Kitzbüheler Anzeiger
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07.07.2020
News  
 

Steve Jobs hätte diese Coronakrise auch sehr kreativ gelöst

Die Redakteure der Jugendredaktion waren am 15. Juni in Innsbruck zu Gast bei Dr. Paul Gappmaier, seines Zeichens Bildungsdirektor von Tirol.
 
Kitzbühel, Innsbruck |  Trotz seines vollen Terminkalenders nahm sich Herr Dr. Gappmaier Zeit und beantwortete exklusiv für die Jugendredaktion des Kitzbüheler Anzeigers die folgenden Fragen, die nicht nur die Ausnahmesituation der letzten drei Monate behandeln, sondern auch in die Zukunft blicken lassen.

Was waren für Sie die größten Schwierigkeiten in der Zeit des Lockdowns?
Eine besondere Herausforderung war die Geschwindigkeit, mit der die Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus erlassen werden (mussten). Entsprechend schnell waren wir in der Bildungsdirektion gefordert. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren teils an den Wochenenden im Einsatz und konnten so schnell reagieren.

Wie hat der Online-Unterricht funktioniert? Welche Probleme sind aufgetreten?
Es freut mich sehr, wie schnell der Onlineunterricht angelaufen ist. Innerhalb von wenigen Tagen haben die Lehrerinnen und Lehrer ihren gesamten Unterricht umgestellt. Wir haben auch viel Unterstützung von diversen Plattformen und Anbietern erhalten, z.B. vom Tiroler Bildungsservice.  Aufgrund der Digitalisierungsoffensive des Landes Tirol waren viele Schulstandorte schon vor Corona mit der nötigen IT-Infrastruktur ausgestattet.
Trotzdem ist die Umstellung –natürlich für alle Beteiligten auch eine Herausforderung gewesen. Nicht alle Schülerinnen und Schüler hatten zu Hause die nötige technische Ausrüstung. Dazu kommt, dass in der Anfangsphase des Fernunterrichts noch nicht alle Kinder und Jugendlichen für die Schulen erreichbar waren. Vielfach lag das an sprachlichen Hürden, allerdings auch an technischen Problemen wie geringem Handyguthaben. Durch gezielte Kontaktaufnahme von Schulpsychologie, Schulsozialarbeit, Beratungslehrpersonen und weiteren (teils fremdsprachigen) Ansprechpartnern konnten schnell fast alle Familien erreicht und über den Fern- unterricht aufgeklärt werden.

Welche Pläne gibt es, um die Qualität des Homeschoolings für eventuelle künftige Krisen gewährleisten zu können?
Hier gilt es, in der Computerinfrastruktur aufzurüsten. Kürzlich hat das Bildungsministerium dazu einen 8-Punkte-Plan für den digitalen Unterricht vorgestellt. Ab dem Schuljahr 2021/22 sollen Schülerinnen und Schüler schrittweise digitale Endgeräte bekommen. Darüber hinaus werden verschiedene Online-Plattformen für die digitale Kommunikation vereinheitlicht und zusätzlich Fortbildungsangebote für die Lehrpersonen geschaffen. Die Digitalisierungsoffensive des Landes Tirol wird um eine Million Euro aufgestockt. Diese Mittel werden u.a. ebenfalls in die Förderung der IT-Kompetenzen der Pädagoginnen und Pädagogen fließen.

In anderen Ländern wurde die Matura heuer komplett ausgesetzt. Mit welcher Begründung wurde sie bei uns in dieser Form durchgeführt?
Die Entscheidung des Bildungsministeriums, die Matura heuer in verschlankter Form durchzuführen, halte ich für richtig. Unter den besonderen Bedingungen musste reagiert werden und das hat eben zur Verschlankung geführt. Für die Absolventinnen und Absolventen ist es bestimmt von Vorteil, jetzt ein normales Maturazeugnis in Händen zu haben.

Finden Sie, dass die Matura in diesem Jahr an Wert verloren hat?
Die Maturantinnen und Maturanten waren heuer mit besonderen Herausforderungen konfrontiert. Lange war unklar, wie die Reifeprüfung aussehen wird, und durch den Fernunterricht hat sich das Lernen in den Monaten vor der Matura verändert. Die Schülerinnen und Schüler mussten durch den Lockdown mit neuen Realitäten umgehen. Im Zuge dessen wurden Zeitmanagement und Selbstorganisation sehr wichtig. Auch das sind wichtige Fertigkeiten, die reife junge Erwachsene für ihr späteres Leben brauchen werden. Daher denke ich nicht, dass in Summe gesehen die heurige Matura an Wert verloren hat.

Gibt es Überlegungen, endlich den Lehrplan zu modernisieren? Welche Änderungen schweben Ihnen vor? Wo sehen Sie als Bildungsdirektor den größten Änderungsbedarf?
Lehrpläne werden ja tatsächlich immer wieder überarbeitet. Dies ist die Aufgabe von Expertinnen und Experten aus den jeweiligen Fachbereichen. Es ist nicht Sache des Bildungsdirektors, in deren Arbeit einzugreifen.

Wie groß war der mediale Druck in der Zeit des Lockdowns? Warum erhielt man in Pressekonferenzen manchmal Informationen, die kurze Zeit später wieder anders kommuniziert worden sind?
Ich kann hier nur für die Bildungsdirektion für Tirol sprechen. Wir hatten einen engen und regelmäßigen Kontakt zu den Vertreterinnen und Vertretern der Medien und haben neue Informationen rasch weitergegeben. In der Zeit des Lockdowns haben sich die Rahmenbedingungen in ganz Österreich, eigentlich weltweit, sehr schnell geändert. Dementsprechend musste das Bildungsministerium, wenn es notwendig wurde, nachkorrigieren. Man darf nicht übersehen, dass die Krise auch für die Entscheidungsträger völlig neu war. In einer solchen Situation alles immer bis ins letzte Detail vorauszusehen und „unfehlbare“ Entscheidungen treffen zu können, wäre ein Wunder gewesen.

Konnten Sie eine Zunahme an psychischen Problemen bei Schülerinnen und Schülern während des Lockdowns bemerken? Wird es in Zukunft mehr psychologische Unterstützung an Schulen geben?
Während der Zeit des Lockdowns haben Angststörungen und Depressionen zugenommen und Schülerinnen und Schüler haben bei der Schulpsychologie vermehrt Hilfe gesucht. Wir hoffen natürlich, dass es nicht noch einmal zu einer solchen Situation kommen wird. An einen Ausbau der schulpsychologischen Unterstützung wird derzeit nicht gedacht.

Gibt es bereits konkrete Pläne, wie der Schulstart im Herbst aussehen wird?
Für jene Schülerinnen und Schüler, die in Deutsch Aufholbedarf haben und für die „Sommerschule 2020“ angemeldet sind, beginnt damit der Schulalltag zwei Wochen früher und das ermöglicht ihnen, bessere Startbedingungen für das neue Schuljahr zu haben. Abgesehen davon gibt es derzeit noch keine genauen Vorgaben aus dem Bildungsministerium. Diese werden schließlich davon abhängen, wie sich die Situation in Zusammenhang mit dem Coronavirus weiter entwickeln wird. Derzeit schon definitive Entscheidungen zu treffen, wäre verfrüht.
Wir hoffen aber alle, dass ein „normaler Schulstart“ und dann auch ein „normales Schuljahr“ möglich sein werden. Es muss alles vermieden werden, was zu einer zweiten Welle und einem zweiten Lockdown führen würde.

Welche Erkenntnisse nehmen Sie aus dieser Krise für Ihre künftige Arbeit mit?
Die vergangenen Monate haben uns vor Augen geführt, wie schnell und unerwartet sich die Dinge ändern können. Die Corona-Krise hat uns auch gezeigt, dass wir nicht davon ausgehen können, dass für alle Zeiten selbstverständlich sein muss, was wir bisher für normal, planbar und vorhersehbar gehalten haben. Darüber hinaus haben wir gesehen, dass die Herausforderungen, mögen sie auch besonders groß sein, mit viel Engagement und einem lösungsorientierten Zugang gut gemeistert werden können.
Den Beweis dafür haben die Tiroler Schulen und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Bildungsdirektion in den vergangenen Monaten geliefert.

In einem Interview vom 20. Mai 2019 nennen Sie Steve Jobs als persönliches Vorbild. Inwiefern könnte dieser Visionär gerade in solch einer Krise als Vorbild dienen?
Steve Jobs hat sich vor allem durch seine Kreativität ausgezeichnet. Die Gründung von Apple und die erfolgreichen Bemühungen, das Konzept des Heimcomputers und später die Generation der Smartphones sowie Tabletcomputer populär zu machen, waren höchst beeindruckende Leistungen. Heimcomputer, Tablets, Smartphones und die Möglichkeiten, die sie im Distance Learning eröffnet haben, wurden während der Corona-Krise dringend gebraucht – sowohl im Schulwesen als auch in der Verwaltung und in der Wirtschaft. Und dringend notwendig war in dieser Zeit auch ein hohes Maß an Kreativität. (StefBo, ToPi)

Fotos: Trotz engem Zeitplan stellt sich Dr. Paul Gappmaier den Fragen der Jugendredakteure. Inwiefern könnte der Visionär Steve Jobs in der aktuellen Krise ein Vorbild sein? - Eine interessante Frage, auf die unser Interviewpartner sofort eine Antwort parat hat. Fotos: DaKZo

 
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