Kitzbüheler Anzeiger
21.02.2019
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Vegetation ändert sich schleichend

Innerhalb der letzten 14 Jahre sind temperaturempflindliche Pflanzenarten weiter nach oben in die Berge gewandert. Bei weiterem Temperaturanstieg gehen sie wahrscheinlich verloren, ergaben die Studien des Forschungsprojektes „GLORIA“, an dem der St. Johanner Martin Mallaun mitwirkt. Der Prozess ist schleichend.

St. Johann | In unwegigem Gelände ist Martin Mallaun  mit seinen Botanikerkollegen von der Universität Innsbruck unterwegs. Stunden verbringt der Forscher auf einsamen Gipfeln in Südtirol, abseits der Menschenströme. Zusammen mit Peter Unterluggauer, Lena Nicklas und Brigitta Erschbamer erforscht er im Rahmen des weltweiten Projektes „GLORIA“ (Global Observation Research Initiative in Alpine Environments), wie sich der Klimawandel auf die Vegetation im alpinen Raum auswirkt. Die Grünen St. Johann haben den Forscher letzte Woche im Rahmen des „Versteh Cafès“ für einen Vortrag eingeladen.

In Österreich werden die Temperaturen seit 1768 aufgezeichnet. „Fakt ist, dass seit 1980er Jahren die Temperaturkurve steil nach oben geht. Man spricht momentan von zwei Grad Erwärmung in Österreich gegenüber dem vorindustriellen Niveau. Weltweit spricht man von einem Grad – d.h. bei uns passiert diese Erwärung doppelt so schnell“, veranschaulicht Mallaun.

Auswirkungen der globalen Erwärmung

Die Auswirkungen kennt man: Die Gletscher ziehen sich zurück und die Permafrostböden tauen auf. „Wenn das Eis schmilzt, beginnt sich der Berg zu bewegen und lockeres Material löst sich“, erklärt Mallaun. Doch auch die Vegetation bzw. Ökosysteme verändern sich schleichend – das betrifft auch die Berge im Bezirk Kitzbühel. „Im Gebirge ist das Pflanzenwachstum sehr stark durch die Temperatur beschränkt. Die Pflanzen wandern aufgrund des Temperaturanstieges immer weiter nach oben“, erklärt Mallaun.

Acht Gipfel werden regelmäßig untersucht

Die Forschungsgruppe untersucht seit 2001 die Pflanzenwelt in zwei abgelegenen Gebieten in Südtirol. Dabei nimmt sie jeweils vier Gipfelregionen (ab ca. 2.000 Meter) in regelmäßigen Abständen in unterschiedlichen Höhenbereichen unter die Lupe. Die Forschungsgruppe geht drei Hauptfragen nach: Wie ist der Artenreichtum verteilt? Ändert sich die Artenvielfalt mit der Zeit? Wie reagiert die alpine Vegetation insgesamt auf die Erwärmung?

Auf jedem Gipfel sind Beobachtungsflächen abgesteckt, welche in Cluster eingeteilt werden. „Man muss sich das jetzt so vorstellen, dass wir stundenlang vor diesen Clustern knien und die Pflanzenwelt erheben. Dabei zählt jeder auch noch so kleine Grashalm“, erklärt Mallaun. Zusätzlich wird noch die Bodentemperatur gemessen.

Artenvielfalt in Höhenlagen nimmt zu

Die alpine Vegetation reagiert deutlich sensibler und schneller auf die Erwärmung als vermutet. Im Zeitraum der letzten vierzehn Jahre hat der Artenreichtum in den untersuchten Gebieten deutlich zugenommen. „Auf einem Gipfel in den Dolomiten auf 2.893 Metern Höhe haben wir bei der ersten Untersuchung 33 Pflanzenarten gefunden, vierzehn Jahre später waren es schon 54. Da sieht man, dass der Mensch mittlerweile auch in die entlegensten Gegenden eingreift“, veranschaulicht Mallaun.

Wie schaut eine mögliche Zukunft aus?

Der Botaniker bezeichnet die Situation derzeit als eine „Zeit des verstärkten Wandels“. Auf allen Gipfeln breiten sich die Pflanzen aus. „Auf Kälte spezialisierte Arten werden verdrängt werden“, prognostiziert Mallaun.

Insgesamt wird die alpine Vegetation „thermophiler“ – wärmeliebender werden „Wir wissen natürlich nicht, wie sich der CO2 Ausstoß in Zukunft entwickeln wird. Aber wenn wir so weitermachen wie bisher, dann ergibt ein Rechenmodell der ZAMG einen Temperaturanstieg von drei Grad bis zum Jahr 2100“, erklärt Mallaun.

Damit einher würde ein Verlust von alpinen, waldfreien Flächen von bis zu 77 Prozent in ganz Österreich gehen (Studie Dienböck 2011, Global Chane Biology) - und damit auch der Lebensraum für viele alpine Pflanzen.   Johanna Monitzer

Bild: Martin Mallaun forscht seit 2001 im Rahmen des weltweiten Projekts „GLORIA“ auf abgelegenen Gipfeln. Foto: Privat

 
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