stadtzentrum muss sich als wirtschaftliche und emotionale Mitte Kitzbühel erhalten bzw. wieder hergestellt werden. Außerdem: Schaffung einer neutralen Kommunikationsplattform z.B. zwischen Gemeinschaft, Wirtschaft, Vereinen. Im Herbst werden die Etappenziele offiziell kundgetan.

Florian Huber: Es hat schon Bürgerbeteiligungen gegeben zur 750-Jahr-Feier, da laufen schon Module. Zum Beispiel die Sehenswürdigkeiten mit QR-Codes zu versehen. Oder eine Art Wikipedia für Kitzbühel – eine Datenbank für Kitzbüheler Geschichte(n).

Schlechter: Ich glaube, dass im Moment die richtige Zeit ist, sich aufgrund der guten Konjunktur der Wirtschaft, neuen Feldern zu widmen und die Wurzeln zu stärken. Die gute Phase sollte man nützen, mit der Zielrichtung für ein lebenswertes Kitzbühel. Da gehören alle dazu. Es ist nicht nur Teil der Unternehmer, sondern von allen. Jetzt ist die Chance gegeben, neue Ideen zu entwickeln. Ich möchte jetzt die Brücke schlagen zum Stadtmarketing.

Konzept für Stadtmarketing

Ich habe mich im Wirtschaftsausschuss mit einem Stadtmarketingkonzept beschäftigt. Es gibt ein Rohgerüst, das haben wir dann dem Stadtmarketingausschuss übergeben.
Denn das SEP ist auf dem Papier. Für die Umsetzung braucht es jemanden – eine Person die es auch tut ...

Huber: ... und für das Tun haben wir auch jemanden gefunden, nämlich Bernd Breitfellner. Er ist von seiner Geschichte her sehr qualifizert für den Posten und er wird im Herbst anfangen.

Ich habe außerdem in meinem Ausschuss einen Workshop veranstaltet: Es gibt diese Gemeindekarten, die z.B. Wörgl hat, um Regionalität zu fördern und Kaufkraft in Kitzbühel zu halten. Das sollte man den Einheimischen zugänglicher machen. Da haben wir jetzt diese – nennen wir es jetzt mal „Kitzcard“  – einmal für die Gemeinde, also für Hauptwohnsitzler, in weiterer Folge für den Tourismus, was der TVB eh schon in gewissem Maße hat, und dann auch für die heimischen Betriebe, die damit einen Anreiz schaffen können, um Mitarbeiter nach Kitzbühel zu bekommen, z.B. durch Vergünstigungen.

Schlechter: Knapp 7.000 Dienstnehmer arbeiten in Kitzbühel. Sie ist die einzige Gemeinde im Bezirk, die übers Jahr gesehen sechs Monate lang mehr offene Stellen hat als Arbeitslose. Tourismus, Handel und Gewerbe sind gut gedrittelt. Wir haben sehr viele kleine, aber sehr flexible und starke Betriebe – sehr viele KMU‘s.  Diese Regionalität wollen wir festigen. Es muss jedem bewusst sein, was es heißt, dass wir in der Heimat leben und arbeiten dürfen. Ausverkauf der Heimat hat ja weite Folgen. Es geht darum, die Geschichte Kitzbühels traditionell zu erhalten aber auch Modernes zuzulassen. Wir haben hier die Gratwanderung: Was lässt man zu? Da hat der SEP sehr viel Input von der Bevölkerung gebracht. Das ist das Entscheidende, dass wir diejenigen sind, die aufgrund dieses tollen Feedbacks Module umsetzen können.  

Huber: Da kann ich als Stadtgemeinde u.a. auch mit dieser „Kitzcard“ Akzente setzen, z.B. was den Verkehr angeht. Dass Leute mit dieser Karte gratis mit dem Bus fahren können sollen. Oder in weiterer Folge Vergünstigungen bei Parkgebühren kriegen. Ich kann das weiter spinnen, dass ich eine Karte für alles habe, in Zusammenarbeit mit der Bergbahn. So bleibt die Wertschöpfung in der Gemeinde. Das kann auch auf  Reith, Aurach und Jochberg  ausgedehnt werden, aber primär geht es jetzt erst einmal um Kitzbühel. Das ist der Gedanke: dieses Kitzbühel-Ich neu zu schaffen.

Ist in der Bevölkerung überhaupt ein Bewusstsein für die örtlichen Nahversorger da – wo gibt‘s was im Ort?

Huber: Momentan werden in einem Leader-Projekt die Kaufströme im ganzen Bezirk analysiert.

Schlechter: Da geht es um das Thema Nahversorgung. Die Auswertung läuft jetzt. Das ist natürlich ein Teil davon und hilft uns in der Umsetzung.

„Es gibt mehr als Vorder- und Hinterstadt“

Wie kann man – baulich und auch mit Leitmaßnahmen – ein Zusammengehörigkeitsgefühl schaffen?

Huber: Das ist schon geplant, dass man den Gürtel um die Innenstadt optisch und verkehrstechnisch gestaltet. Das man – auch bei den Touristen – ein Gefühl dafür schafft: Es gibt mehr als die Vorderstadt und die Hinterstadt.

Schlechter: ... das ist auch beim SEP herausgekommen. Die Innenstadt  besteht nicht aus Hinterstadt und Vorderstadt sondern auch aus den Zufahrtsstraßen. Gries, Gänsbachgasse etc.. Das Tolle an dem Projekt ist, dass jeder über seine Handfläche drüberschaut. Da ist die Bereitschaft da.

Huber: Da haben wir schon mit dem Straßenreferenten etc. Begehungen in den äußeren Ringen gehabt, wie man diesen Bereich attraktiver gestalten und ein Leitsystem etablieren kann. Das soll optisch attraktiver werden. Da gibt es die Idee, Terminals aufzustellen, mit deren Hilfe sich der Tourist durch Kitzbühel durchorientieren kann.

Wie schaut‘s aus mit dem Thema Verkehr – vor allem dem Parken?

Schlechter: Aus wirtschaftlicher Sicht ist Parken natürlich das große Thema in Kitzbühel. Gelöst werden kann es dahingehend, wenn die Verkehrsspange kommt und es gleichzeitig gelingt, eine Tiefgarage im Bereich Aquarena – Bergbahnparkplatz zu situieren. Wenn das gelingt, wird sich dieser Knoten lösen. Es sind mehrere Begleitmaßnahmen dabei, die den Tourismus etc. betreffen.

„Zu 100 Prozent hinter der Umfahrung“

Derzeit ist das Thema Verkehr für die örtliche Wirtschaft eine Katastrophe. Gerade in den Sommermonaten. Die Wirtschaft hat zu 100 Prozent das Bewusstsein für die Umfahrung. Wir stehen zu 100 Prozent hinter diesem Projekt.

Huber: Wenn es eine Gesamtlösung gibt, können wir uns der anderen Bereiche der Stadt annehmen und entsprechende Lösungen finden ...

Schlechter: ... bislang gibt es nur „Milderungen der Schmerzen“. Wir haben einen Ist-Stand – jetzt heißt es: Was wollen wir? Der Status-quo ist nun einmal so, jetzt müssen wir schauen, was können wir machen. Da kann Hermann Huber entsprechend Auskunft geben, ich will ihm da nicht vorgreifen.

Das kostet alles Geld, vor allem die Koordinierung. Gibt es Ideen wie man das finanziert – ist das Ortsmarketing in St. Johann ein Vorbild?

Huber: Momentan ist es Teil vom Rathaus, aber meiner Meinung nach sollte das in Zukunft schon in so einer Form wie z.B. in St. Johann funktionieren, wo die Wirtschaft eingebunden wird. Da muss man sicher schauen, wie sich das in den Jahren entwickelt. Momentan ist es die beste Lösung, dass das im Rathaus integriert ist und von der Stadt finanziert wird.  

Schlechter: Das sind die ersten Schritte, in weiterer Folge Kann ich mir z.B. durchaus vorstellen, dass man eine Genossenschaft macht.

Huber: In Hall und Saalfelden besteht das System aus Wirtschaft, Gemeinde und Tourismus und ist eine eigene Gesellschaft, die relativ selbstständig Projekte umsetzen kann.

Schlechter: Mir geht es auch darum, den Tourismus in‘s Boot mitzunehmen – es gibt viele Punkte, die sich miteinander zusammen fügen. Das kommt mit der Zeit heraus. Bin ganz offen.
 
Wie steht es mit dem Leerstandsmanagement? Gefragte Flächen stehen oft leer, weil sich keiner die Miete leisten kann.

Huber: Das ist natürlich ein massives Problem, das darf man nicht einreißen und eine Eigendynamik entwickeln lassen, dass ein Lokal nach dem anderen leer steht. Als Stadtgemeinde ist es aber schwierig, einem privaten Hausbesitzer vorzuschreiben, welche Mieten er ansetzt.

Schlechter: Ich sehe das genauso. Wir in der Politik können schon Rahmenbedingungen schaffen. Jetzt kommt die Auswertung der Nahversorgungsstudie heraus. Da können wir schauen, wo gibt‘s Bedarf in einer Branche. Da können wir natürlich Brücken bauen. Es ist aber im Eigeninteresse jedes Vermieters zu entscheiden: Will ich vermieten oder was mache ich damit? Wenn wir uns die letzten 20 Jahre anschauen ist da ein Gewicht gefallen. Die Essens-Nahversorger im Einzelhandel sind verschwunden, jetzt gibt‘s die Nahversorger im Immobilienbereich. Da wäre es sinnvoll, wenn wir die Information kriegen, wenn etwas leer wird. Dann können wir Empfehlungen geben. Warum nicht? Aber letztlich ist es jedem Unternehmer sein eigen zu sagen: will ich oder will ich nicht. Da wollen wir sensibilisieren, auf ein lebenswertes Kitzbühel hinweisen. Wir versuchen vorauszuschauen, auf die nächsten 10, 20, 30 Jahre. Mir ist das als ganz verwurzelter Kitzbüheler sehr wichtig!

Huber: Bezüglich Leerstandsmanagement bin ich auch schon in Gesprächen. Da gibt es Online-Plattformen, die genau auf das abzielen. Da kann der Hauseigentümer inserieren, was er sucht. Das soll integriert werden, auf unserer Kitzbühel-Plattform.

Schlechter: Es ist wichtig, in Dialog zu gehen. Dass nicht im Nachhinein gesagt wird: die Gemeinde hätte da was tun sollen! Wir können gerne unterstützen, aber dafür müssen wir‘s vorher erfahren.

Spielt das Hinein in die neue Gesprächskultur, den offenen Austausch aller beteiligten Partner?

Huber: Ja, wie gesagt, wir wollen das Kitzbühel-Ich neu schaffen ...
Schlechter: ... dafür braucht es einen kontinuierlich gepflegten Masterplan.
Huber: Ich glaube, dass man das mit der Person Breitfellner sehr fördern kann. Ein Bindeglied zwischen den einzelnen Teilen.

Haben Initiativen wie der Kitz Motion Day dazu beigetragen?

Schlechter: Auf alle Fälle. Damals hat sich das entwickelt. Der Genussmarkt ist ebenfalls so eine Institution. Der ist ein Hammer.

Huber: Es wurde an mich herangetragen, den Markt weiter auszubauen ...

Schlechter:  ...  er gehört auch außerhalb der Innenstadt hinaus gezogen. Innenstadt ist immer Innenstadt, aber daneben gibt es auch noch was. Die Spielwiese ist groß, es muss nur gemacht werden!  

Das Interview führte Elisabeth Galehr

Bild: Florian Huber (l.) und Ludwig Schlechter zeigen die Visionen für Kitzbühels Wirtschaft auf. Foto: Galehr

 
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